Experten fürchten Drama vor US-Wahl: Trump könnte sich vorzeitig zum Wahlsieger erklären
Insiderinnen und Insider halten es für möglich, dass Trump einen vermeintlichen Wahlsieg frühzeitig ausruft. Getan hat er das bereits 2020. Was würde es nun bedeuten?
Washington, D.C. – Am 5. November stehen sich die Demokratin Kamala Harris und ihr republikanischer Kontrahent, Ex-Präsident Donald Trump, im Showdown der US-Wahl gegenüber. Während die Wahl näher rückt und verschiedene Prognosen ihr einen knappen Ausgang nahelegen, erwägen Insiderinnen und Insider der politischen Landschaft in den USA gegenwärtig sogar die Möglichkeit eines Supergaus vor der Wahl. Sie befürchten, dass Trump die US-Wahl vorzeitig für beendet erklären könnte, indem er einen Wahlausgang zu seinen Gunsten verkündet. Doch was würde in einem solchen Fall konkret passieren?
US-Wahl: Expertinnen und Experten halten vorzeitige Sieg-Beanspruchung durch Trump für wahrscheinlich
Wie der US-Nachrichtendienst Newsweek berichtet, sorgen sich US-Politik-Expertinnen und -Experten aktuell darum, dass sich Präsidentschaftskandidat Trump am 5. November noch vor der endgültigen Auszählung aller Stimmen zum Sieger der US-Wahl erklären könnte. Besonders heikel wäre ein solches Vorgehen Trumps unter dem Gesichtspunkt, dass ein handfestes Wahlergebnis wohl erst einige Tage nach dem 5. November vorliegen dürfte.

So war es bereits zur letzten US-Wahl im Jahr 2020 der Fall, und auch die aktuell engen Prognosen zum Wahlausgang in diesem Jahr lassen ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Harris und Trump vermuten. So gehen Meinungsforscherinnen und Analysten derzeit davon aus, dass die Stimmen sämtlicher Wahlberechtigter in den USA am 5. November noch nicht vollständig ausgezählt sein dürften. Damit ließe sich auch ein handfestes Wahlergebnis am Wahltag noch nicht verkünden.
2020 war die US-Wahl am 3. November abgehalten worden. Nachrichtenorganisationen vermeldeten das finale Ergebnis jedoch erst einige Tage später, am 7. November, nachdem auch die letzten Stimmen ausgezählt worden waren. In der Wahlnacht 2020 erklärte sich Trump jedoch schon um kurz nach Mitternacht zum Sieger, obwohl die Stimmen der Wahlberechtigten in den so bedeutenden Swing States noch nicht vollständig ausgezählt worden waren.
2020 verkündete Trump seinen vorzeitigen Wahlsieg – und brachte die eigene Partei gegen sich auf
Die scheinbare Gunst der Stunde hatte sich für Trump damals ergeben, da die an der Wahlurne abgegebenen Stimmzettel für gewöhnlich schneller ausgewertet werden als diejenigen, die per Briefwahl eingereicht werden. Für die Republikanerinnen und Republikaner ergab sich so ein Vorsprung vor ihren demokratischen Kontrahentinnen und Kontrahenten, ehe sich dieser mit dem letztendlichen Ergebnis und dem Wahlsieg Joe Bidens erübrigte.
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Jener damalige Schritt Trumps war mitunter selbst aus den Reihen der Republikanerinnen und Republikaner mit scharfer Kritik quittiert worden. So bezeichnete der ehemalige Gouverneur des US-Bundesstaates New Jersey, Chris Christie, Trumps Pose als „schlechte politische Entscheidung“. Auch Rick Santorum, ehemaliger republikanischer Gouverneur des historisch als Swing-State bekannten Bundesstaats Pennsylvania, gab damals bekannt, „sehr beunruhigt“ über Trumps Behauptungen und den damit verbundenen Betrug von Wählerinnen und Wählern zu sein.
