„Zeitbombe“ Rente: Top-Ökonomen machen Parteien bei Altersvorsorge Druck
Die Rente ist ein zentrales Thema der Bundestagswahl. Top-Ökonomen sehen großen Handlungsbedarf – und rechnen mit Ideen der Parteien ab.
Dresden – Die Rente bleibt Dauerthema, die Zeit drängt. Denn mit der demografischen Entwicklung gibt es immer mehr Menschen im Ruhestand, die Geld erhalten, dagegen immer weniger, die in die Rentenkasse einzahlen. Ökonomen des Dresdner Ifo-Instituts haben angesichts der Bundestagswahl Vorschläge zur Rettung der Rente geprüft. Der Beitrag hat den wenig optimistischen Titel: „Zeitbombe Rentenversicherung – doch durchgreifende Reformen sind nicht in Sicht“.
Rente mit „massiven Finanzierungsproblemen“: Ökonomen urteilen über Ideen der Parteien
Die Forscher warnen vor „massiven Finanzierungsproblemen“ bei der Rente. Die Ampel-Koalition hatte sich deshalb dem Problem annehmen wollen, über das Rentenpaket II, aber auch Initiativen für eine Ausweitung der Betriebsrente und der staatlich geförderten privaten Vorsorge. Durch den Koalitionsbruch sind die Pläne gescheitert, doch auch was bisherige Initiativen angeht, fällt die Ifo-Analyse ein fatales Urteil: „Reformen der Vergangenheit haben nur begrenzt gewirkt, und jüngste Maßnahmen verschärfen die Probleme oft noch.“
Die Ifo-Ökonomen schlagen vor, das Rentenalter an die fernere Lebenserwartung anzupassen. Dies sei ein „langfristig wirksamer Weg, die gesetzliche Rentenversicherung“ zu stabilisieren, heißt es in der Studie. Die Maßnahme trage dazu bei, das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern angesichts der demografischen Entwicklung stabil zu halten.
Ifo-Ökonomen wollen Rentenalter an Lebenserwartung koppeln – und Rente mit 63 abschaffen
„So wie bis 2031 das Renteneintrittsalter langsam auf 67 Jahre steigt, könnte auch für die Jahre danach ein moderater Anstieg des gesetzlichen Renteneintrittsalters vorgesehen werden, wenn die Lebenserwartung weiter steigt“, heißt es in der Studie. „Dies könnte beispielsweise so geschehen, dass im Ergebnis das Verhältnis von Lebensarbeitszeit zu Rentenzeit konstant gehalten würde.“
Die fernere Lebenserwartung bezieht sich auf die Lebenserwartung nach dem 65. Lebensjahr. Wenn diese wie erwartet steigt, würde das laut Ifo-Vorschlag ein halbes Jahr zusätzliche Arbeitszeit pro zehn Jahre bedeuten. Ob die Entwicklung so vorangeht, ist jedoch unklar.
Doch auch wenn das Rentenalter steigt, bedeute das laut Studienautoren nicht, dass alle Arbeitnehmer länger arbeiten müssen. Eine frühere Rente sei weiterhin möglich – wie bisher auch mit Abschlägen. Dabei empfehlen die Dresdner Ökonomen jedoch, die umgangssprachliche Rente mit 63, also die „Rente für besonders langjährig Versicherte“ abzuschaffen. Diese bevorzuge vor allem gut ausgebildete Facharbeiter, die immer so gut verdienten, dass sie sich den früheren Rentenbeginn leisten könnten. In körperlich anstrengenden Berufen könnte dagegen der Zugang zur Erwerbsminderungsrente erleichtert werden.
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Rente an Inflation koppeln, statt an die Lohnentwicklung – um Finanzierung zu sichern
Die Autoren empfehlen zudem, die Renten künftig an die Inflation zu koppeln, nicht mehr an die Entwicklung der Nettolöhne. Dadurch würde „der Finanzierungsbedarf zulasten derer mit besonders hoher Lebenserwartung abgesenkt“. Zudem plädieren sie für eine Abschaffung der Haltelinie bei einem Rentenniveau von 48 Prozent. Stattdessen sollte der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor erhöht werden. Dieser berücksichtigt das Verhältnis der Anzahl der Beitragszahler und Rentner. Damit würde der Anstieg der Renten gebremst.
„Sowohl die Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung als auch die Inflationsindexierung der Renten sind Regelungen, die in anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich eingeführt wurden“, sagte der Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Marcel Thum, bei der Veröffentlichung der Studie. „In Deutschland traut sich aktuell keine der großen Parteien an eine solche Reform heran.“
Ifo-Ökonomen lehnen Renten-Ideen mehrerer Parteien ab
Die Ausweitung der Beitragspflicht auf weitere Einkommensbereiche wie Mieten, Zinsen und Dividenden, wie sie etwa Robert Habeck (Grüne) gefordert hatte, oder eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze könnten dagegen nur kurzfristig Entlastung bringen. Denn langfristig entstehen dadurch neue Ansprüche, erklären die Ökonomen. Zudem wäre das zusätzliche Beitragsaufkommen zu gering.
Auch die Ausweitung auf Beamte, Abgeordnete und Selbstständige nach dem österreichischen Modell, wie es mehrere Parteien für die Rente fordern, funktioniert demnach nicht. Mit dem Renteneintritt der betreffenden Personen würden auch zusätzliche Rentenansprüche entstehen und das Problem nur zeitlich verschoben. Für den Aufbau eines kapitalgedeckten Zusatzsystems zur Mitfinanzierung der Renten-Kosten der Boomer-Generation sei es zudem „zu spät“.