Bürger sprechen Klartext: „Dorfgemeinschaftshaus ist ein Millionengrab“

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Bürgermeisterin Sandra Brendl-Wolf. © Wölfle

Viele interessante Informationen rund um Burggen erfuhren die rund 50 Besucher der diesjährigen Bürgerversammlung in der Turnhalle. Im Mittelpunkt stand das Dorfgemeinschaftshaus, zu dem noch viele Fragen offen waren.

1749 Menschen leben derzeit in der Gemeinde Burggen. Doch um das Dorf steht es derzeit finanziell nicht gerade gut. „Die Entwicklung zwischen Einnahmen und Ausgaben befindet sich in einem groben Missverhältnis“, konstatierte Bürgermeisterin Sandra Brendl-Wolf anhand aufschlussreicher Grafiken, die sie ihren Bürgern präsentierte. Diese zeigten: Immer höhere Ausgaben müssen mit immer geringeren Einnahmen finanziert werden. Der Schuldenstand der Gemeinde wird zum Jahresende voraussichtlich auf knapp 3,2 Millionen Euro anwachsen. Daran ist unter anderem auch das Dorfgemeinschaftshaus schuld. Doch dazu später.

Jugend: Mehr Betriebe ansiedeln

Trotz aller Schwierigkeiten fühlen sich die Burggener in ihrer Gemeinde wohl. Das ergab die Bürgerbefragung „LE.NA“ im Auerbergland. Die jugendlichen Befragten, im Alter von zehn bis 24 Jahren, sehen demnach ihre berufliche Zukunft in der Region, und wünschen sich, dass sich größere Betriebe ansiedeln. Auch um bessere Ausbildungschancen zu haben. Denn für die Jugendlichen gestaltet sich der Weg zu ihren Schulen und Ausbildungsbetrieben oft schwierig aufgrund der schlechten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Auch in ihrer Freizeit sind sie deshalb auf die Angebote vor Ort angewiesen. Hier sehen sie laut Umfrage ebenfalls Verbesserungsbedarf.

Von einem „verschlafenen Ort“ ist die Rede und dass es kaum Räume oder Treffpunkte für Jugendliche gibt. Doch der Gemeindenachwuchs denkt nicht nur an sich selbst: Er zeigte bei der Befragung auch ein großes Interesse an Umwelthemen, und kritisierte beispielsweise die Flächenversiegelung. „Das müssen wir uns unbedingt zu Herzen nehmen und umdenken“, appellierte Brendl-Wolf an die Versammlung.

Mit 1,8 Millionen gerechnet, jetzt kostet das Haus 5,4 Millionen Euro

Die Erwachsenen loben in der Umfrage vor allem die Grundversorgung in Burggen, das lebendige Vereinsleben und die hohe Identifikation mit dem Ort und dem Brauchtum. Verbesserungsbedarf sehen sie in der Schaffung bezahlbaren Wohnraums, ebenfalls in einer Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und bei den Gemeindefinanzen. Vom „Millionengrab Dorfgemeinschaftshaus“ war nicht nur ein Mal die Rede.

Josef Schuster, Altbürgermeister Burggen
Altbürgermeister Josef Schuster. © Wölfle

Nicht nur deshalb stand dieses Thema auf der Tagesordnung. Sandra Brendl-Wolf hatte dazu Alt-Bürgermeister Josef Schuster eingeladen. In seiner Amtszeit wurde der Bau des Dorfgemeinschaftshauses beschlossen, und deshalb konnte er manche Fragen (siehe Kasten) fundierter beantworten, als die jetzige Bürgermeisterin, die bei Baubeginn im Jahr 2020 noch nicht im Amt war. Als Schuster das Wort hatte, blickte er erst einmal zurück: Demnach wurde das Dorfgemeinschaftshaus, in dem die Schützen, der Trachtenverein, die Musikkapelle und die Kegler ihre neue Heimat gefunden haben, sieben Jahre lang geplant, bevor der eigentliche Bau startete. Damals rechnete man noch mit Kosten von 1,8 Millionen Euro. Stand heute werden es 5,4 Millionen werden, wovon die Gemeinde nach Abzug von Fördermitteln 4,1 Millionen selbst aufbringen muss.

