Erstaunliche Einigkeit: Übergroße Koalition fordert Veteranentag – „Wir stellen uns ein Volksfest vor“

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Die Ampel-Fraktionen und die Union wollen Soldatinnen und Soldaten mit einem Ehrentag würdigen. Vorbehalte wehren sie in ungewohnter Einigkeit ab.

Berlin – Der Begriff wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen und ist in Deutschland aus historischen Gründen nicht sonderlich populär: „Veteran“ oder, präziser, „Kriegsveteran“. Zur Frage, wer so genannt werden sollte, gibt es kritische Analysen. Einige zitieren die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die einst sagte, dass „alle Veteranen eint, ob sie in Auslandseinsätzen, im Kalten Krieg oder im Grundbetrieb gedient haben, dass sie sich in der Uniform der Bundeswehr für Frieden und Freiheit eingesetzt haben“.

Seit Gründung der Bundeswehr haben über zehn Millionen Menschen gedient

Die regierungstragenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich jetzt mit der Unionsfraktion darauf geeinigt, Veteraninnen und Veteranen mit einem eigenen Tag zu würdigen. Der 15. Juni soll laut einem gemeinsamen Antrag, über den der Bundestag am Donnerstag (25. April) abstimmt, zu einem nationalen Ehrentag erklärt werden. Stattfinden soll dieser 15. Juni „öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sowie zentral in Berlin“, wie es im Antragstext heißt. Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, die Therapieangebote für kriegsgeschädigte Soldatinnen und Soldaten aufzustocken.

Soldaten nehmen vor dem Reichstagsgebäude am Großen Zapfenstreich teil, um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu würdigen. © Christophe Gateau/picture alliance/dpa

Der Antrag ruft in Erinnerung, wie viele Deutsche seit Gründung der Bundeswehr gedient haben. „Wir haben insgesamt zehn Millionen Veteranen in Deutschland“, sagte SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt bei einem Pressegespräch in Berlin. Arlt erklärte: „Unser Veteranenbegriff umfasst alle Soldaten, die Dienst leisten oder Dienst geleistet haben und mindestens sechs Monate Dienst in der Bundeswehr getan haben.“ Diese Definition sei „der weiteste innerhalb der Nato“.

Auch Verteidigungsminister Pistorius spricht sich für eine Veteranenkultur aus

Schon mehrfach hat Deutschland über die Einführung eines Veteranentages gestritten. Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte ihn bereits 2012 ins Gespräch gebracht. „Nun hat sich ein Fenster geöffnet“, sagt die CDU-Politikerin Kerstin Vieregge. Zu den „Invictus Games“ 2023 in Düsseldorf – einem Sportfest für im Einsatz verletzte Militärangehörige – sei „der Ruf nach einem nationalen Veteranentag noch einmal lauter“ geworden. Diesen habe die Union gehört und ins Parlament eingebracht, so Vieregge. „Uns geht es über die demokratischen Parteien hinweg um Wertschätzung für unsere Veteranen.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Bemühungen der beteiligten Bundestagsfraktionen bereits gelobt. „Andere Nationen haben ein ganz anderes Veteranenverständnis – einen Umgang, mit denjenigen, die sich im Dienst für ihr Land verletzt haben“, sagte Pistorius. „In Deutschland wächst das jetzt gerade.“ Die Diskussion über die Einführung eines Veteranentages „finde ich sehr gut“, fügte er hinzu.

„Die Einzigen, die mich wertgeschätzt haben, waren meine Familie und meine Soldaten“

Das Fenster aufgestoßen hat auch die parlamentarische Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes. Im Bundestag gab es vor wenigen Wochen zu den Ergebnissen des Engagements am Hindukusch eine lebendige Diskussion mit ehemaligen Einsatzkräften. Auf die Frage, ob er persönlich jemals so etwas wie Wertschätzung für seine Tätigkeit erfahren habe, reagierte ein Oberstleutnant der Bundeswehr kurz angebunden: „Die Einzigen, die mich wertgeschätzt haben, waren meine Familie und meine Soldaten, die mit mir im Einsatz waren.“

Christian Sauter klingen diese Worte offenbar noch im Ohr. Vor dem Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes sei die Einführung eines Ehrentages „ein längst überfälliges Zeichen der Wertschätzung für die Bundeswehr“, sagt der FDP-Politiker. Den Veteranentag stellt er sich als „Familientag“ vor. Die CDU-Politikerin Vieregge spricht sogar von einem „Volksfest“, das weit über die Hauptstadt hinaus ins Land getragen werden soll.

Der Bund Deutscher Einsatzveteranen reagiert mit gebremster Euphorie

Kritik, wonach mit der außergewöhnlichen überparteilichen Einigung womöglich eine gewisse Heldenverehrung einhergehen könnte, wehren angesichts der Zeitenwende auch die Grünen ab. „Der Veteranentag ist nicht für das Militär gedacht“, betont die Abgeordnete Merle Spellerberg. „Dieser Tag soll für die Menschen sein – für die Frauen und Männer, die für die Bundeswehr gedient haben.“ Es solle nicht um Heroisierung gehen oder gar um Rekrutierung. „Die Menschen stehen im Mittelpunkt.“

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, Bernhard Drescher, hatte zuvor mit gebremster Euphorie reagiert. Die Einführung des Ehrentages sei zunächst nur „ein sichtbares Zeichen der Solidarität des Staates gegenüber seinen Veteranen“. Drescher warnte aber davor, den Tag zu einer Alibiveranstaltung geraten zu lassen.

Wie das Land mit jenen umgeht, die in der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ihren Wehrdienst geleistet haben, ist indes noch nicht geklärt. „Dazu gab es viele Briefe“, sagt SPD-Politiker Arlt, Berufsoffizier der Luftwaffe. „Das ist eine Frage, die wir noch besprechen müssen.“

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