Zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs: Was passiert mit den 4 Millionen Flüchtlingen?
Am 24. Februar 2022 überfiel Putin die Ukraine. Millionen Flüchtlinge haben nur vorübergehend Schutz in der EU. Wird keine dauerhafte Lösung gefunden, kann das üble Konsequenzen haben.
Berlin – Was lange Zeit undenkbar war, wurde am 24. Februar 2022 Wirklichkeit: Russland feuerte Raketen auf die Ukraine ab – Krieg, mitten in Europa. Der russische Präsident Wladimir Putin brachte Zerstörung und Tod über das Nachbarland, viele Menschen flohen. Rund vier Millionen leben jetzt in EU-Ländern, 1,2 Millionen in Deutschland. Wie geht es für sie weiter, zwei Jahre nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs?
Zwei Jahre nach Beginn des Kriegs in der Ukraine: Schutz für Flüchtlinge ist nur vorübergehend
Aktuell gilt für die Ukraine-Flüchtlinge in der Europäischen Union der sogenannte vorübergehende Schutz. Das ist eine Art Notfallmaßnahme, die die EU ergreifen kann, wenn außergewöhnlich viele Menschen vor einem Krieg in EU-Länder fliehen. Diese erhalten dann ohne große Hürden Aufenthaltsrechte und Wohnraum. „Aber dieser Status ist eben, wie der Name schon sagt, nur ein vorübergehender“, erklärt Jan Schneider vom Sachverständigenrat der Bundesregierung für Migration und Integration (SVR). Der Politikwissenschaftler und Soziologe ist Leiter des SVR-Bereichs Forschung und hat jüngst im Rahmen einer Studie untersucht, welche Optionen es für einen Aufenthalt ukrainischer Kriegsflüchtlinge nach dem Schutzstatus gibt.
Der galt zunächst für zwei Jahre. Im Herbst 2023 hat sich die EU darauf geeinigt, ihn nochmals um ein Jahr zu verlängern, also bis zum 4. März 2025. Das ist die maximale Dauer, die in der EU-Richtlinie vorgesehen ist. „Was danach passiert, ist momentan noch völlig unklar – und hängt natürlich sehr stark vom Kriegsverlauf und den Möglichkeiten für eine sichere Rückkehr in die Ukraine ab“, sagt Schneider. Sinnvoll sei es, wenn die EU-Länder bereits jetzt eine gemeinsame Strategie für die Zeit danach entwickeln würden. Mehr als vier Millionen Menschen seien „auf eine kollektive Anschlusslösung für die Zeit ab März 2025“ angewiesen.
Rückkehr für Kriegsflüchtlinge in die Ukraine in vielen Fällen nicht realistisch
Denn: „Wenn eine solche Lösung auf sich warten lässt oder im schlimmsten Fall gar nicht gefunden wird, besteht das Risiko, dass auch in Deutschland mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer plötzlich ohne sicheren Aufenthaltsstatus dastehen beziehungsweise ausreisepflichtig werden“, sagt Schneider. Möglicherweise würden dann massenhaft Asylanträge gestellt werden – mit äußerst ungewissem Ausgang.
In vielen Fällen dürfte jedenfalls eine Rückkehr nicht möglich oder realistisch sein, selbst wenn sich der Kriegsverlauf in der Ukraine in den nächsten zwölf Monaten günstig für die Ukraine entwickelt, glaubt der Experte: „Hier droht ein Szenario, in dem die Behörden auf das Instrument der kurzfristigen Duldung zurückgreifen müssen – mit allen negativen Konsequenzen, wie sie bereits aus den letzten Jahrzehnten bekannt sind.“
Duldungsstatus bietet wenig Perspektive für Menschen aus der Ukraine
Konkret heißt das: Menschen mit Duldungsstatus dürfen in Deutschland häufig nicht arbeiten oder studieren und haben keinen Anspruch auf Integrationskurse. In der Vergangenheit hat das immer wieder zu sozialen Problemen geführt, bis heute gibt es ganze Familien, die seit Jahren oder Jahrzehnten nur geduldet sind und in prekären Verhältnissen leben. „Eine gemeinsame Strategie auf europäischer Ebene wäre wichtig“, sagt Schneider.
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Praktikable Optionen gibt es: „Personen, die bereits eine Beschäftigung gefunden haben und die sonstigen Voraussetzungen erfüllen, könnten etwa einen Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken beantragen“, erklärt der Experte. Das ermögliche ihnen eine bessere Zukunftsperspektive, denn damit können sie ihren Aufenthalt dauerhaft absichern. Allerdings bräuchten Betroffene jetzt eine entsprechende Beratung durch die Ausländerbehörden – die gebe es bislang aber „so gut wie gar nicht“.
Ukraine braucht nach dem Ende des Krieges Rückkehrer: Mobilität als Lösung
Und was, wenn der Krieg endlich vorbei ist? Dann braucht die Ukraine dringend Menschen, die zurückkehren. Die beim Wiederaufbau helfen und die Wirtschaft wieder ankurbeln. „Darüber entscheidet aber nicht die Art der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland“, sagt Schneider. Engagement für die Ukraine oder eine Rückkehr dorthin könne allenfalls mit Anreizen unterstützt werden. „Transnationale Lösungen wie zirkuläre Mobilität oder Remote Work sollten deshalb verstärkt als Option in den Blick genommen werden“, so der Soziologe. Also zum Beispiel: Arbeiten in Deutschland, mit einem Lebensmittelpunkt in der Ukraine. Schon jetzt sorgen Freizügigkeitsregelungen dafür, dass Ukrainerinnen und Ukrainer ihren Aufenthaltsort in der EU weitgehend selbst bestimmen können. „Vor dem Hintergrund eines möglichen EU-Beitritts der Ukraine sollte diese Mobilität aufrechterhalten werden“, findet Schneider.