Das Hochwasser bescherte vielen Menschen in und um Kempten herausfordernde Tage und Nächte

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Absichern, auspumpen, Sandsäcke füllen: Die Feuerwehren waren am Wochenende und auch darüber hinaus teils rund um die Uhr im Einsatz. Menschen verbrachten die Nacht im Keller, schöpften mit Eimern und bauten Dämme. Die Pumpen saugten und spuckten ohne Unterlass. © Feuerwehr Kempten

Kempten/Oberallgäu/Isny – Bange und fordernde Stunden mussten auch Menschen in Kempten, im nördlichen Oberallgäu und Richtung Bodensee durchleben.

Das vom Starkregen ausgelöste Hochwasser beschädigte manche Infrastruktur, Gärten, Höfe, Keller und Hausrat. 142 Mal wurden die Feuerwehren im Oberallgäu allein über die Leitstelle alarmiert. „Aber sehr viel lief über direkte Anrufe oder auf Zuruf, das kommt alles on top“, erklärt der Oberallgäuer Kreisbrandrat Michael Seger. Mancherorts seien die Feuerwehrkräfte regelrecht von Haus zu Haus gezogen, um Hilfe zu leisten, weil der Nachbar ebenfalls herbeieilte. In Haldenwang sind etwa 20 Häuser betroffen, in Dietmannsried geht man von 25 bis 30 Einsätzen aus. Weniger sind es in Wiggensbach.

Die Schäden und Erlebnisse werden die Betroffenen noch einige Zeit beschäftigen. Aber im Vergleich zu anderen Regionen, wo ganze Bereiche großflächig unter Wasser standen, ist man in und um Kempten noch einmal „vorbeigeschrammt“. Diese Einschätzung teilt man auch weiter westlich, um Isny.

In Kempten waren am Montag über 130 Helferinnen und Helfer an 24 Stellen im Einsatz, vor allem am Cambomare sowie in Hinterbach. Hier hat der Kollerbach einen provisorischen Damm fortgespült.

Der Kampf gegen das Wasser in Kempten/Hinterbach

„Kartoffeln, Schränke ... Wir haben so ziemlich alles fortgeschmissen, was im Keller stand.“ Marius Haggenmiller steht mit einem leeren Eimer in der Hand auf der Straße im Kemptener Ortsteil Hinterbach, Die Sonne scheint, die Menschen tragen Shorts und T-Shirt. Am Vortag lief hier das Wasser des Kollerbachs und überflutete Keller und sogar Erdgeschosse. „Bei uns war es nicht so schlimm, wie bei manchem Nachbarn“, erzählt der junge Mann. 1,50 Meter stand das Wasser bei ihm im Keller. „Jetzt ist alles voller Schlamm.“

Um ihn herum herrscht nun geschäftiges Treiben. Viele Helfer werfen zerstörte Gegenstände in einen Container, den die Stadt aufgestellt hat. Nasse Schranktüren, Schreibtische, Hausrat, jemand spült verdreckte Bierkrüge in einer Wanne auf der Straße.

Die Fluten waren am Montag schnell gekommen. Vormittags hatten Feuerwehr und Einwohner noch versucht, aus Steckleitern und Schaltafeln einen Damm zu bauen. Vergeblich. Um 16 Uhr forderte man die Menschen auf, in die Obergeschosse der Häuser aufzusuchen.

20 Gebäude hat das Wasser erwischt. Insgesamt waren am Montag über 130 Hilfskräfte in Kempten Einsatz, berichtet die Pressesprecherin der Stadt Andrea Hiemer. Ein zweiter Hotspot: Das Cambomare, wo Schmutzwasser in die Becken und Filter drang. Relativ ruhig war es am Wochenende in der Allgäumetropole geblieben.

„Diesmal ist wirklich viel Oberflächenwasser in die Häuser und Straßen gelaufen“, erklärt der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Kempten Karl Schindele. Die Böden waren einfach zu vollgesogen, als dass sie die Wassermassen noch hätten aufnehmen können. Das Regenwasser suchte sich über die Flächen seinen Weg. Auch kleinere Bäche wurden zur Gefahr.

Hochwasser traf im Oberallgäu vor allem den Bereich ab Höhe Kempten nordwärts

Im Oberallgäu war vor allem der Norden von den Fluten betroffen. Meist lief Wasser in Keller und über Straßen. Manche Infrastruktur fiel ihm zum Opfer. Die Bewohner und Feuerwehrleute hatten alle Hände voll zu tun. Türen und Kellerschächte wurden verrammelt, Gegenstände in Sicherheit gebracht, Pumpen installiert, Straßen gesperrt, Schächte kontrolliert. Die Hilfskräfte arbeiteten oft mehrere Tage und Nächte.