Nachdem er die Wahl verloren hatte, reichte Trump mehrere Klagen ein, mit der er die Stimmenauszählung in Swing States anfechten wollte. So forderte er unter anderem den damals für die Nachzählung in Georgia verantwortlichen Staatssekretär des Bundesstaats, Brad Raffensberger, auf, „11.780 Stimmen zu finden“, um das Wahlergebnis in Georgia zu kippen. An seine Anhängerinnen und Anhänger wandte sich Trump dabei auch mit der Forderung, „den Diebstahl zu stoppen“. Eine aggressive Rhetorik, die Trump-Kritikerinnen und -Kritiker zufolge auch dem Kapitol-Sturm am 6. Januar 2021 den Weg bereitete.
Harris: Ihre Kampagne bereitet sich auf erneute Wahlsieg-Beanspruchung durch Trump vor
Zur Möglichkeit, dass Trump jene Strategie auch bei der diesjährigen US-Wahl anwende, äußerte sich unlängst auch Präsidentschaftsanwärterin Harris. So bereite sich ihre Kampagne „natürlich“ auch in diesem Jahr auf eine ähnliche Taktik Trumps vor, wie Harris dem US-Nachrichtensender NBC News erklärte.
Auch betonte sie, dass ihre Partei „über die Ressourcen und das Fachwissen“ verfügt, das wichtig wird, sollte Trump seinen vermeintlichen Wahlsieg erneut verkünden wollen. „Das amerikanische Volk steht jetzt, zwei Wochen vor der Wahl, vor einer sehr, sehr ernsten Entscheidung über die Zukunft unseres Landes“, erklärte Harris und unterstrich damit auch die Bedeutung einer unabhängigen Wahl an sich.
Zur Frage, wie wahrscheinlich ein erneutes vorzeitiges Beanspruchen des Wahlsiegs durch Trump in diesem Jahr ist, gab nun auch Bob Beatty, Vorsitzender der politikwissenschaftlichen Abteilung der Washburn University, eine Einschätzung ab. Trumps vergangene Entscheidungen sind Beatty zufolge klare Indizien dafür, „dass Trump höchstwahrscheinlich ein vorzeitiges Ende der Wahl ausruft, egal, was die Ergebnisse zeigen“.
Was passiert, sollte sich Trump erneut vorzeitig zum Gewinner der US-Wahl erklären?
Beatty erklärte Newsweek, der beste Hinweis zwecks einer Vorhersage zu Trumps Verhalten sind „seine vergangenen Handlungen und seine Rhetorik“. „In Anbetracht dessen wird er höchstwahrscheinlich die Wahl vorzeitig ausrufen, egal was die Ergebnisse zeigen“, resümierte der Politikwissenschaftler.
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David Schultz, Professor für Politik- und Rechtswissenschaften an der Hamline University, stimmte zu, dass Trump mit der vorzeitigen Verkündung des Wahlsiegs eine ähnliche Dynamik wie 2020 in Gang setzen könnte. Gegenüber Newsweek sagte Schultz jedoch, dass eine Beanspruchung des Wahlsiegs durch Trump jedoch keine rechtlichen Folgen hätte. Mit anderen Worten: Verliert Trump die US-Wahl, wird er daran nichts rütteln können.
Dies unterstrich auch Sylvia Albert, Beraterin der unabhängigen US-Organisation Common Cause. Sie erklärte, dass einer potenziellen Beanspruchung des Wahlsiegs durch Trump faktisch kein politisches Gewicht zukomme, da die US-Wahl von den Wahlberechtigten und nicht von den Kandidaten entschieden wird. „Die Kandidaten haben ihre Zeit gehabt, sich zu äußern, und jetzt ist es an der Zeit, dass die Wähler ihre Stimme abgeben, um ihr neues Staatsoberhaupt zu wählen“, fügte Albert gegenüber Newsweek an. „Wir werden wahrscheinlich am 5. November nicht wissen, wer der Gewinner ist, und das ist in Ordnung – es bedeutet, dass sich die Wahlhelfer die Zeit nehmen, jede Stimme genau zu zählen“, betonte sie. (fh)