Das Benko-Beben in München: Insider gibt Einblick in die dramatischen Folgen der Signa-Pleite
Die Insolvenz der Signa Gruppe hat schwere Folgen für das Benko-Imperium. Ein Insider packt aus über die Folgen für München: So steht es um die Zukunft von Oberpollinger und Co.
München – Bis zuletzt hat die wankende Benko-Gruppe verzweifelt nach neuen Geldgebern gesucht. Doch selbst global tätige und hochpotente Investoren, die auf hochriskante Anlagen spezialisiert sind wie der saudische Staatsfonds PIF und der Hedgefonds Elliott Management, haben abgewunken. Zu unübersichtlich ist die Lage in dem verschachtelten Konstrukt von Immobilien- und Handelsaktivitäten.
Jetzt ist der Zusammenbruch des Benko-Imperiums in vollem Gang – und der größte Hammer kommt wohl erst noch: der Kollaps von „Signa Prime“, der Tochter, in der der österreichische Immobilienmogul seine wertvollsten Münchner, Hamburger und Wiener Objekte gebündelt hat. In der Isar-Metropole gehören dazu etwa die Alte Akademie in der Fußgängerzone, der frühere Hertie zwischen Hauptbahnhof und Stachus und das Kaut-Bullinger-Haus in der Rosenstraße. Wir sprachen mit einem wichtigen Insider, der ungenannt bleiben will, über die potenziell dramatischen Folgen für die Stadt – städteplanerisch, finanziell und die Arbeitsplätze bei Kaufhof betreffend.
Nach Signa-Pleite: Wie geht es weiter bei Alter Akademie & Co.?
„Etwas anderes als eine Insolvenz von Signa Prime ist für mich nicht vorstellbar. Ich rechne in den nächsten Tagen damit“, sagt der Experte. Das heißt: Der Insolvenzverwalter muss dann Notverkäufe für alle betroffenen Immobilien durchführen. Mit 20 Milliarden Euro hatte die Signa selbst den Wert ihrer Filet-Grundstücke einst bewertet – doch nach der Immobilienkrise dürfte mindestens ein Fünftel davon weg sein.
Nicht so bei der Alten Akademie, die der Freistaat Bayern für 240 Millionen Euro im Erbbaurecht an Signa verkauft hatte: Auf nur zehn Prozent beziffert die Branche den Wertverlust. „Das ist eine Top-Immobilie mit Top-Mietverträgen, darunter mit Novartis. 90 Prozent sind bereits vermietet. So ein Spitzenobjekt kommt nur ganz selten auf den Markt. Und es ist in hervorragendem Zustand, weil hier bis zuletzt gearbeitet wurde.“ Hier rasch einen hochkarätigen Käufer zu finden, sollte deshalb kein Problem sein. Auch das Kaut-Bullinger-Haus an der Rosenstraße fällt in diese Kategorie.
Schwieriger ist die Lage beim alten Hertie an der Schützenstraße: Die Riesenimmobilie ist schon seit Jahren eine Investitionsruine mit erheblichem Substanzverlust. Investoren brauchen viel Wagemut – oder einen kräftigen Preisnachlass. Das dämpft die Chancen auf eine baldige Entwicklung des Areals.
Was passiert mit dem Kaufhaus Oberpollinger in der Münchner Fußgängerzone?
Ein absolutes Filetstück und solide profitabel. Der Kaufhausbetrieb gehört zu 51 Prozent einem thailändischen Familienunternehmen, der Central Group des Milliardärs Tos Chirathivat. Signa besitzt nur eine Minderheitsbeteiligung. In der Branche gibt es die felsenfeste Erwartung, dass der Mehrheitseigner jetzt auch den Rest erwirbt, zum Schnäppchenpreis. Immerhin hat er auch bei der britischen Kette Selfridges, die ebenfalls zu Signa gehört hat, erst vor zwei Wochen seinen Anteil stark ausgebaut und dort damit faktisch die Kontrolle übernommen. In München könnte das Luxus-Kaufhaus 20 bis 30 Prozent unter Wert über den Tisch gehen. Auch am Erwerb der Oberpollinger-Immobilie selbst wird dem thailändischen Investor ein hohes Interesse nachgesagt.

