Russlands Drohnen-Problem: Unterstützung aus dem Iran wankt – Ukraine-Frontlinie in Gefahr

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Der Nahost-Konflikt trifft Moskau hart. Der Verlust von iranischen Drohnen könnte zum Problem werden. Putin setzt offenbar auf Diplomatie.

Moskau – Der Nahost-Konflikt zwischen Israel und dem Iran bringt Russland in Bedrängnis. An der Front im Ukraine-Krieg ist die russische Armee abhängig von iranischen Drohnen. Das autoritäre Mullah-Regime unterhält eine Militärkooperation mit Russland und beliefert die Streitkräfte des russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 unter anderem mit Kampfdrohnen. Doch jetzt steht das Bündnis plötzlich auf wackeligen Füßen.

Durch die Angriffe von Israel ist der Iran geschwächt. Der Reketenlieferant an Moskau steht plötzlich selber massiv unter Beschuss. Das Waffen-Arsenal wird jeden Tag leerer und leerer. Das Worst-Case-Szenario für Russland wäre laut der Nahost- und Russlandexpertin Hanna Notte folgendes: „Große Sorge bereitet Moskau vor allem ein möglicher Sturz des iranischen Regimes, auch wenn das zum jetzigen Zeitpunkt noch rein spekulativ ist“, so die Politologin gegenüber dem Tagesspiegel.

Russland war lange abhängig von Lieferungen aus dem Iran: Fast zwei Milliarden US-Dollar für Drohnen

In ukrainischen Medien wurde bereits der Tod des iranischen Brigadegeneral Amir Ali Hadschisadeh gefeiert, der bislang die Lieferung von Shahed-Kampfdrohnen an Russland überwacht hatte. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Russland dem Iran schätzungsweise 1,75 Milliarden US-Dollar für Shahed-Technologie, Ausrüstung, den Quellcode, sowie 6000 Drohnen gezahlt. Das geht aus einem aktuellen Bericht der gemeinnützigen Forschungsorganisation für Sicherheitsfragen C4ADS hervor, den die New York Post zitierte.

Auch Notte glaubt nicht, dass der Iran in nächster Zeit viele Waffen nach Russland exportieren wird. Die Auswirkungen seien auf den ersten Blick überschaubar: Russland produziere Shahed-Drohnen mittlerweile selber und beziehe Bauteile auch anderweitig. „Der Höhepunkt russischer Abhängigkeit vom Iran ist vorbei.“ Insgesamt soll Russland allein in der ersten Jahreshälfte von 2025 fast 20 500 Drohnen eingesetzt haben, wie eine statistische Analyse des Center for Information Resilience (CIR) ergab.

Doch nicht nur als Waffenlieferant ist der Iran für Russland wichtig. Bereits jetzt gebe es allerdings Auswirkungen des Konflikts mit Israel auf Russland, schilderte Notte dem Tagesspiegel: „Zuerst einmal ist der Iran enorm gedemütigt worden“. Weiter erklärte die Leiterin des Eurasien-Programmes des James Martin Center for Nonproliferation Studies: „Die Situation zeigt die klare militärische Überlegenheit Israels, eines amerikanischen Verbündeten. Das stört den Kreml natürlich.“

Zwei Szenarien wollte Moskau „immer vermeiden“: Kaukasus-Flächenbrand und Iran als Atommacht

Dazu kommen weitere mögliche Szenarien, die Russland laut Notte „immer vermeiden wollte“. Zum einen ist das die Überschreitung des Irans der Schwelle zur Atommacht, die ein in die Ecke getriebener Iran als eine drastische Gegenmaßnahme vollziehen könnte. „Es ist sehr fraglich, ob der Iran dazu überhaupt in der Lage wäre“, so Notte. Sollte es dazu kommen, könnte das zweite gefürchtete Szenario eintreten: ein militärisches Eingreifen der USA und dadurch die weitere Schwächung des Iran.

Hinzu kommt, dass eine potenzielle Ausweitung des Nahost-Konflikts auch Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis im Kaukasus haben könnte. Georgien, Armenien und Aserbaidschan sind die drei Länder des Kaukasus, allerdings sind der Iran, Russland und auch die Türkei direkte Nachbarländer. Ein Russland, das sich aktuell auf den Ukraine-Krieg fokussiert, hätte „nur geringe Kapazitäten“ für die Region, meint Notte. Deswegen wäre ein Flächenbrand dort das Letzte, was Putin gebrauchen kann.

Putin startet diplomatische Offensive: Eskalation in Nahost vermeiden – Trump befürwortet Initiative

Vor diesem Hintergrund startete Putin eine diplomatische Offensive, um es zu einer solchen Eskalation oder eigenen Nachteilen gar nicht erst kommen zu lassen. Nur wenige Stunden nach Israels Angriff rief der russische Präsident Wladimir Putin sowohl bei der israelischen als auch bei der iranischen Regierung an. Außerdem hat sich der russische Präsident kurzerhand als Vermittler zwischen Israel und dem Iran angeboten. Der US-Präsident Donald Trump befürwortete die Idee: „Ich wäre offen dafür“, sagte er ABC News, nachdem ein ursprünglich für Sonntag geplantes Gespräch für einen Atomvertrag zwischen den USA und dem Iran angesagt wurde.

Kampfdrohne vermutlich vom Typ Shahed 136 (Schahed 136) iranischer Bauart.
Russland nutzt oft Shahed-Kampfdrohnen für den Beschuss von Zielen in der Ukraine. © picture alliance/dpa/AP | Efrem Lukatsky

Laut der Politologin Notte wären solche Gespräche ein realistisches Szenario. „Vor allem aber haben die vergangenen Monate gezeigt, dass Russland sehr daran gelegen ist, gemeinsam mit den Amerikanern über Geopolitik zu verhandeln – und die Trump-Administration gleichzeitig beim Thema Ukraine hinzuhalten.“ Ein militärisches Eingreifen Russlands halte Notte allerdings aktuell für „höchst unwahrscheinlich“, da Russland auch bei der Eskalation zwischen dem Iran und Israel nach dem 7. Oktober 2023 nur zugesehen hätte.

Wohl keine militärische Einmischung durch Russland – Kreml profitiert auch von Nahost-Konflikt

Russland wisse laut Notte, dass eine militärische Einmischung auch eine rote Linie für Israel dargestellt hätte. Zur gleichen Einschätzung kam auch der russische Politikwissenschaftler Andrei Kortunow gegenüber BBC: „Es ist klar, dass Moskau nicht bereit ist, über politische Erklärungen zur Verurteilung Israels hinauszugehen, es ist nicht bereit, dem Iran militärische Hilfe zu leisten.“ Zwar hat Russland bereits Verteidigungssysteme an den Iran geschickt, aber sich nicht anderweitig aktiv eingemischt.

Komplett negativ ist die Eskalation im Nahost-Konflikt außerdem nicht für den Kreml. Neben den gestiegenen Ölpreisen, von denen Russland profitiert, lenkt die militärische Auseinandersetzung auch die internationale Aufmerksamkeit von der Ukraine. In kremltreuen russischen Militärblogs wird bereits spekuliert, ob westliche Luftabwehrsysteme künftig eher nach Israel als in die Ukraine geliefert werden. (lismah)

Auch interessant

Kommentare