„Staatsversagen“: Millionen warten auf Grundsteuer-Bescheid – was dahintersteckt

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Millionen Grundstückseigentümer wissen immer noch nicht, wie es um die neue Grundsteuer steht. Dabei steht das neue Jahr bereits vor der Tür.

München – Das neue Jahr bringt auch eine neue Grundsteuer, und damit erhöhte Kosten für Millionen Grundstückseigentümer. Diese warten aber weiter auf ihren Steuerbescheid. Die neue Reform greift bereits in weniger als 40 Tagen. Für Verbandschef Kai Warnecke vom Eigentümerverband Haus & Grund ist dies „ungeheuerlich und ein echtes Staatsversagen.“

Hebesatz zur Grundsteuer steigt so stark an wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Der durchschnittliche Hebesatz zur Grundsteuer in Deutschland ist laut einer Studie vergangenes Jahr so stark gestiegen wie seit Jahrzehnten nicht. Wie die Beratungsfirma EY in Stuttgart am Freitag mitteilte, betrug der Anstieg 18 Prozentpunkte, jede vierte Kommune hob die Hebesätze demnach an. Die Experten sehen einen Zusammenhang mit der Grundsteuerreform: „Im Vorfeld des Inkrafttretens der Grundsteuerreform sehen wir eine regelrechte Welle an Steuererhöhungen in den Kommunen.“

Kai Warnecke
Kai Warnecke von Haus und Grund nennt die verspäteten Steuerbescheide „Staatsversagen“. © Uli Deck/dpa

Für die Berechnung der Grundsteuer sind mehrere Faktoren maßgeblich, wie der Einheitswert des Grundstücks im Grundersterwertbescheid, sowie die Grundsteuermesszahl, einen Promillewert. Beides multipliziert ergibt den Grundsteuermesbetrag, welcher dann mit dem Hebesatz ihrer Kommune multipliziert wird. Und eben diesen erhalten Eigentümer mit dem finalen Steuerbescheid.

Reform des Kommunalen Finanzausgleichs tritt in Kraft

Durch höhere Hebesätze können die Kommunen ihr Einnahmen steigern. Die Sätze stiegen den Angaben zufolge im vergangenen Jahr von 391 Prozent im Schnitt auf 409 Prozent. Auch in den Vorjahren hatte es tendenziell mehr Erhöhungen gegeben. Einfluss in diesem Jahr hatte maßgeblich Rheinland-Pfalz, wo 2023 eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs in Kraft trat. Dadurch sahen sich viele Kommunen gezwungen, die Sätze zu erhöhen, um ihrerseits weiter durch den Finanzausgleich entlastet zu werden. 79 Prozent aller Kommunen in Rheinland-Pfalz erhöhten den Hebesatz.

Rund 2671 der 10.800 Kommunen im Bund hoben ihre Hebesätze an, in lediglich 49 Gemeinden oder Städten sanken die Sätze. Am höchsten sind die Hebesätze demnach in Nordrhein-Westfalen mit 577 Prozent, dahinter folgen Hessen (507 Prozent) und eben Rheinland-Pfalz (464 Prozent). Schleswig-Holstein (348 Prozent) und Bayern (355 Prozent) stehen am Ende der Skala. Von den 50 deutschen Kommunen mit den höchsten Hebesätzen liegen laut EY allein 28 in Nordrhein-Westfalen, 21 in Hessen und eine in Rheinland-Pfalz.

Kein Wertbescheid: Eigentümer können neue Grundsteuer nicht abschätzen

Laut Warnecke haben viele Finanzbehörden noch gar keinen Wertbescheid verschickt. Damit können Grundstückeigentümer gar nicht abschätzen, wie es um die neue Grundsteuer steht. Sollten die Kommunen den Steuerbescheid nicht rechtzeitig, könnten Eigentümer zumindest bis zum 15. Januar noch ihre alte Grundsteuer überweisen. Eine Nachzahlung könnte dann drohen.

Die Beratungsfirma EY untersucht seit 2005 die durchschnittlichen Hebesätze in Deutschland. Ein so deutlicher Anstieg wie im vergangenen Jahr wurde dabei noch nie registriert. Der bisherige Rekordwert lag bei elf Prozentpunkten und wurde 2011 verzeichnet. Viele Kommunen, insbesondere im Westen Deutschlands, stehen nach EY-Angaben finanziell „mit dem Rücken zur Wand“. Deshalb sei die Erhöhung der Grundsteuer vielfach „unausweichlich“. „Angesichts der hohen Inflation der vergangenen Jahre kämpfen viele Kommunen mit Kostensteigerungen, die sie weitergeben müssen“, erklärte Heinrich Fleischer von EY.

Grundsteuerreform steht unter heftiger Kritik

Fleischer vermutet, dass viele Kommunen vor Inkrafttreten der Grundsteuerreform die Hebesätze anheben, damit der Anstieg im kommenden Jahr mit den neuen Regeln nicht so stark erscheint. Denn politisch war zugesichert worden, dass die neue Grundsteuer nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Bürger führen soll. Er gehe deshalb davon aus, dass auch im laufenden Jahr noch viele Kommunen die Hebesätze weiter erhöhen, erklärte Fleischer.

Grundsteuer 2025
An der Grundsteuerreform gibt es viel Kritik. (Archivbild) © Marcus Brandt/dpa

Die Reform steht unter heftiger Kritik. Der Eigentümerverband Haus & Grund, Verbraucherschützer und einzelne Eigentümer haben bereits Klage gegen die Reform eingereicht. Warnecke: „Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erwarten wir im ersten Quartal 2025. Danach hat vermutlich das Bundesverfassungsgericht das Wort.“

Der Gesetzgeber hatte die Grundlage der Berechnung der Grundsteuer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu regeln müssen. Ab Januar 2025 greift nun das neue Recht, das sich in der Regel stärker nach Flächengrößen oder Bodenwerten richtet. (cgsc mit afp)

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