In Ingenried: Rege Diskussion zu geplanten Freiflächen-Photovoltaikanlagen
Die Fronten scheinen verhärtet zwischen den Befürwortern und Gegnern von PV-Freiflächenanlagen auf Ingenrieder Flur. Dennoch haben beide Seiten zu einer Podiumsdiskussion mit anschließender Fragerunde in die Mehrzweckhalle geladen.
Ingenried – Die Regeln waren klar und streng: Sowohl die Gegner von der Bürgerinitiative, als auch die Befürworter von der Energiegemeinschaft bekamen jeweils eine halbe Stunde Redezeit, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Und bei der anschließenden Fragerunde durften die Antworten die Drei-Minuten-Marke nicht überschreiten. Das machte Moderator und Vize-Bürgermeister Siegfried Magg zu Beginn klar. Zudem fasste er noch einmal die Ereignisse zusammen, damit jeder der rund 120 anwesenden Bürger auf dem gleichen Stand war.

Auf der Seite der Bürgerinitiative nahmen Florian Fischer, Reinhold Rieger, Markus Hack und Johann Miller Platz, von der Energiegemeinschaft stellten sich Georg Saur, Benjamin Hofbauer und Franz Kriesmair den Fragen. Als Erster, nach Los㈠entscheid, ergriff Hack das Wort und erläuterte, was die Bürgerinitiative gegen die geplanten PV-Freiflächenanlagen aufgebracht hat. Und immer noch bringt.
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„18 Hektar sind eine enorme Fläche“, meinte er und hatte als Veranschaulichung diese Flächen in einer Grafik über den Ortskern gelegt, der darunter quasi verschwand. Ebenfalls auf der Minus-Seite sehen die Gegner den massiven Eingriff in die Natur und Ökosysteme, den Entzug landwirtschaftlich genutzter Flächen und die durch die Module entstehende Flächenversiegelung. Nicht zu vergessen: „Die Verschandelung des Landschaftsbildes.“ Vor dem Bau von Freiflächenanlagen sollten ihrer Meinung nach erst die Dächer mit PV ausgestattet werden, vor allem auf den Gebäuden der Gemeinde.
Stichwort Negativ-Strom
Auch die Wirtschaftlichkeit eines Solarparks bezweifeln die Gegner, da bei „Überkapazität die Produktion abgeschaltet“ werde. Stichwort: Negativ-Strom, der den Steuerzahler laut Gegnern viel Geld koste. Dass der geplante Speicher dies verhindern könnte, davon war auch der zweite Redner der Bürgerinitiative, Johann Miller, nicht überzeugt. Wohnhaft in Willofs, sei der pensionierte Landwirtschaftsamts-Mitarbeiter „zwar außen vor“, habe aber eine große Fangemeinde in Ingenried, und er glaubt, dass Speicher nicht rentabel seien: „Was da in den Sonnenstunden gespeichert wird, reicht vielleicht zehn Minuten, wenn die Sonne nicht mehr scheint.“

Das Fazit der Bürgerinitiative: Die PV-Freiflächenanlagen haben mehr Nachteile als Vorteile, und man müsse sich überlegen, was man künftigen Generationen hinterlasse.
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Als Redner der Energiegemeinschaft trat Benjamin Hofbauer auf. Auch er kein Bürger Ingenrieds, aber diesen seit der Bürgerversammlung bekannt, als er das Projekt vorgestellt hatte. Zudem ist er Geschäftsführer von „dHb Solarsysteme“. „Ich bin aber nicht in dieser Funktion hier, sondern als Mitglied der Energiegemeinschaft Ingenried“, stellte er klar.
0,9 Prozent der Gemeindefläche
In den Augen der Befürworter sei Solarenergie die günstigste Art, Strom zu produzieren, und das sei wichtig, um den Industriestandort Deutschland zu erhalten. „Die 18 Hektar machen nur 0,9 Prozent der Gemeindefläche aus“, relativierte Hofbauer das Argument der Gegner ebenfalls mit Grafiken, die diese Fläche im Verhältnis auf einem Fußballfeld zeigte.