Um die 20 Einsätze waren es in Haldenwang. „In einem Fall konnte gerade noch verhindert werden, dass das Wasser nicht ins Erdgeschoss lief“, erzählt Bürgermeister Josef Wölfle. Es entstanden Schäden am Dorfbach, vom neuen Bankett an der Börwanger Steige sei sehr viel Kies heruntergeschwemmt worden, was nun am Ortsrand liegt. „Das war insgesamt schon ein großes Ereignis“, bilanziert der Gemeindechef.

Zehn Bauhofeinsätze und fünf Feuerwehreinsätze zählt Wiggensbachs Bürgermeister Thomas Eigstler. Hier auf dem Höhenrücken sei man weitgehend verschont geblieben, vor allem am Samstag und Sonntag.

25 bis 30 mal rückte man in Dietmannsried aus, erzählt Bürgermeister Werner Endres. Wie alle Rathauschefs in den Gesprächen ist Endres beeindruckt vom großen Engagement aller Helfer. Alle Bürgermeister drücken ihre Dankbarkeit aus. Erschreckt hat Endres aber, dass Autofahrer Sperrungen ignorierten und sich selber in Gefahr brachten.

Eine Mure aus Lehm, Erde und Schlamm und Wasser kommt einen Hügel hinab
Solange der Regen niederging, bewegte sich die Mure in Wengen noch. Die Mitarbeiter des Bauhofs mussten die Gemeindestraße zweimal räumen. © Foto: Schmid

Mure in Wengen

Auch Gebiete weiter westlich wurden getroffen. In Weitnau/Wengen hatte ein Anwohner glück, dass der Grundstückseigentümer vor einigen Jahren ein Schutzwall aufgeschüttet hatte. Eine Mure ging ab, umfloss sein Grundstück und begrub die Straße unter sich. „Es geht ganz langsam“, erzählt der Mann. Mit dem Regen sei irgendwann das Wasser irgendwann nicht mehr versickert und über das Feld oberhalb gelaufen. Bei dem Hügel handelt es sich um Reste des Illergletschers. Fünf Meter tief unter der Erde kommt der Nagelfuh, auf dem das Wasser einen Film bildete. Das Erdreich schwamm auf und hinab.

Der Bewohner konnte mehrere Tage lang das Haus nur zu Fuß verlassen. Trotzdem ist er gelassen. „Im Winter ist das auch manchmal so“, sagt er, „richtig leidtragend ist der Landwirt, der den Flurschaden hat.“ Am Dienstag war das Wetter wieder trockener, sodass die Kommune die Straße endgültig befreien konnte.

Von punktuellen Einsätzen spricht Isnys Bürgermeister Rainer Magenreuter. „In Isny ist man im Großen und Ganzen ganz gut aufgestellt“, sagt er. Mit wenigen Ausnahmen waren Keller der Häuser sowie verstopfte Dohlen an der Straße betroffen. Dennoch war der Bürgermeister am Mittwochmorgen sehr müde. Man hatte die letzten Tage und zwei Nächte lang einen Damm gesichert und erhöht. Mit Erfolg. Wäre der Damm gebrochen, wäre ein Haus im Taufach-Fetzachmoos bis ins Erdgeschoss geflutet worden.

Die Schäden und Erlebnisse werden die Betroffenen noch einige Zeit beschäftigen. Aber im Vergleich zu anderen Regionen, wo ganze Bereiche großflächig unter Wasser standen, ist man in und um Kempten noch einmal „vorbeigeschrammt“.

Oberallgäu konnte Hilfskräfte entsenden

„Wir hatten das große Glück, dass im Oberallgäu der Regen nicht so stark war, die Schneefallgrenze die bei 
1.500 Metern liegt und somit ein Teil des Niederschlags derzeit in den Bergen verbleibt. Aus diesem Grund konnten wir den Landkreisen, die derzeit stark von den Wassermassen betroffen sind, unsere Hilfe anbieten“, so Landrätin Indra Baier-Müller. Nach dem jüngsten Kabinettsbeschluss können im Landratsamt Soforthilfen für die Hochwassergeschädigten beantragt werden. Auch die Stadt Kempten möchte demnächst Informationen dazu auf der Homepage veröffentlichen.

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