Wohnungsuche in Deutschland: So will Schwarz-Rot die große Wohnkrise lösen

Wer schon einmal in einer Großstadt eine Mietwohnung gesucht hat, kennt die Tortur. Überall herrscht Wohnungsnot. Wer nicht horrende Mieten zahlen will, muss monatelang suchen. Wird deshalb in Deutschland schnell neuer Wohnraum geschaffen? Nein. Die deutsche Bauwirtschaft steckt wegen hoher Kosten, Bürokratie, immenser Bauzinsen und Fachkräftemangel in der Krise.

Die Baustelle „Wohnungsnot“, die die Ampel der Union übertragen hat, ist keine einfache. Jetzt soll ein politischer Neuanfang Abhilfe schaffen. Schwarz-Rot will übernehmen, es anders und besser machen. Drei Seiten nimmt die Wohnungs- und Baupolitik im jüngst veröffentlichten Koalitionsvertrag von Union und SPD ein. Auf genau 100 Zeilen haben sich die Unterhändler darauf verständigt, wie die Regierung unter Kanzler Friedrich Merz die großen Probleme der Wohnungsnot angehen will. Viele Maßnahmen sind geplant - aber reichen sie aus?  

Zu wenige Wohnungen und Eigentum

Die Probleme: Mehr als eine halbe Million Wohnungen fehlen in Deutschland, bilanzierte kürzlich eine Studie, die von Mieterbund, Bau-Gewerkschaft, Branchenverbände sowie der Caritas beauftragt wurde. Vor allem in den Ballungsräumen spitzt sich die Wohnungsnot zu. 

Die Lösungen: . Bauen soll endlich billiger, einfacher und schneller werden. In zwei Schritten soll das Baugesetzbuch reformiert werden, und schon in den ersten 100 Tagen plant die Koalition einen Gesetzentwurf für einen „Wohnungsbau-Turbo“, der Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen soll.

Hinzu kommen drei Offensiven - für Investitionen, Entbürokratisierung und steuerliche Erleichterungen. Auch serielles und modulares Bauen soll künftig stärker gefördert werden. Und dann gibt es noch den „Gebäudetyp E“ - ein Konzept, das den Bauprozess durch den Verzicht auf nicht zwingend notwendige Standards vereinfachen und beschleunigen soll. Ein erster Gesetzesentwurf war bereits erarbeitet, aber nicht verabschiedet worden.

Hinter dem „E“ steht entweder „einfach“ oder „experimentell“. Das Ziel: Bauherren sollen auf bestimmte Standards verzichten können, solange grundlegende Anforderungen wie Statik, Brandschutz und Gesundheitsschutz gewährleistet sind. Ein weiterer Baustein im Wohnbauturbo, den sich Schwarz-Rot erhofft.

Lob für den Bau-Turbo, aber hohe Bauzinsen bleiben

Die Kritik: Grundsätzlich bewertet Professor Michael Voigtländer die Maßnahmen als Schritt in die richtige Richtung. Der Wirtschafts- und Immobilienexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hebt vor allem den sogenannten Bau-Turbo hervor, der den Kommunen helfen könnte, schneller Bauland auszuweisen, weil dem Wohnungsbau Vorrang einräumt und bürokratische Hürden abbaut werden. Ein zentrales Problem war bisher die Verzögerung von Projekten durch Einsprüche - der Bau-Turbo soll diese nun minimieren. Positiv sieht Voigtländer auch die geplante Energieeinsparverordnung, die kostengünstigeres Bauen ermögliche und die Bautätigkeit ankurble.

Trotz dieser fortschrittlichen Maßnahmen sieht der Bauexperte noch immer Nachholbedarf. Ein „großer Wurf zur Senkung der Baukosten und zur Steigerung der Produktivität am Bau“ fehle noch, kritisiert er. Vor allem die stark gestiegenen Baukosten und das hohe Zinsniveau bremsten nach wie vor den Wohnungsbau. Voigtländer bemängelt auch die hohe Grunderwerbsteuer, die den Erwerb von Wohneigentum erheblich erschwere - und die im Koalitionsvertrag gar nicht mehr erwähnt wird.

Auch Florian Bauer, Geschäftsführer der Bauer-Immobilien-Unternehmensgruppe, erkennt an, dass viele schwarz-rote Vorschläge in die richtige Richtung gehen, meint aber: "Wirklich nachhaltige Lösungen wie digitale, schnellere und standardisierte Genehmigungsverfahren in den Baubehörden hätten deutlich mehr gebracht. Nun stehe der Koalitionsvertrag vor der Tür, aber „viele Probleme bleiben hausgemacht“, so der Immobilienunternehmer.

