Erste Details zur Kindergrundsicherung sickern durch: Kommt jetzt die „Bezahlkarte“ für Familien?

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Seit Monaten wird innerhalb der Ampel-Koalition über die Kindergrundsicherung, ihr wichtigstes Sozialprojekt, intensiv diskutiert. © Michael Kappeler/dpa

Es ist die letzte Woche vor der Sommerpause und die Ampel konnte sich noch immer nicht auf die Kindergrundsicherung einigen. Lediglich ein paar Details stehen.

Berlin – Der Deutsche Bundestag geht nach Auslaufen dieser Woche in die parlamentarische Sommerpause. Bis zum 9. September finden dann keine Sitzungen mehr statt, der politische Betrieb steht weitestgehend still. Besonders im Hinblick auf die Kindergrundsicherung, ein zentrales Sozialprojekt der Bundesregierung, ist das ein besonderes Ärgernis. Denn vor fast einem Jahr, im September 2023, passierte die Kindergrundsicherung das Bundeskabinett. Im Bundestag hängt das Gesetz seitdem fest – und immer noch keine Einigung in Sicht.

Ampel einigt sich auf erste Details zur Kindergrundsicherung

Es gibt aber ein paar gute Nachrichten. Wie das Nachrichtenportal t-online berichtet, habe man sich auf ein paar wenige Details verständigen können. Darunter eine Neuheit und zwei Altbekannte: Das Kinderchancenportal, eine Art „Bezahlkarte“ für Familien und der „Kindergrundsicherungs-Check“.

Das Kinderchancenportal war schon von Anfang an Teil des Gesetzesvorhabens. Im September 2023 nannte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) dies „den zentralen Ort der Kommunikation und Organisation“ für die Kindergrundsicherung. Es soll praktisch eine Webseite sein, auf der alle Leistungen, die der Staat für Familien mit Kindern anbietet, abgebildet werden. Auf dem Portal können sich Familien dann aussuchen, welche Leistungen (z.B. Zuschuss für den Besuch einer Musikschule oder Teilnahme in einem Sportverein) sie beantragen wollen.

Neu ins Gespräch kommt eine Art Bezahlkarte, über die t-online berichtet. Demnach sollen Familien, die oben genannte Leistungen in Anspruch nehmen können und wollen (i.d.R. sind das Geringverdiener, die mit staatlichen Zuschüssen ihren Kindern Zugang zu außerschulischen Aktivitäten ermöglichen können), mit einer Art EC-Karte künftig diese Leistungen bezahlen können. Dadurch soll eine Zettelwirtschaft vermieden werden, wenn Berechtigte Gutscheine von der Familienkasse erhalten müssen. Unklar sind hier aber noch die Details, also wie die Karte funktionieren soll und woher sie Familien bekommen können.

Finanzierung der Kindergrundsicherung bleibt Streit-Thema der Ampel

Schließlich haben sich die Ampel-Parteien auf den Kindergrundsicherungs-Check geeinigt, das eigentlich den Kern des Gesetzes abbildet. Künftig soll die Familienkasse selbstständig prüfen, auf welche Leistungen eine Familie Anspruch hat und an die betroffenen Familien herantreten. Das geschieht seit 2024 auch schon beim Kindergeld: Neue Eltern müssen nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr selbst aktiv werden, sie erhalten automatisch von der Familienkasse Post. Dieses Prinzip soll dann auch auf den Kinderzuschlag und weitere Leistungen der Familienkasse ausgeweitet werden. Allerdings herrscht innerhalb der Regierung wohl noch Uneinigkeit darüber, wie ausführlich dieser Check ablaufen soll. Je gründlicher, desto mehr Personal wird das mutmaßlich brauchen – und das kostet bekanntlich Geld.

Apropos Geld: Auch das ist dem Vernehmen nach noch ein Knackpunkt. Wie viel Geld kann die Regierung für die Kindergrundsicherung bereitstellen? Angesichts der laufenden Haushaltsverhandlungen auf Kabinettsebene kann man wohl feststellen: Es wird kompliziert.

Strittig ist wohl auch die Frage, wann die Kindergrundsicherung eingeführt werden kann. Ursprünglich sollte die sie zum 1. Januar 2025 eingeführt werden. SPD-Fraktionsvize Sönke Rix sagte erst kürzlich der Rheinischen Post jedoch, dass nur noch eine Einführung in mehreren Etappen realistisch sei. Es gebe wohl kaum ein politisches Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, „bei dem wir so mühsam vorankommen - insbesondere weil die Kompromissbereitschaft und notwendiger Realismus fehlen“, hatte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen der Zeitung gesagt.

Sozialverbände sind genervt: Kindergrundsicherung müsse endlich beschlossen werden

Dass das Gesetz so lange im Parlament festhängt, sorgt allerdings auch schon für mächtig Ärger. Verbände und Wissenschaftler drängten erneut auf eine rasche Umsetzung. Das „Bündnis Kindergrundsicherung“, dem 20 Verbände und 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angehören, beklagte, dass der Entwurf seit Monaten im Parlament festhänge. Während die Mitglieder des Parlaments in die Sommerpause gingen, fehle es armen Familien in Deutschland an Geld für Urlaubsreisen und Besuche im Freibad, erklärte die Vorsitzende des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. 

Dem Bündnis Kindergrundsicherung gehört neben dem VdK auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an. Deren Vorsitzende Maike Finnern betonte: „Es ist bezeichnend, dass es den politisch Verantwortlichen nicht gelungen ist, vor der Sommerpause bei den dringend notwendigen Verbesserungen in der Kindergrundsicherung voranzukommen.“ Chancenungleichheit abzubauen, werde gerne als politisches Ziel formuliert. „Wenn es dann aber um die Umsetzung geht, fällt die Chancengleichheit immer wieder hinten runter.“ (wal mit Material von dpa)

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