Nein zu Taurus: Scholz treiben wohl andere Gründe als die offiziellen um
Scholz will keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Ein von IPPEN.MEDIA befragter Experte sieht in seiner Begründung eine Ausrede - und vermutet andere Motive.
Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz hat seinen Ruf als Zauderer in Sachen Ukraine-Unterstützung wieder einmal besiegelt: Der deutsche Kanzler bleibt bei seinem Nein zu Taurus-Lieferungen im Ukraine-Krieg.
Zu hoch sei das Risiko, dass Deutschland zur Kriegspartei werde, begründete Scholz. Denn: Um die hochkomplexen Taurus-Marschflugkörper nutzen zu können, sei die Ukraine auf die Hilfe deutscher Soldaten angewiesen. Diese müssten beispielsweise Zieldaten eingeben.
Kritik an Scholz wegen Taurus-Nein: Hofreiter nennt Argument „offensichtlich falsch“
Nicht jeder kann dieses Argument nachvollziehen. Manche halten es sogar für völligen Quatsch. Grünen-Politiker Anton Hofreiter behauptete am Dienstagabend (27. Februar) im „heute journal“, Scholz‘ Begründung sei „offensichtlich falsch“. Das Nein von Scholz zu Taurus-Lieferungen sei „eine Geste der Schwäche“ gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin und „direkt eine Einladung, weitere Länder anzugreifen“.
Auch viele Fachleute bestreiten den von Scholz angeführten Automatismus, dass bei Taurus-Lieferungen deutsche Soldaten involviert würden. Der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Patrick Sensburg, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Ukrainer sind sehr gut und fähig darin, neue Waffensysteme zu lernen.“
Taurus in der Ukraine: Will Scholz Weitergabe von Know-how verhindern?
Doch vielleicht möchte Scholz genau das verhindern? Dies vermutet zumindest der Sicherheitsexperte Ulf Steindl vom „Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik“. Scholz‘ Begründung, deutsche Soldaten müssten bei der Taurus-Bedienung direkt in der Ukraine helfen, erscheint auch ihm als „Ausrede“, sagte er im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Aber Scholz könnte andere Gründe haben, warum er keine Taurus liefern will.
Zum einen, so der Politikwissenschaftler, könnte Scholz‘ Überlegung sein: „Will man der Ukraine das Know-how zur Bedienung und Programmierung von Taurus geben?“ Denn dies würde der Ukraine erheblichen technischen Einblick in das hochkomplexe und weitreichende Waffensystem geben und sie befähigen, es – vereinfacht gesagt – zu kopieren. „Ich vermute, dass Deutschland nicht dazu bereit ist, diese Technologie einfach aus der Hand zu geben“, so Steindl.

Mögliche Reaktion Putins auf Taurus-Lieferungen schreckt Scholz wohl ab
Zum anderen lasse sich Scholz wohl von einer möglichen Reaktion Russlands abschrecken: Taurus-Marschflugkörper seien die ideale Waffe, um die Kertsch-Brücke zu zerstören, die die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet. „Das wäre ein massiver Schlag gegen Russland und da hat man natürlich Angst vor einer Reaktion“, so der Fachmann für europäische Sicherheitspolitik.
Auch zur Zerstörung von „gehärteten Zielen innerhalb Russlands“ seien Taurus-Raketen die ideale Waffe. „Auch da ist die Befürchtung vor einer russischen Reaktion groß“, so Steindl. Taurus-Marschflugkörper können Ziele in mehr als 500 Kilometern sehr präzise treffen. Damit sind sie „Storm Shadow“- und „Scalp“-Raketen überlegen, die Großbritannien und Frankreich im Ukraine-Krieg geliefert haben. Diese haben eine Reichweite von etwa 250 Kilometern.
Keine Taurus-Marschflugkörper für Ukraine – Experte: „Scholz hat recht“
Taurus-Raketen würden zudem nur auf Baumwipfelhöhe fliegen und dabei dem Geländeverlauf eigenständig folgen. Somit entzögen sie sich der gegnerischen Radarerfassung, wie der ehemalige Oberst Ralph Thiele in einem Gastbeitrag für Focus schreibt. Zudem habe der Taurus den „schwersten Gefechtskopf unter den westlichen Systemen der gleichen Kategorie und er hat auch die größere Schubkraft“.
Der ehemalige Oberst erklärt in seinem Gastbeitrag zum Nein von Olaf Scholz: „Der Kanzler hat recht.“ Deutsche Soldaten müssten die Ukraine bei Taurus-Angriffen „entweder vor Ort oder aus der Distanz“ unterstützen, denn dafür seien „langjährig ausgebildete Spezialisten“ erforderlich. Zudem müsse die deutsche Armee der Ukraine „streng geheime Datenbibliotheken mit elektronischen Kennungen gegnerischer Verteidigungssysteme“ überlassen.
Scholz sagt Nein zu Taurus-Lieferung - Umstrittene Entscheidung in der Ampel-Koalition
Dazu ist Scholz offensichtlich nicht bereit – er will deutsche Soldaten in keiner Form am Ukraine-Krieg direkt beteiligt wissen. „Diese Klarheit ist notwendig“, betonte er am Montag (26. Februar). Er wundere sich, dass viele außer Acht ließen, „ob sich aus dem, was wir tun, sozusagen eine Kriegsbeteiligung ergeben könnte.“
Auch innerhalb der Ampel-Koalition ist Scholz‘ Zaudern bei Taurus-Lieferungen seit langem umstritten. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann votierte bei der entsprechenden Bundestags-Debatte gar für einen Antrag der Union, in dem für Taurus-Lieferungen plädiert wird. Eine Mehrheit der Deutschen steht dagegen hinter dem Kanzler-Nein zu Taurus.
Söder kritisiert Scholz wegen Taurus-Nein
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte die Uneinigkeit innerhalb der Ampel-Koalition über die Lieferung von Taurus. Es ergebe keinen Sinn, öffentlich die Lieferung einer bestimmten Waffe auszuschließen, wenn der Westen die Ukraine militärisch möglichst stark unterstützen wolle. „Die Taurus ist keine Atombombe“, sagte Söder.
Während Scholz höchst besonnen im Ukraine-Krieg agieren will, preschte Frankreichs Präsident Macron am Montag vor: Er sachte laut über die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine nach. Schwer gerungen hat Scholz auch mit sich, bevor er Leopard-Panzer lieferte. Ein Ukraine-Soldat benannte jetzt eine lebensbedrohliche Schwachstelle des deutschen Panzers. (smu)