Teure Mieten, lückenhafte Mietpreisbremsen – und der Sozialwohnbau

Die Probleme: Seit Jahren steigen die Mieten in Deutschland. Ein Blick auf die Zahlen des Forschungsinstituts empirica zeigt, wie dramatisch die Lage inzwischen ist: Im Jahr 2024 wird die Kaltmiete für eine 60-Quadratmeter-Wohnung im einfachen Standard in Berlin bereits 650 Euro betragen. Doch der wahre Spitzenreiter liegt im Süden - in München stieg die Kaltmiete für vergleichbare Wohnungen auf 1150 Euro, was selbst für gut verdienende Haushalte kaum noch tragbar ist.

Besonders gravierend ist der Mangel an Sozialwohnungen: Statt der einst vier Millionen Sozialwohnungen in Deutschland gibt es laut einer neuen Studie des Pestel-Instituts heute nur noch rund 1,1 Millionen. Ein dramatischer Rückgang mit der Folge, dass vor allem in den Großstädten ein enormer Nachholbedarf besteht, Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen.

Die Lösungen: Die schwarz-rote Koalition setzt auf ein Bündel von Maßnahmen, um dem anhaltenden Anstieg der Mieten entgegenzuwirken. Die Mietpreisbremse soll nicht nur um vier Jahre verlängert, sondern auch verbessert werden, um weiterhin einen wirksamen Schutz vor unverhältnismäßigen Mietsteigerungen zu bieten. In besonders angespannten Wohnungsmärkten will die Koalition deshalb Indexmieten, möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen stärker regulieren. Außerdem wollen Union und SPD den „sozialen Wohnungsbau stärken“ und die Investitionen dafür schrittweise erhöhen. Konkrete Zahlen zu Zielen oder Mitteln fehlen allerdings im Koalitionsvertrag.

Union und SPD wollen aber auch den Vermietern unter die Arme greifen. Dazu setzt Schwarz-Rot auf steuerliche Anreize: Die Modernisierungsumlage soll so verändert werden, dass es sich für Vermieter wirtschaftlich lohnt, bestehende Gebäude zu modernisieren. Außerdem sollen Vermieter künftig steuerlich profitieren, wenn sie Wohnungen zu günstigen Konditionen vermieten.

Die Kritik: Mit Blick auf die Pläne zur Mietpreisbremse äußert sich Bauexperte Voigtländer kritisch. „Die Mietpreisbremse halte ich für problematisch, weil sie Investoren abschreckt und den Wohnungsbau unattraktiver macht - vor allem, wenn sie auch auf Neubauten ausgeweitet wird. Das schafft Verunsicherung“, so Voigtländer. Auch Immobilienunternehmer Bauer kritisiert, dass die Mietpreisbremse langfristig mehr schade als nütze.

Die geplanten Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau stoßen bei Bauexperte Voigtländer ebenfalls auf Kritik. Zum einen bemängelt er das Fehlen konkreter Zielvorgaben, was darauf schließen lasse, dass noch verhandelt werden müsse, um die bestehenden Herausforderungen überhaupt richtig anzugehen. Zum anderen plädiert er für ein Umdenken im gesamten Bereich des sozialen Wohnungsbaus: "Wir können uns auf Dauer nicht darauf verlassen, alles über die Förderung zu regeln. Die Förderquoten sind teilweise enorm - bis zu 50 Prozent der Baukosten werden übernommen. Das kann kein Dauerzustand sein", so Voigtländer.

Er fordert strukturelle Reformen, um den sozialen Wohnungsbau kostengünstiger zu machen. Ein weiteres Problem sieht er in der Fehlbelegung, da die Einkommensgrenzen für Wohnberechtigungsscheine zu weit gefasst sind. Voigtländer fordert daher eine präzisere Zielsetzung, damit die Wohnungen auch wirklich denjenigen zur Verfügung stehen, die sie am dringendsten benötigen.

Erste positive Ansätze – doch die Umsetzung bleibt entscheidend

Die Reaktionen auf die schwarz-roten Wohn- und Baupläne aus der Forschung sowie der Bau- und Immobilienbranche sind gemischt. Während „Haus & Grund“-Präsident Kai Warnecke den Koalitionsvertrag als Rückschritt betrachtet, vor allem aufgrund wiederholter Fehlansätze im Mietrecht wie der Verlängerung der Mietpreisbremse, sieht der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) die Pläne als einen wichtigen Schritt in Richtung bezahlbaren Wohnraums. Auch der Mieterbund begrüßt per se die Einigung, fordert aber ambitioniertere Maßnahmen, um die Mieterhöhungen zu begrenzen.

Ob Schwarz-Rot tatsächlich eine große Wende im Wohnungsbau einleitet, bleibt aber abzuwarten, betont Bau-Experte Voigtländer. „Auch im Ampel-Koalitionsvertrag gab es viele gute Ansätze“, erinnert er. „Aber entscheidend ist am Ende die Umsetzung.“