Drei beteiligte Firmen sind pleite gegangen

„Wir haben die Wünsche der Vereine versucht umzusetzen, es war ein Riesenprojekt, und es lief Einiges schief“,  gab Schuster zu. Angefangen bei der schlechten Beratung durch Statiker und das beauftragte Architekturbüro. Drei beteiligte Firmen gingen während des Baus pleite und die Entscheidung, eine bessere Lüftungsanlage einzubauen, was auch der Bauzeit während der Pandemie geschuldet war, trieb die Kosten weiter in die Höhe. Ebenso wie die gestiegenen Auflagen für einen Bau und höhere Materialkosten.

Wir wurden schlecht beraten.

Die Kosten sind aber nur ein Punkt, der die Burggener seitdem umtreibt. Der meiste Unmut hat sich gegenüber den Planern angestaut. So wie bei Hans Baumer, der damals im Gemeinderat saß: „Mir stinkt´s, dass ich mich als einfacher Gemeinderat nicht auf die Fachleute verlassen konnte. Wir wurden schlecht beraten“, sagte er. Und auch die Vereine seien mit immer neuen Wünschen damals an sie herangetreten. „Hoffentlich bricht dadurch unsere Dorfgemeinschaft nicht auseinander“, beendete er mit brüchiger Stimme seinen Redebeitrag.

„Finanziell haben wir jetzt einen Klotz am Bein“

Das griff Gemeinderat Thomas Kirchhofer umgehend auf. „Es ist alles schlecht gelaufen, finanziell haben wir jetzt einen Klotz am Bein“, konstatierte er. Aber er wolle positiv in die Zukunft schauen. „Das Dorfgemeinschaftshaus aus ist gut für unseren Ort, gut für die Vereine. Wir sollten jetzt zusammenstehen, dann werden wir das gemeinsam auch schaffen“, appellierte er.

Dem schlossen sich alle an, denn keiner, weder Amtsträger noch Bürger wollen die gute Gemeinschaft in dem Ort gefährden, in dem sie sich lauf Bürgerbefragung so wohl fühlen.

Fragen zum Dorfgemeinschaftshaus

Warum wurde das Gebäude nicht abgerissen und neu gebaut, wie es die Vorstandschaften der beteiligten Vereine vorgeschlagen hatten?

Schuster: Wir hatten damals eine Förderzusage über 1,5 Millionen Euro, wenn wir sanieren. Das wäre bei einem Neubau nicht der Fall gewesen. Zudem ist sanieren nachhaltiger, als neu zu bauen, und wir hatten grünes Licht vom Statiker, dass die Bausubstanz das auch aushält.

Wer ist bei einem öffentlichen Bau eigentlich für die Gewerke-Abnahme verantwortlich? Denn das war ziemlich nachlässig.

Das Architekturbüro.

Stimmt es, dass ein Architekturbüro prozentual an den Baukosten verdient?

Ja. Circa 18 Prozent.

Wie kam es zu der fast 300-prozentigen Preissteigerung?

Vor allem durch die höheren Auflagen während der Bauzeit in den Corona-Jahren, durch extreme Materialkostensteigerungen und den Einbau der teureren Lüftungsanlage. Und bei Sanierungen kommen manche Sachen erst später zum Vorschein, mit denen vorher keiner gerechnet hat, wie feuchte Wände und Statik-Geschichten.

Wann können auch andere Vereine den Veranstaltungssaal nutzen?

Sobald die Bestuhlung da und die Küche soweit fertig ist.

Warum gibt es im Männerklo fünf Steckdosen?

Das konnte mir auch keiner erklären (lacht).

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