Putin-Propaganda dreht frei: Westen soll Kinderkrankenhaus in Kiew angegriffen haben
Der Angriff auf das Kinderkrankenhaus in Kiew bleibt Thema der Russland-Propaganda im Ukraine-Krieg. Erst wurde die Ukraine verantwortlich gemacht, nun Großbritannien.
Moskau – In den vergangenen Tagen grassieren in den sozialen Medien verschiedenste, zum Teil krude Theorien zu dem Angriff auf ein Kinderkrankenhaus in Kiew. Die meisten Beobachter sind der Meinung, dass der Raketenschlag im Krieg in der Ukraine im Zuge des schweren Beschusses aus Russland und eben auch mit einer russischen Rakete erfolgte. Andere wiederum verbreiten die Verschwörungstheorie, dass der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, den Angriff auf die Ochmatdyt-Klinik, selbst befohlen habe – mitten im Ukraine-Krieg.
Experten haben diese Verschwörungstheorie zum Angriff im Ukraine-Krieg bereits widerlegt. Gegenüber der Welt sagte der Militärexperte Fabian Hoffmann von der Universität Oslo, man könne „zu einhundert Prozent und ganz eindeutig feststellen, dass es sich hier um einen russischen Marschflugkörper gehandelt hat“. Trotzdem gehen die Erzählungen um eine False-Flag-Aktion weiter. Laut dem Propaganda-Apparat von Russlands Präsidenten Wladimir Putin soll nun aber nicht mehr die Ukraine, sondern westliche Staaten für den Angriff verantwortlich sein.
Propaganda im Ukraine-Krieg: Ex-Abgeordneter vermutet „geopolitischer Akteure“ hinter Angriff
„Ich bin ehrlich – so etwas habe ich erwartet. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es sich um ein Kinderkrankenhaus handeln würde.“ Spiridon Kilinkarow, ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei der Ukraine und mittlerweile prorussisches Propagandist, gibt sich in der Sendung „Evening with Vladimir Solovyov“ bestürzt. Nicht wegen des Angriffs auf das Kinderkrankenhaus in Kiew an sich, sondern wegen seiner Verschwörungstheorie, „geopolitische Akteure“ hätten Raketen auf die Stadt Kiew im Ukraine-Krieg abgefeuert, wie die Kyiv Post aus der Sendung berichtete.

Anders als manche prorussischen Kanäle in den sozialen Medien, glaube Kilinkarow nicht daran, dass die Ukraine für den Angriff verantwortlich sei. Seiner Ansicht nach sei ein solcher Angriff etwas, was zu Großbritannien passen würde.
Angriff im Ukraine-Krieg auf Kinderkrankenhaus in Kiew: Russlands Propagandist ignoriert Beweise
Behörden in der Ukraine und sogar Vertreter der Vereinten Nationen (UN) haben Videomaterial von dem Angriff auf das Kinderkrankenhaus analysiert und Untersuchungen vor Ort durchgeführt. Der russische Militärgeheimdienst (SBU) gehe von einem „direkten Angriff“ Russlands auf das Krankenhaus aus, berichtete der Tagesspiegel. An der Einschlagstelle habe man Teile des Leitsystems, sowie Fragmente eines Heckteils von einer russischen Kh-101-Rakete gefunden. Sogar China zeigte sich verstört angesichts des Angriffs.
Die Leiterin des UN-Menschenrechtsbeobachtungseinsatzes in der Ukraine, Danielle Bell, teilt die Einschätzung des SBU. „Die Analyse der Videoaufnahmen und die am Ort des Geschehens vorgenommene Beurteilung deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass das Kinderkrankenhaus einen direkten Treffer erlitten hat und nicht durch ein abgefangenes Waffensystem beschädigt wurde“, heißt es von Bell auf der Webseite der UN. Der Vorfall werde jedoch noch weiter untersucht. Laut der Süddeutschen Zeitung sagen Experten zudem, dass eine Zerstörung in diesem Ausmaß auf einen russischen Kh-101-Marschflugkörper hindeutet.
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Kilinkarow gibt jedoch nichts auf die vorgelegten Beweise. Ihm zufolge könne jeder solche Trümmerteile nachbauen und an der Einschlagstelle platzieren, berichtete die Kyiv Post. Eigene Beweise dafür, dass ein westliches Land für den Angriff verantwortlich sei, legt er jedoch nicht vor.
Russischer Propagandist wittert Verschwörung im Ukraine-Krieg wegen Nato-Gipfel in Washington
Aber wieso sollten westliche Staaten wie Großbritannien ein Interesse daran haben, ein Kinderkrankenhaus zu zerstören? Zumal die medizinische Versorgung im Ukraine-Krieg von größter Bedeutung ist. Laut dem russischen Propagandisten Kilinkarow könne das mit dem Nato-Gipfel in Washington zu tun haben.
„Lasst uns annehmen, alle Raketen, die nach Kiew flogen, wurden von der Verteidigung der Ukraine abgeschossen“, so Kilinkarow. „Sagt mir, womit geht Selenskyj zum Nato-Treffen?“ Ihm zufolge gebe der Angriff auf das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus der Ukraine und anderen Staaten die Möglichkeit, die Unterstützung für die Ukraine auszuweiten, zitiert ihn die Kyiv Post.
Russische Desinformationskampagne im Ukraine-Krieg – „unzählige ‚alternative Realitäten‘“
Die Tagesschau sieht in dem Vorgehen der russischen Regierung eine typische Form der Propaganda im Ukraine-Krieg. Es werden unheimlich viele falsche Behauptungen aufgestellt, wie der Vorwurf, dass die Ukraine oder der Westen für den Angriff verantwortlich sei, oder dass es sich bei den Helfern und Ärzten an der Einschlagstelle nur um Schauspieler handeln würde. „Es werden unzählige ‚alternative Realitäten‘ geschaffen“, sagte Dietmar Pichler, Desinformations-Analyst des Disinfo Resilience Network der Tagesschau.
Das Ziel sei, den Glauben zu erwecken, „dass es ja viel wahrscheinlicher wäre, dass eine der vielen russischen Versionen stimmen könnte“, so Pichler. Dabei gehe es aber nicht immer darum, die Menschen von den eigenen Theorien zu überzeugen, sondern ein Überangebot an alternativen Wahrheiten zu schaffen. Die Menschen sollen laut Pichler denken: „Man weiß ja gar nicht mehr, was man noch glauben kann.“
Gerade das Internet spielt bei solchen Desinformationskampagnen eine entscheidende Rolle – die Russland voll und ganz ausreizt. So deckte das Auswärtige Amt im Januar ein Netzwerk von mindestens 50.000 gefälschten Nutzerprofilen auf der Plattform X auf. In einer Erklärung hieß es: „Ende Januar 2024 konnte das Auswärtige Amt mehr als 50.000 inauthentische Fake-Accounts auf X identifizieren, die über 1,8 Millionen automatisierte deutschsprachige Posts veröffentlichten.“ Genug, um eine Vielzahl an russischen Fake-News zu verbreiten. (nhi)