„Bemerkenswerte Tatsache“ am Supervulkan – doch Experte spricht deutliche Warnung aus
Der Supervulkan der Phlegräischen Felder zeigt seit einer Woche eine überraschende Entwicklung. Doch die Experten sind sich uneinig darüber, was sie bedeutet.
Neapel/Pozzuoli – Seit zwei Jahren hält der Supervulkan der Phlegräischen Felder in Süditalien die rund eine halbe Million Einwohner seiner Roten Zone in Atem. Die Beben gehen mit Bodenhebungen von bis zu über vier Metern einher. Das gesamte Phänomen nennt man „Bradyseismos“, was eigentlich so viel wie „sehr langsames Erdbeben“ bedeutet. Die Erdstöße haben in den letzten Monaten aber an Stärke zugenommen und erreichten im März mit einer Magnitude von 4,6 ihren bisherigen Höhepunkt. Wegen der geringen Tiefe sind die Auswirkungen stark, mehr als 2000 Menschen mussten in der Caldera des riesigen Vulkans evakuiert werden. Befürchtet wird auch eine Eruption wie vor 39.000 Jahren, der alles Leben im Umkreis von 100 Kilometern auslöschte.
Neue Entwicklung am Supervulkan: Experte spricht von „bemerkenswerter Tatsache“
Doch der letzte Überwachungsbericht des Staatlichen Instituts für Geophysik und Vulkanologie INGV für die letzte Aprilwoche sorgte für eine Überraschung: „In den Phlegräischen Feldern gab es in den letzten fünfzehn Tagen diese Tendenz zur Geschwindigkeitsabnahme, was eine bemerkenswerte Tatsache ist“, erklärt Mauro Di Vito, Direktor des Vesuv-Observatoriums des INGV, gegenüber il mattino. Im Vergleich zur Vorwoche hatte es sogar einen Stillstand gegeben.

„Zusammen mit der geringeren Anzahl von Erdbeben ist das alles sehr positiv“, sagt der Chefüberwacher des Supervulkans weiter. „Wir befinden uns bei einer Geschwindigkeitsabnahme von fast einem Zentimeter und werden die Geschwindigkeit von zwei Zentimetern auf einen Zentimeter pro Monat.“ Man werde zwar den Trend in den kommenden Wochen weiter überprüfen. Aber: „Offensichtlich zeigt der Prozess einen Rückgang, es sind jedoch deutliche Schwankungen zu erkennen. Alles muss mittel- und langfristig überprüft werden.“ Auch die gemessene Temperatur an den Schwefelquellen von Pisciarelli am Fuße des Solfatara-Kraters schwankten, und zwar zwischen 94 und 98 Grad, was schon hoch ist, die niedrigeren Temperaturen führt De Vito auf Regenfällen zurück.
Bodenhebung macht eine Pause und auch das Kohlendioxid nimmt wieder ab
„Wir haben diesen Rückgang der Geschwindigkeit der Hebung durch den Bradyseismos im Rione Terra bemerkt“, fährt Di Vito fort. Damit ist die durch den Druck des Vulkans im Erdinneren verursachte Hebung des Areals gemeint, die in Pozzuoli am stärksten ist. In den weiter außerhalb gelegenen Gebieten wie der Insel Nisida im Osten und Capo Miseno sei die Hebung fast zum Stillstand gekommen. De Vito berichtet über einen weiteren, Hoffnung erzeugenden Trend: „Bei den Kohlendioxidemissionen haben wir in der letzten Woche einen Rückgang festgestellt, und wenn sie nicht weiter ansteigen, ist das ein weiteres positives Zeichen.“

Wegen der hohen Kohlendioxidwerte hatte es bereits Evakuierungen gegeben, der rückläufige Trend soll nun genauer untersucht werden. De Vito erklärt: „Die getroffenen Einschätzungen zum Kohlendioxidausstoß müssen anhand der umfangreichen Kampagne, die wir in den nächsten Wochen durchführen werden, überprüft werden.“ Über ein großes Gebiet, das den gesamten Boden der Solfatara und das Gebiet um Pisciarelli, beides bei der Hafenstadt Pozzuoli, umfasst, soll das CO₂ gemessen werden. Darauf folge eine noch umfangreichere Kampagne, die auch das gesamte benachbarte Gebiet von Agnano im Bereich von Neapel abdecken soll. Dadurch soll ein vollständiges Bild und eine Einschätzung darüber gewonnen werden, in welchem Ausmaß sich der Prozess der Gasemission aus der Caldera im Laufe der Zeit verändert hat.“ Die neue Entwicklung könnte bedeuten, dass die Region, in der auch viele Touristen im Verlauf eines Italien-Urlaubs Station machen, aufatmen könnte.
Forscher warnt vor zu viel Optimismus: „Müssen mit noch stärkeren Beben rechnen“
Allerdings gibt es Experten, die davor warnen, von einer Entspannung auszugehen: „Leider lässt sich die Entwicklung des Systems nicht vorhersagen, und es kam häufig zu einer relativen Stagnation oder Abnahme der seismischen Aktivität“, berichtet Giuseppe Mastrolorenzo, der leitende Forscher und Vulkanologe am Vesuv-Observatorium des Staatlichen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV), in Neapel im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Aber der Gasfluss hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und die Hebung des Bodens hat nicht aufgehört, sondern setzt sich mit einer Geschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Monat fort.
Genau bei dieser Hebungsrate, oder sogar noch niedriger, sind in der Vergangenheit die stärksten Beben aufgetreten.“ Die Seismizität sei nur ein kleiner Ausbruch des Bradyseismos, sie schwanke im Laufe der Zeit erheblich. „Und leider müssen wir mit weiteren, noch stärkeren seismischen Sequenzen rechnen“, warnt der Experte.

Tatsächlich hatte es in den vergangenen Jahren bereits zwei Pausen gegeben, in denen es in den Phlegräischen Feldern relativ ruhig wurde, was Beben, Gasausstoß und Bodenhebung betraf. Nach neun bzw. elf Monaten kamen die Beben umso stärker zurück.
Wegen Ausbruchsgefahr: Untersuchungen am Supervulkan
Jüngst hatten Forscher eine Art Tomografie der Phlegräischen Felder erstellt, um die Gefahren, die von ihr ausgehen, besser einschätzen zum können. Kürzlich wurde auch eine Unterwasserdrohne ins Meer gelassen, um die Vulkanstrukturen am Meeresgrund vor dem Festland besser erforschen zu können. Auch aus dem All wird der Supervulkan mittlerweile beobachtet, die ISS misst die Temperatur, die vor Beben steigt.
Kürzlich hatten Forscher in Bebenwellen Muster entdeckt, die einen Ausbruch des Vulkans ankündigen könnten. Außerdem wurde kürzlich neue Messstationen im Westen und Osten der Phlegräischen Felder installiert, um dortige Risse in der Erdkruste besser untersuchen zu können.