Diskussion um Aus für Ampel-Gesetze - Habecks Heizungsgesetz bald Geschichte? Freuen Sie sich nicht zu früh

Ein lästiges Heizungsgesetz gibt es nicht, Cannabis ist verboten, für Arbeitslose gibt es kein großzügiges Bürgergeld, Energiemangel und hohe Strompreise sind dank Atomkraft kein Thema. Das klingt nach der Vor-Ampel-Ära, wohin viele sich zurücksehnen. Genau dieses Gefühl wollen CDU und CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz bedienen.

Mindestens zehn Gesetze will die Union laut einer in Berlin kursierenden Liste abschaffen. Doch die Ampel-kritischen Bürgerinnen und Bürger sollten sich nicht zu früh freuen: Zum Beispiel beim Gebäudeenergiegesetz (GEG), wie der „Heiz-Hammer“ offiziell heißt, wird es sehr wahrscheinlich kein Zurück auf null geben.

Das gilt, obwohl sich derzeit eine breite Front gegen eines der wichtigsten Gesetze von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) formieren zu scheint. Nach dem Willen der Union hätte es das Gesetz ohnehin nie gegeben, die FDP bleibt kritisch, neuerdings will auch Bauministerin Klara Geywitz eine Reform, wie sie im Interview mit dem FOCUS Magazin erklärte. Das erst nach Verabschiedung des Heizungsgesetzes gegründete BSW will ein Aus lieber heute als morgen.

Diskussion um Heizungsgesetz: Wahlkampf-Getöse und Profilierungsversuche

„Die Union versucht mit ihren Rückabwicklungsplänen noch ein bisschen Kraft aus der Unbeliebtheit der gescheiterten Ampel zu saugen“, erklärt Christian Stecker, warum die Lust an der Abschaffung von Gesetzen gerade so groß ist. Der Politikwissenschaftler an der Universität Darmstadt ordnet das so ein: „Zum einen ist das Wahlkampf-Getöse, zum anderen versucht die Union sich damit programmatisch zu profilieren.“ In ähnlicher Weise gilt das auch für andere Parteien.

Das GEG zusammen mit einer Reihe von weiteren Ampel-Projekten zurückzunehmen, ist politisch gesehen kein Problem. Stecker betont im Gespräch mit FOCUS online: „Es ist das Privileg des Bundestags beziehungsweise dessen Mehrheit, gesetzgeberisch tätig zu sein – dazu gehört auch die Abschaffung alter Regeln.“

Doch eben bei dieser Mehrheit könnten CDU und CSU nach der Bundestagswahl auf das erste Problem stoßen, prophezeit der Politikwissenschaftler: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Union bei einem Wahlsieg auf eine der ehemaligen Ampel-Parteien angewiesen sein wird für eine Koalition. So hätte zum Beispiel Habeck bei Schwarz-Grün eine Vetoposition, wenn Friedrich Merz als Kanzler sein Heizungsgesetz zurückdrehen will.“

Auch nach GEG-Aus würde es nicht günstig für die Bürger

Das zweite Problem bei der Abschaffung von Habecks Prestigeprojekt ergibt sich aus der Realität namens Klimawandel. Um diesen zu bekämpfen, soll die CO2-Abgabe in den nächsten Jahren steigen. Das zählt auch Andreas Jung, Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz- und Energiepolitik, zu einer der zentralen Säulen für die Wärmewende. Mit der alten Gasheizung wird es dann für die Haushalte aber teuer. Ein Aus des GEG führt also nicht zwangsläufig zu Kosteneinsparungen.

Deshalb lassen sich Fachpolitiker wie CDU-Vize Jung auch nicht darauf ein, von einer Abschaffung oder Rückabwicklung des GEG zu sprechen. Auf Nachfrage, was die Union konkret plant, erklärt der CDU-Vize im Gespräch mit FOCUS online: „Wenn eine Heizung neu eingebaut wird, muss sie klimafreundlich betrieben werden können. Es soll aber nicht am grünen Tisch in Berlin entschieden werden, was im einzelnen Haus, in der jeweiligen Gemeinde und in den unterschiedlichen Regionen passt.“ Man wolle keine Technologie vorgeben.

Verbandschef warnt: „Wir brauchen auch Kontinuität“

Auch abseits der Parteien lässt man sich trotz aller Kritik am Heizungsgesetz nicht auf Abschaffungsfantasien ein. Ingbert Liebing, Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), spricht stattdessen lieber von „erheblichem Änderungsbedarf“. Das bisherige Gesetz zeichne sich durch Überregulierung aus, verliere sich im Mikromanagement und fördere Ineffizienzen. So gebe es zum Beispiel „prozentgenaue Vorgaben für den maximalen Biomasseanteil in Fernwärmenetzen“.

