Putin macht Merz vergiftetes Gesprächsangebot – Bundesregierung reagiert schmallippig
In St. Petersburg stellte sich Putin internationalen Journalisten. Er warnte Bundeskanzler Merz vor Taurus-Lieferungen – sie würden eine rote Linie überschreiten.
St. Petersburg – Einmal im Jahr stellt sich Russlands Präsident Wladimir Putin im Rahmen des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg (SPIEF) den Fragen von Journalisten internationaler Nachrichtenagenturen – so auch am Mittwoch, dem ersten Tag des diesjährigen Treffens (18. – 21. Juni). Wie gewöhnlich fanden dabei auch in diesem Jahr diverse weltpolitische Themen Einzug in die Konversation des Kreml-Chefs mit Medienvertretern: darunter der Ukraine-Krieg, die Aufrüstungsbemühungen der Nato-Bündnispartner und Russlands Blick auf den Iran-Israel-Konflikt. Aber auch zu Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich Putin.
Kampf um Ende des Ukraine-Krieges: Putin warnt Merz vor „sehr schwerem Schaden“
Am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg stellte sich Putin der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge bereits das insgesamt neunte Mal den Fragen internationaler Journalisten. Erstmals seit Merz’ Amtsantritt als Bundeskanzler äußerte sich der Kreml-Chef nun auch zum CDU-Politiker und dessen Kurs zum Ende im Ukraine-Krieg. Dabei nahm Putin kein Blatt vor den Mund und warnte den Bundeskanzler, dass weitere Waffenlieferungen an die Ukraine – und im Besonderen die Bereitstellung von Taurus-Marschflugkörpern – einen „sehr schweren Schaden“ für die deutsch-russischen Beziehungen bedeuten würden, sollte die Bundesregierung sie initiieren.
Gleichzeitig aber betonte Putin, ein Gespräch mit Bundeskanzler Merz nicht auszuschließen, sollte der CDU-Politiker die Kommunikation zum Kreml-Chef suchen: „Wir sind immer dafür offen“, antwortete Putin auf eine Frage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Merz selbst hatte seit seinem Amtsantritt bisher keinen direkten Kontakt zum Kreml, forderte Putin aber wiederholt zu einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg auf – ohne Erfolg.
Merz als Vermittler unwahrscheinlich: Putin verärgert über Ukraine-Unterstützung der Bundesregierung
Dass Merz im Ukraine-Krieg von Putin als würdiger Vermittler angesehen wird, ist derweil mehr als unwahrscheinlich. Dass das Gesprächs-Entgegenkommen auch eine Art vergiftetes Angebot sein kann, zeigen allerdings auch Putins nachfolgende Sätze. Ein Dorn im Auge ist Russlands Präsident nämlich die bisherige deutsche Unterstützung für die Ukraine, wie er in St. Petersburg unmissverständlich klarmachte. „Nicht nur in der Ukraine, auch in Kursk – auf russischem Gebiet – war deutsche Technik im Einsatz“, kritisierte Russlands Staatschef. Aus Putins Sicht ist Deutschland im Ukraine-Krieg nicht neutral, sondern stehe durch seine Waffenlieferungen an der Seite Kiews und beteilige sich so an den militärischen Auseinandersetzungen, argumentierte Putin.
Entsprechend schmallippig reagierte die deutsche Regierung am Donnerstag auch sofort auf die scheinbar offenen Türen und Telefonleitungen im Kreml: „Wir haben die Aussagen zur Kenntnis genommen“, sagte ein Sprecher des Kanzleramtes lediglich auf Anfrage. Zuvor hatte Bundeskanzler Merz zwar immer wieder generelle Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber bereits weitestgehend ausgeschlossen, im Ukraine-Krieg plötzlich als Vermittler zwischen den Stühlen von Russland, der Ukraine und Europa zu sitzen: „Wenn ich es tue, werde ich es in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun. Dann werden alle davon wissen, vorher und nachher. Und ich werde mich dann auch mit dem amerikanischen Präsidenten abstimmen“, hieß es dazu kurz nach Amtsantritt im RTL-Interview.
Putin warnt vor Taurus-Freigabe im Ukraine-Krieg – spielt möglichen Einsatz aber runter
Wladimir Putin ließ derweil in St. Petersburg keine Zweifel aufkommen, dass Deutschland im Kreml noch weiter in Missgunst fallen könnte: Mit Blick auf die Taurus-Marschflugkörper warnte Putin vor einer Kriegsbeteiligung Deutschlands, falls die Bundesregierung den Ukrainern einen Einsatz der Waffe ermöglichen sollte. „Nur deutsche Offiziere können den Taurus lenken. Was heißt das? Dass Soldaten der Bundeswehr mit deutschen Waffen Schläge gegen Territorium Russlands führen“, erklärte Putin weiter. Allerdings besitzen auch das Militär Schwedens sowie Spaniens Taurus-Raketen, wie Defence Industry Europe informiert.
Auf den Verlauf des Ukraine-Kriegs hätten die Marschflugkörper dem Kreml-Chef zufolge jedoch keinen Einfluss, da die russische Armee auf der gesamten Frontlinie die Initiative auf ihrer Seite habe. „Die russischen Truppen haben strategische Vorteile in allen Richtungen. Unsere Streitkräfte greifen auf der gesamten Front an“, behauptete Putin vor Journalisten internationaler Agenturen weiter. Aktuell rücken die russischen Streitkräfte im Norden der ukrainischen Oblaste Sumy und Charkiw sowie in der Nähe von Chasiv Yar und Toretsk vor, berichtete das Institute for the Study of War (ISW) am Dienstag. Geländegewinne zahlt Russland aber immer wieder mit eigenen hohen Verlusten. Allein am Mittwoch sollen der ukrainischen Ukrainska Pravda zufolge 1080 russische Streitkräfte verletzt oder getötet worden sein – unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben jedoch nicht.
Russland im Nahost-Konflikt: Putin bekräftigt, friedliche Nutzung von Atomkraft im Iran sichern zu wollen
Am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg richtete Putin den Blick neben dem Ukraine-Krieg auch auf den Iran und Israel. Russland biete demnach an, die friedliche Nutzung von Atomkraft im Iran zu sichern, berichteten mehrere Medien, darunter die dpa und die Tagesschau, übereinstimmend. Ziel sei es, Israel so die Furcht vor einer nuklearen Bewaffnung des Irans zu nehmen. Das habe der Kreml-Chef Israel und den USA bereits vorgeschlagen.
Einen Sturz der iranischen Führung wegen der israelischen Luftangriffe befürchtete Putin nicht. „Die Gesellschaft schart sich doch um die politische Führung“, sagte er in St. Petersburg außerdem. Russland ist ein enger Verbündeter des Iran und wurde lange für den Angriffskrieg gegen die Ukraine von Teheran mit Waffen beliefert. Die EU sanktionierte den Iran deshalb 2024. Europäische Staaten lehnen Putin daher auch als Vermittler im Nahost-Krieg strikt ab. (fh)