Vor dem Klimagipfel COP29: Aserbaidschan wegen Verhaftungen in der Kritik

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Aserbaidschan richtet den UN-Klimagipfel COP29 aus, doch die Menschenrechtslage im Land sorgt für Kontroversen. Die Forderung nach einer Reaktion der internationalen Gemeinschaft wird lauter.

Baku – Vom 11. November und 22. November ist Aserbaidschan Gastgeber der UN-Klimagipfels COP29. Dann sollen bis zu 200 Regierungen dort einen neuen globalen Ansatz dafür ausarbeiten, wie unter anderem die Mittel zur Bewältigung der Klimakrise bereitgestellt werden sollen. Im Vorfeld der wichtigen Konferenz hat es jedoch schon zahlreiche Verhaftungen gegeben, wie der Guardian unter Berufung auf Human Rights Watch berichtet.

Auch in Deutschland ist man besorgt über die Situation. Schließlich hatte Aserbaidschan im vergangenen Jahr Berg Karabach erobert. Seither ist die Region ethnisch gesäubert. Rund 120.000 Menschen mussten nach Armenien fliehen. Mögliche Verbrechen bei der Eroberung wurden bislang nicht aufgearbeitet. Menschenrechtsorganisationen fordern daher von der deutschen Delegation der COP29 eine öffentliche Verurteilung der Geschehnisse.

Klage gegen Alijew wegen Genozid beim IStGH eingereicht

„Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD), die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung appellieren dringend an die deutsche Bundesregierung und alle Delegierten bei der COP29, sich im Vorfeld der Klimakonferenz nachdrücklich für die sofortige Freilassung aller armenischen Gefangenen in Baku einzusetzen“. Gegen den autoritären Herrscher der Kaukasusrepublik wurde bereits am 18. April 2024 Klage wegen Völkermordes beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht.

Menschenrechtler fordern die Freilassung armenischer Gefangener in Aserbaidschan.
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew steht wegen massiver Menschenrechtsverstöße in der Kritik © IMAGO/Mikhail Metzel

Alijew nennt Armenien „West-Aserbaidschan“

Jetzt steht auch der Staat Armenien im Visier der aserbaidschanischen Regierung. Machthaber Aliew drohte mit der „Rückkehr“ nach „West-Aserbaidschan“ – damit ist das heutige Staatsgebiet von Armenien genannt. „Die Gefahr für Armenien ist von existenzieller Natur. So wird der Völkermord an den Armeniern von 1915 durch das Bündnis Aliew-Erdogan bis heute geleugnet“, warnt Valerio Krüger, Vorstandssprecher der IGFM, im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA.

„Aserbaidschanische Schulkinder werden schon von der Pike auf über die ‚barbarischen armenischen Feinde‘ indoktriniert. Mit der Blockade des Latschin-Korridors beginnend im Dezember 2022 zielte das Aliew-Regime auf die Aushungerung und Vertreibung der dort lebenden Armenier, zahlreiche Armenier wurden im Zuge des finalen militärischen Angriffs von aserbaidschanischen Behörden verhaftet und inhaftiert.“

Zentralrat der Armenier fordert Deutschland auf sich für armenische Gefangene einzusetzen

Auch Jonathan Spangenberg, Vorsitzender des Zentralrats der Armenier, sieht es ähnlich und fordert energisches Handeln. „Dass eine so wichtige Klimakonferenz in einem Land wie Aserbaidschan stattfindet, ist tragisch genug. Deutschland hat jedoch die Gelegenheit, sich im Vorfeld von COP29 nachdrücklich für die Freilassung aller armenischer Gefangen in Baku einzusetzen. Dies auch aufgrund der historischen Verantwortung bezüglich des Völkermordes an den Armeniern“, so Spangenberg im FR-Gespräch. Unter den Gefangenen sind mindestens 23 Mitglieder der Regierung von Bergkarabach. Rund 200 weitere Armenier gelten als „verschollen.“

„Deutschland wird sich mit Menschenrechtslage in Aserbaidschan auseinandersetzen“

Die Lage in Aserbaidschan beschäftigt inzwischen auch deutsche Abgeordnete. „Die Entwicklung ist dramatisch. Die Zahl der politischen Gefangenen hat sich im letzten Jahr auf über 300 vervierfacht. Hunderte sind zusätzlich außer Landes und werden dort weiter von Alijews Schergen drangsaliert. Auch deshalb ist die Delegation Aserbaidschans in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats suspendiert“, sagte der Bundestagsabgeordnete sowie Religions- und Weltanschauungsfreiheitsbeauftragter der Bundesregierung, Frank Schwabe (SPD), auf Anfrage.

„Im Sinne einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik wird Deutschland sich selbstverständlich kritisch mit der Menschenrechtslage in Aserbaidschan auseinandersetzen und dazu auch geeignete Veranstaltungen vor der Klimakonferenz und auf der Klimakonferenz durchführen. Daran habe ich keinen Zweifel“, so Schwabe.

Grünen-Abgeordnete fordert, mit Aserbaidschan „Tacheles“ zu reden

Der Bundestagsabgeordnete Max Lucks (Die Grünen) fordert sogar eine härtere Gangart der Bundesregierung gegenüber Aserbaidschan. „Mit Aserbaidschan muss Tacheles geredet werden, und nicht zu Gunsten von neuen Energiepartnerschaften geschwiegen werden. Ich sage das, weil die Inhaftierung von Armeniern in Aserbaidschan nur deshalb stattfinden kann, weil wir in der Vergangenheit oft zu soft waren. Das ist ein Freifahrtschein für ein Regime, das Freiheiten als Bedrohung sieht und in Repressionen die Lösung für eigene Probleme“, sagte Lucks gegenüber unserer Redaktion. Massive Menschenrechtsverstöße durch und in Aserbaidschan seien nicht nur in der jüngeren Vergangenheit zu sehen gewesen.

„Verhaftungen von Journalisten in Aserbaidschan sind seit mehreren Jahrzehnten nicht nur Teil der alltäglichen Politik, sondern gehören regelrecht zur DNA des aserbaidschanischen Regimes. Ich nehme die Inhaftierung dieser Journalisten auch als eine Botschaft an uns wahr: Die inhaftierten Journalisten waren in der Vergangenheit auch Gesprächspartner des Europarats. Sie sind also in der Menschenrechtsarbeit bekannt“ so Lucks.

Internationale Rankings bestätigen Kritik an Aserbaidschan

Die Kritik an Aserbaidschan ist begründet. Das bestätigen auch Einschätzungen internationaler Organisation. Aserbaidschan liege im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen auf Platz 164 unter 180 Staaten. Im „Ranking der Länder anhand der Demokratiequalität“ von der Universität Würzburg kommt das Land auf 154 unter 179 Staaten. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International sieht es ebenfalls schlecht aus. Aserbaidschan liegt hier auf Platz 154 unter 180 Staaten. Alijew wird die COP29 allerdings dafür nutzen wollen, sein angeschlagenes Image auf internationaler Bühne aufzupolieren. Kritische Stimmen von Journalisten wird er dabei allerdings nicht gebrauchen können. (erpe)

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