Was passiert mit den Münchner Galeria-Kaufhäusern, darunter das Vorzeigehaus am Marienplatz?
Deren Zukunft ist stark gefährdet. Benko hatte zugesagt, 200 Millionen Euro in die Restrukturierung der nach zwei Insolvenzen auf 92 Häuser geschrumpften Galeria-Kette zu investieren. 50 Millionen hätten im kommenden März überwiesen werden sollen. Dieses Geld dürfte jetzt nicht fließen. Spekuliert wird, dass das Galeria-Management die Mietzahlungen an Signa stoppt und sich mit den sprudelnden Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft vorerst noch über Wasser hält. Danach wird ein Notverkauf des Geschäftsbetriebs erwartet – fraglich, für welche Häuser sich noch ein Investor findet.
Die vier verbliebenen Münchner Filialen am Marienplatz, in Schwabing, im OEZ und am Rotkreuzplatz sollen laut Galeria-Kreisen immerhin profitabel sein. Ob das reicht, um sie in die Zukunft zu retten, muss sich zeigen.
Schulden von Benko: Müssen bayerische Banken für den Schaden zahlen?
Mit zwei Milliarden Euro stand Benko dem Vernehmen nach allein bei österreichischen Geldhäusern in der Kreide, in der Schweiz rasselt die Privatbank Julius Bär wegen ihrer Benko-Kredite von über 600 Millionen Franken gerade tief in den Aktienkeller, deutschen Banken schuldet die Gruppe laut Branchenkreisen insgesamt eine Milliarde Euro. Mit im Boot mit einem dreistelligen Millionenbetrag ist mal wieder die BayernLB. Auch die Münchner Stadtsparkasse und die Bayerische Versorgungskammer, die die Pensionen von bayerischen Beamten sichern soll, haben bei Benko Geld im Feuer.
Für die bayerischen Institute gibt der Münchner Insider aber vorsichtig Entwarnung: Die von bayerischen Banken finanzierten Münchner Spitzenobjekte seien weiterhin werthaltig, sodass die hinterlegten Sicherheiten ausreichen sollten, um zumindest schwere Verluste zu vermeiden. Ähnlich äußerte sich auch die BayernLB selbst.
Bei wem bleiben die erwarteten Benko-Milliardenverluste dann hängen?
45 bis 50 Prozent von Benkos Top-Immobilien waren Insidern zufolge durch Bankkredite finanziert, 20 bis 30 Prozent betrug das von Benko und vermögenden Geschäftspartnern bereitgestellte Eigenkapital, 25 bis 35 Prozent waren hoch verzinste, aber schlecht besicherte Darlehen Dritter. Letztere werden wohl ein Drittel bis die Hälfte ihres Einsatzes verlieren.
Bei den Eigenkapitalgebern wie dem Hamburger Milliardär Klaus Michael Kühne, rechnet der Insider vor, könnte nach Ende des Insolvenzverfahrens die Hälfte futsch sein. Mit einem blauen Auge hingegen dürften hingegen die Banken davonkommen.
Was passiert mit René Benko selbst?
Seine reichen Geschäftspartner drohen mit Klage. Sie fühlen sich von dem lange bewunderten Österreicher nicht nur schlecht informiert (Stichwort Insolvenzverschleppung), sondern womöglich auch hintergangen. Zu prüfen ist zum Beispiel, ob der in Not geratene Benko an seinen Partnern vorbei womöglich Immobilien unter Wert abgegeben hat. Lässt sich das beweisen, drohen Benko strafrechtliche Konsequenzen.
Am Hungertuch nagen muss der tief gefallene Überflieger bis dahin allerdings nicht. Einen nicht unerheblichen Anteil seines Vermögens hat Benko vor Jahren schon in nicht haftenden Familienstiftungen untergebracht. Dort ist es bis zum Beweis möglicher strafrechtlicher Verfehlungen erst mal sicher vor seinen (Ex-)Freunden und Gläubigern.