Vertrauensfrage als Druckmittel für Sicherheitspaket? Wie Scholz die SPD einschüchtert

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Geheim-Absprache zwischen dem Kanzler und Fraktionschef Rolf Mützenich. Danach drohte Scholz den Abgeordneten, er werde „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“. © Michael Kappeler/dpa

Lange hatte der Kanzler mit dem Widerstand aus der Koalition zu kämpfen – nun machen ihm Abweichler aus den eigenen Reihen Probleme. Dabei drohte Scholz ihnen mit drastischen Konsequenzen.

München – Olaf Scholz hat seinen Trumpf lange aufbewahrt. Und kaum jemand hätte damit gerechnet, dass er ihn ausgerechnet jetzt einsetzt, so ganz ohne Vorwarnung: Bei einer Sitzung der SPD-Fraktion soll der Kanzler damit gedroht haben, die Vertrauensfrage zu stellen. So interpretieren es jedenfalls mehrere verdutzte SPD-Abgeordnete. Es ist das allerletzte Mittel, um Abweichler in der Fraktion zu disziplinieren: Wer sich weiter querstellt, muss eben die Auflösung des Parlaments riskieren – und damit auch den eigenen Job.

Scholz und das Sicherheitspaket – Kanzler werde „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“

Es geht um das Sicherheitspaket, das eine Lehre aus dem islamistischen Messer-Anschlag von Solingen sein soll. Um ein strikteres Waffenrecht, mehr Befugnisse für Behörden und die Streichung von Sozialleistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber. Letzteres bereitet vielen Grünen und Sozialdemokraten Bauchschmerzen. Bei der Fraktionssitzung am Dienstag sind vor allem kritische Stimmen aus dem linken Parteiflügel der SPD laut geworden: Abgeordnete, denen die Maßnahmen zu weit gehen. Die generell den Migrationskurs von Olaf Scholz falsch finden, seit er vor einem Jahr verkündet hat, „im großen Stil“ abschieben zu wollen. Die am Freitag, wenn das Parlament über das Sicherheitspaket entscheiden soll, mit Nein stimmen wollen.

Er werde notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“, wenn die eigene Mehrheit der Koalition in Gefahr gerät, soll Olaf Scholz den Abgeordneten laut dem „Spiegel“ gedroht haben. Das kann vieles heißen. Ein Appell an die Fraktionsdisziplin? Eine Demonstration väterlicher Strenge? Möglich wäre auch, dass er seinen innerparteilichen Kritikern androht, sie zu isolieren – immerhin müssten sich Abweichler bei einer Vertrauensfrage offen gegen ihren Kanzler stellen. Oder meint es der Kanzler tatsächlich ernst, wenn er seinen Rücktritt und den der gesamten Regierung ins Spiel bringt?

Drohte Scholz mit der Vertrauensfrage? Juso-Chef sieht Einschüchterungsversuch

Juso-Chef Philipp Türmer wirft Scholz vor, seine Kritiker kleinmachen zu wollen. „Ich hoffe, dass sich niemand, der gegen das Paket stimmen will, davon einschüchtern lässt, und kann nur allen sagen: Lasst euch nicht unterkriegen, ihr habt die volle Unterstützung der Jusos“, sagt er dem „Stern“: „Das ist für Wahlkampf, Listen und Parteitage vor Ort viel wichtiger als die gute Laune des Kanzlers.“

Türmer ist einer von mehreren Genossen, die in einem Brief an die Fraktionskollegen dazu aufgerufen haben, gegen das Sicherheitspaket zu stimmen. Es stärke „rassistische und ausgrenzende Narrative“ und verletze die Menschenwürde, heißt es darin.  „Eine ‚Brot, Bett und Seife‘-Politik ist eine Politik gegen die Menschenwürde und darf nicht durch Sozialdemokrat*innen beschlossen werden.“

SPD streitet über Sicherheitspaket – CDU-Chef Merz warnt den Kanzler

Zuvor hatten bereits mehr als 13 000 SPD-Mitglieder in einem offenen Brief geklagt, der härtere Kurs in der Asylpolitik sei „keine Zukunft für die Sozialdemokratie“. Daraufhin haben die Fraktionen von SPD und Grünen das Sicherheitspaket deutlich entschärft: zum Beispiel mit einer Härtefallklausel bei der Kürzung von Sozialleistungen, wenn etwa Kinder betroffen sind.

Doch für einige SPDler sind die Maßnahmen noch immer zu hart. 20 bis 25 der 207 Abgeordneten sollen sich am Dienstag in einer Probeabstimmung dagegen gestellt haben. Die Mehrheit gefährdet das zwar nicht – offen ist aber die Frage, wie viele Grünen am Freitag mit Nein stimmen werden. Nach Informationen unserer Zeitung wird über eine namentliche Abstimmung im Plenum diskutiert, um den Druck auf Ausreißer zu erhöhen.

Auch die Union wird das Paket am Freitag ablehnen – weil es ihr nicht weit genug geht. CDU-Chef Friedrich Merz bemängelt vor allem, dass Zurückweisungen an deutschen Grenzen kein Teil des Pakets sind. Und er warnt Scholz, die Vertrauensfrage als Druckmittel gegen die eigene Fraktion zu benutzen: „Das droht man nur einmal an, beim nächsten Mal muss man es machen.“ Wenn man die Vertrauensfrage stelle, sei das der Anfang vom Ende der eigenen Regierungszeit. Seinen Trumpf hat der Kanzler demnach verspielt.

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