Liebing warnt im Gespräch mit FOCUS online davor, allzu viel zurückzudrehen: „Der erhebliche Änderungsbedarf bedeutet nicht, einmal getroffene Grundsatzentscheidungen für die Klimaneutralität im Gebäudesektor per se infrage zu stellen oder wieder bei null anzufangen. Wir brauchen auch Kontinuität für das wichtige Instrument der kommunalen Wärmeplanung.“

Kontinuität bei der Gesetzgebung stellt Merz aber infrage, wenn er nun einen Vor-Ampel-Zustand wiederherstellen will. Das bedeutet: Unternehmen wie Heizungs- beziehungsweise Wärmepumpenhersteller haben keine Planungssicherheit für Investitionen. Und schließlich sind auch die Bürgerinnen und Bürger verunsichert, welche Gebäudetechnik sie jetzt eigentlich am besten einbauen sollen. Auf dieses Problem will CDU-Politiker Jung lieber nicht eingehen.

Ein andere Parteifreund musste sich dem Thema am Mittwoch aber stellen: Jens Spahn war zu Gast beim „Forum Wärmepumpe“ und bekräftigte die Rückabwicklungspläne. Wenig begeistert davon war der Geschäftsführer des mittelständischen Wärmepumpen-Herstellers Stiebel Eltron, Kai Schiefelbein. Er rief der Politik entgegen: „Macht keinen Scheiß!“

Juristische Hürden bei der Rückabwicklung von Gesetzen

Es gibt sogar eine juristische Hürde, die vor zu viel Hin und Her beim Rückabwickeln von Gesetzen schützen soll: der sogenannte Vertrauensschutz. „Die Bürger sollen sich auf die bestehende Rechtslage verlassen können und aus Gesetzesänderungen dürfen rückwirkend keine Nachteile entstehen“, erklärt Politikwissenschaftler Stecker.

Während die Auswirkungen des Vertrauensschutzes beim GEG nicht ganz einfach nachvollziehen zu sind, wird es bei anderem Gesetz deutlicher, dass die Union zurücknehmen will: der Cannabis-Teillegalisierung. Kauft ein Anbauverein zum Beispiel Cannabis-Samen für Tausende Euro und muss diese vernichten, weil wieder ein Komplettverbot ausgesprochen wird, würde ein erheblicher Schaden entstehen. Das muss der Gesetzgeber berücksichtigen, zum Beispiel, indem er Übergangsregeln erlässt.

Eine rechtliche Hürde anderer Art steht der Union bei anderen Rückabwicklungsplänen im Weg. So steht auch das Bürgergeld auf der Streichliste – einfach weg kann es aber nicht. Stattdessen müsste die Union ein alternatives Sozialsystem aufbauen, das Arbeitslosen das Existenzminimum sichert. Denn davon darf nicht abgewichen werden, das hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig geurteilt.

Ist Atomstrom die Lösung? Ausstieg ist „praktisch gesehen irreversibel“

Manchmal stehen auch ganz praktische Punkte einer Rückabwicklung im Weg. Die Union will die Energiepolitik auch umkrempeln, indem sie den Ausstieg vom Atomausstieg vollziehen oder zumindest prüfen will. Auf Nachfrage beim Energiekonzern EnBW, wie man dazu steht, folgt eine deutliche Antwort: „Der Rückbau-Status des Kernkraftwerks Neckarwestheim II ist – genauso wie bei unseren vier weiteren Kernkraftwerken – praktisch gesehen irreversibel.“

Schon im Sommer habe man damit begonnen, die Kühlmittelleitungen zu demontieren. „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt“, schreibt ein Unternehmenssprecher.

Merz begibt sich mit Streichliste ins Risiko

So werden die Ampel-Gesetze wohl noch eine ganze Weile bestehen bleiben. Und selbst wenn sie irgendwann fallen sollte, bliebe die Frage, ob die Union sich damit einen gefallen tut. „Es ist zwar nichts Besonderes, dass es bei Regierungswechseln auch einen Politikwechsel gibt“, erklärt Politikwissenschaftler Stecker. „Bisher wurde das aber oft eher abstrakter angekündigt, bei Helmut Kohl zum Beispiel mit der ‚geistig-moralischen Wende‘. Diesmal ist die Liste aber sehr konkret mit den zehn Gesetzen und auch besonders lang.“

Merz würde sich also ein Stück weit entfernen von der bundesrepublikanischen Tradition, Gesetze eher zu reformieren, statt mit einer langen Streichliste in den Wahlkampf zu ziehen. Das birgt laut Stecker eine Gefahr: „Für die Union besteht das Risiko, nur noch als Partei wahrgenommen zu werden, die sich durch Abgrenzung zu anderen definiert und keine eigenen Akzente setzt. CDU und CSU sollten eher auch gestalten, das entspräche dann auch mehr der staatspolitischen Verantwortung, von der Friedrich Merz gerne spricht.“