Streit um Habeck-Subventionen in der Solarbranche eskaliert zum öffentlichen Schlagabtausch

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Die Krise in der Solarbranche ist zum offenen Streit zwischen den Marktakteuren entfacht. Derweil muss die Regierung entscheiden, wie sie die hiesige Branche retten will.

Berlin – Die Solarbranche ist dieser Tage in Aufruhr. Wer mit Branchenvertretern heute spricht, wird schnell in den Strudel eines Streits gezogen, der sich seit Wochen aufbaut. Es geht um nichts weniger als das Überleben der Solarindustrie in Europa. Und im Wesentlichen um die Frage: Braucht die Branche Subventionen – oder würde das die Energiewende am Ende sogar aufhalten?

Solarhersteller pochen auf Unterstützung von der Ampel

Die deutschen und europäischen Hersteller von Solarmodulen werden zunehmend von der günstigeren Konkurrenz aus China unter Druck gesetzt. Die Unwägbarkeiten der vergangenen paar Jahre haben den hiesigen Produzenten zugesetzt, ihre Lagerbestände sind voll, teuer eingekauft, sodass sie es sich nicht leisten können, den Preis zu senken. Kombiniert mit einer Konsumflaute und Kunden, die knapper bei Kasse sind, als noch vor ein paar Jahren, führt das zu einem Auftragseinbruch der deutschen Hersteller. Genau diese Lage nutzt die jetzt schwer subventionierte chinesische Industrie aus und bietet ihre Anlagen zu deutlich niedrigeren Preisen an.

Der Preiskampf hat dramatische Folgen: Solarunternehmen wie Meyer Burger, die in Sachsen und Sachsen-Anhalt ihre Anlagen bauen, drohen damit, ihre deutschen Standorte zu verlassen, wenn nicht bald entgegengewirkt wird. Auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) appelliert in einer Stellungnahme an die Bundesregierung, sogenannte „Resilienz-Boni“ für europäische Hersteller auf den Weg zu bringen. Die Idee hinter den Resilienz-Boni: Wer künftig eine Solaranlage aus europäischer Herstellung kauft, soll einen zusätzlichen Rabatt erhalten. Zudem soll es bessere Konditionen bei der Einspeisung des Solarstroms geben. So würde man die hiesige Solarwirtschaft stärken und Kunden auf europäische Produzenten umlenken, so die Idee.

Doch innerhalb der Branche werden Subventionen äußerst kontrovers diskutiert. Im Wesentlichen positionieren sich vor allem die Unternehmen, die die Solarmodule nicht herstellen, aber verkaufen, gegen den Resilienz-Bonus. Die Begründung: „Das führt zu Marktverzerrungen und zu noch mehr Bürokratie. Das ist nicht der richtige Weg“. Das erklärt Sarah Müller, Geschäftsführerin des Unternehmens Zolar, im Gespräch mit Ippen.Media. Allein die Ankündigung einer solchen Förderung führe dazu, dass potenzielle Kunden ihre Investitionen zurückstellen, um später davon zu profitieren. Das habe die Vergangenheit schon mehrmals gelehrt. „Der Markt liegt dann brach“, sagt sie.

Solarmodul wird auf dem Dach angebracht
Um die Energiewende voranzutreiben, benötigt es Fachkräfte. Doch genau die fehlen derzeit. © IMAGO/Marc Schueler

Ganz zu schweigen von der zusätzlichen Bürokratie, die bei ihnen anfallen würde, wenn für den Bonus immer Nachweise erbracht werden müssten, von wo die Komponenten stammen. Und das in einer Zeit, in der von allen Seiten die Bitte nach weniger Bürokratie zu hören ist.

Streit in der Solarwirtschaft eskaliert

Meinungsverschiedenheiten sind bei diesen Themen nichts Außergewöhnliches – doch bei dieser Debatte sind die Gemüter plötzlich überhitzt. Neben Meyer Burger haben Solarwatt und Heckert Solar angekündigt, Deutschland zu verlassen, wenn es keine Subventionen geben würde. Die „andere Seite“, vertreten durch Unternehmen wie Enpal und 1Komma5°, hat kurzerhand beschlossen, ihre Mitgliedschaft im Branchenverband zu kündigen, da dieses die Subventionen unterstützt. Es sei ein „Interessensverband für Subventionen“, schimpfte der Chef von 1Komma5°. Darüber berichtet der Stern. Und auch eine öffentliche Diskussion um Subventionen zwischen dem Geschäftsführer von 1Komma5°, Philipp Schröder, und Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt auf LinkedIn endete mit einer Kontaktsperre.

Dabei verfolgen die Unternehmen eigentlich ein gemeinsames Ziel: Die Energiewende vorantreiben, und zwar mit einer europäischen Solarindustrie. Ein Insider beschreibt die aktuelle Lage als „Sandkasten, in dem wir uns alle wie Kleinkinder mit Sand bewerfen, anstatt gemeinsam eine Sandburg zu bauen“.

Sarah Müller von Zolar betont die Bedeutung von einem gemeinsamen, europäischen Vorgehen, das durch gute Standortbedingungen unterstützt wird. Statt Subventionen für Verbraucher befürwortet auch sie den Ansatz, die Bedingungen hierzulande so zu verbessern, dass die Branche wieder stark werden kann. Anders als die Konkurrenz vertreibt Zolar aber auch Solarmodule aus deutscher Produktion wie die von Meyer Burger – und ist in Gesprächen mit dem Unternehmen, wie sie sich gemeinsam besser gegenüber Kunden positionieren könnten.

Chinesische Solarmodule bieten auch sehr gute Qualität

Das Problem der hiesigen Solarbranche ist nämlich nicht nur, dass die chinesischen Module so viel günstiger sind – auch wenn das ein relevanter Faktor ist. Bei Zolar haben sie zwischen 2023 und 2024 eine Preisreduktion um 28 Prozent verzeichnet, andere Vertriebler können sogar von bis zu 40 Prozent Preisrückgang berichten. Während Solaranlagen mit Speicher im Schnitt vor anderthalb Jahren für 26.000 Euro weggingen, verkauft Zolar nach Angaben von Sarah Müller mittlerweile für durchschnittlich 19.700 Euro.

Der Preis ist aber nicht der Hauptfaktor, weshalb Kunden sich für oder gegen eine Anlage entscheiden. Nach Angaben der Geschäftsführerin, deren Unternehmen jedes Jahr eine Kundenbefragung durchführt, sei an erster Stelle die Qualität ausschlaggebend, gefolgt von professioneller Beratung und Vertrauenswürdigkeit. Und da haben die asiatischen Hersteller in den vergangenen Jahren extrem aufgeholt. „Chinesische Module sind teilweise mittlerweile leistungsstärker, nicht nur günstiger“, schildert Müller.

In der kommenden Woche will die Bundesregierung eine Entscheidung darüber treffen, wie sie die europäische Solarbranche unterstützen will. Das hat zumindest Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt. Der hat die Resilienz-Boni vorgeschlagen und wird auch von der SPD unterstützt. Die FDP steht Subventionen und Markteingriffen jedoch ablehnend gegenüber. Es ist also mal wieder völlig offen, worauf sich die Politiker am Ende einigen werden.

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