„Nicht alle Tassen im Schrank“: Muss der Staat für Galeria und SportScheck zahlen?
Die Signa-Insolvenz bedroht die Warenhäuser in deutschen Innenstädten. Die Zukunft von Galeria und Co. ist ungewiss. Der Städte- und Gemeindebund pocht auf finanzielle Hilfen von Bund und Ländern.
München – Das Immobilien- und Einzelhandelsimperium der Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko zerbricht gerade. Damit verbunden ist ein Erdrutsch, der die Warenhäuser in deutschen Innenstädten bedroht. So musste schon der bekannte Sportartikelhändler SportScheck, auch eine Signa-Tochter, am Donnerstag (30. November) einen Insolvenzantrag stellen, nachdem die Signa Holding am Mittwoch ihre Insolvenz verkündet hatte.
René Benkos Imperium geht Pleite: Signa-Tochter SportScheck insolvent – auch Galeria betroffen
„Dieser Schritt ist erforderlich, da die Signa Holding ihrer vertraglichen Zahlungszusage durch den Insolvenzantrag nicht nachkommen kann und wird. SportScheck befindet sich dadurch in einer Zahlungsunfähigkeit“, erklärte das Unternehmen in einer Stellungnahme, die IPPEN.MEDIA vorliegt. Das Geschäft soll aber erst einmal normal weiterlaufen, potenzielle Investoren hätten schon Interesse bekundet. Die Kette setzt in 34 Filialen in Innenstadtlagen pro Jahr rund 350 Millionen Euro um, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
„So bitter wie sich dieser Schritt anfühlt, sehen wir ihn auch als Chance, das Unternehmen mit seinen Vertragspartnern und Gläubigern nachhaltig zu stärken. Die Konzentration gilt nun der strategischen Ausrichtung und der
Weiterentwicklung des Geschäfts im Sanierungsverfahren“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Alle Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bleiben vorerst weiter geöffnet, für Kunden bleibe alles wie gewohnt.
Zu Signa gehört auch die angeschlagene größte deutsche Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Wie es mit den übriggebliebenen etwa 120 Galeria-Filialen in den deutschen Innenstädten nun weitergeht, ist völlig unklar. Geht es überhaupt weiter? Diese Frage treibt spätestens seit dieser Woche wohl viele der rund 13.800 Beschäftigten des Unternehmens um. Wahrscheinlich sollen die Anteile verkauft werden, wird in den Medien spekuliert. Doch wer würde in diesen unsicheren Zeiten für den Einzelhandel zuschlagen?
Galeria-Kauf: „Wer das macht, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank“
„Niemand“, glaubt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. „Wer das macht, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten ergibt das keinen Sinn.“ Auch Johannes Berentzen, Chef der Handelsberatung BBE, erwartet eine schwierige Investorensuche.
„Zur Niedrigzinszeit wäre ein Eintritt in den deutschen Markt vielleicht für internationale Investoren oder sogar Handelsgruppen interessant gewesen. In der heutigen Markt- und Zinslage gibt es kaum Chancen, einen Käufer zu finden.“ Als Negativbeispiel nennt Berentzen die Modekette Aachener, die in diesem Jahr in sechs aufgegebene Galeria-Standorte eingezogen war und zuletzt einen Insolvenzantrag stellte.
Auswirkungen der Signa-Pleite bei Galeria Kaufhof: Städte- und Gemeindebund befürchtet Folgen für Innenstädte
Das sind schlechte Nachrichten für Deutschlands Innenstädte: Denn für den Handelsverband Deutschland sind die Warenhäuser von Galeria immer noch zentrale Anlaufstellen in Deutschlands Städten. „Viele Kundinnen und Kunden kommen ihretwegen in die Stadtzentren. Davon profitieren in der Folge auch die benachbarten Geschäfte und Unternehmen anderer Branchen. Das Format Kauf- und Warenhaus hat nach wie vor seinen Platz in der Handelslandschaft“, sagt HDE Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
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Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt deshalb vor der Schließung von Galeria-Filialen und pocht auf finanzielle Hilfen von Bund und Ländern für die Neuausrichtung der Innenstädte. „Die Signa-Insolvenz ist für alle Galeria-Kaufhausstandorte eine schlechte Nachricht“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag. „Damit droht über 90 Galeria-Standorten, die eigentlich langfristig erhalten werden sollten, das Aus und damit den betroffenen Kommunen eine weitere Verschärfung der Situation.“ Die Leerstände nähmen ohnehin zu.
Für den Erhalt der Attraktivität und Lebensfähigkeit der Innenstädte sei es daher wichtig, die Schließung der verbliebenen Galeria-Standorte durch einen klaren Sanierungsfahrplan zu verhindern, sagte Landsberg dem RND. Die Warenhäuser seien nach wie vor wichtige Ankerpunkte in vielen Fußgängerzonen.
Unrentable Standorte könnten aber nicht immer wieder mit Steuergeldern gerettet werden. In enger Abstimmung mit den Städten und den Immobilieneigentümern müssten attraktive Nachnutzungskonzepte entwickelt werden. „Immissionsschutz und Baurecht dürfen dabei nicht zum Hemmschuh werden.“ Städte und Gemeinden sollten zudem die Möglichkeit erhalten, Einzelhandelsimmobilien im Einzelfall zwischenzunutzen oder selbst zu erwerben. Der Bund sollte die Kommunen dabei finanziell unterstützen, etwa durch die Einrichtung eines Innenstadtfonds.
Mit Material von Reuters und der dpa