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Auch das Argument der Flächenversiegelung wollte er nicht gelten lassen: „Wir haben auf diesen Flächen sogar eine Doppelnutzung, da dort Schumpen, Jungvieh oder Schafe weiden können. Wir entziehen diese Fläche nicht der Landwirtschaft.“ Auch sehen er und seine Mitstreiter keine schlimme optische Beeinträchtigung, da die Module „keine dominante Präsenz“ hätten. Das Ziel der Regierung, bis 2040 klimaneutral zu werden, sei seiner Meinung nach mit PV-Anlagen nur auf Dächern nicht zu erreichen, denn der Strombedarf werde in den Jahren um das Zehnfache steigen. „Auch, weil sich irgendwann die E-Mobilität durchsetzen wird.“
Sogar eine Doppelnutzung
Hofbauer sieht zudem großes Potenzial der Speicher-Technologie, die noch ausgefeilter wird und somit sogar „Ertrag aus Negativ-Strom“ generieren könne. Dem unterschwelligen Vorwurf, er und seine Mitstreiter wollen sich nur persönlich bereichern, konterte er, dass „jeder gerne Mitglied der Energiegemeinschaft werden und sich bei der Bürgerbeteiligung einbringen kann.“ Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.
Das Fazit der Energiegemeinschaft lautete: Nur mit PV-Freiflächenanlagen ist die Energiewende zu schaffen, um damit einen Beitrag zu leisten, den Klimawandel aufzuhalten. Und auch sie verwies auf künftige Generationen: „Was wollen wir unseren Kindern wirklich hinterlassen?“ Hofbauer appellierte, die Kinder selbst zu fragen, denn diese seien dieser Technologie gegenüber „komplett aufgeschlossen, weil sie damit aufwachsen“.
Entscheidung am 24. November
Ob die Bürgerinitiative oder die Energiegemeinschaft die Anwesenden in der Mehrzweckhalle überzeugt hat, war an diesem Abend nicht auszumachen, denn jede „Partei“ brachte schlüssige Argumente vor. Welchen Weg die Gemeinde Ingenried einschlägt, entscheidet sich am 24. November, wenn die Bürger beim Bürgerentscheid abstimmen. Ein Kreuz bei „Ja“ bedeutet, dass die Planungen zu den PV-Freiflächenanlagen eingestellt werden. Wer „Nein“ ankreuzt, ist dafür, dass die Planungen weitergehen.
Fragen an die Energiegemeinschaft
Mit welchen Einnahmen kann die Gemeinde Ingenried durch die Anlagen rechnen?
Hofbauer: Mit circa 50 000 Euro pro Jahr. Und sieben bis elf Jahre nach Inbetriebnahme kommt die Gewerbesteuer noch dazu. Das wären ungefähr 700 bis 1000 Euro pro Hektar.
Was haben die Bürger davon?
Hofbauer: Ziel ist es, dass wir den Ingenriedern einen eigenen günstigen Tarif anbieten können. Und sie können sich bei der Bürgerbeteiligung einbringen.
Wie viel Strom produzieren wir jetzt schon, und wie viel davon nutzen wir?
Magg: Laut Energienutzungsplan produzieren wir momentan 119 Prozent.
Saur: Der Plan zeigt aber auch, dass der Bedarf in den nächsten Jahren um das Zehnfache steigen wird.
Wäre es nicht sinnvoll, einen Speicher für den Windradstrom zu bauen?
Hofbauer: Das ist eine hervorragende Idee, das wäre super-intelligent und war in unserem ursprünglichen Plan auch vorgesehen. Dennoch wären die Freiflächenanlagen eine sinnvolle Ergänzung.
Fragen an die Bürgerinitiative
Thema Naturschutz. Was wächst jetzt auf diesen Flächen, was nachher nicht mehr wächst?
Fischer: Durch den Schatten, den die Module werfen, wird vermutlich nur noch Moos wachsen. Und durch den Zaun drumherum wird es keinen Wildwechsel mehr geben.
Einwand von Hofbauer: Es ist gesetzlich geregelt, dass Wildtiere durch den Zaun durchkommen müssen. Und die Erfahrung zeigt, dass dort später seltene Pflanzen mehr werden.
Wird durch das Projekt ein Landwirt in seiner Existenz gefährdet?
Fischer: Nein.
Wie will die Bürgerinitiative den zu erwartenden Ertrag für die Gemeinde kompensieren?
Fischer: Es werden niemals 50 000 Euro sein, das ist schöngerechnet.
Was wäre Eure Alternative zu den PV-Freiflächen?
Rieger: Wir sind nicht gegen PV, wir sind dagegen, dass die Bürger zahlen müssen, wenn die Spannung im Netz zu hoch ist.
Fischer: Und die Anlagen sollen da hin, wo sie hingehören. Aufs Dach oder auf gemeindliche Flächen. Damit nicht einzelne Privatpersonen profitieren.