Durschnittsgehälter in Deutschland - 8 Prozent höhere Löhne: Warum das für tausende Beschäftigte das Armutsrisiko verschärft

Für Arbeitnehmer in Deutschland war 2024 lohntechnisch ein gutes Jahr. Das Statistische Bundesamt berichtet von der größten Reallohnsteigerung seit 16 Jahren - es steigen also die Löhne und es bleibt dank niedrigerer Inflation auch mehr davon übrig. 3,1 Prozent mehr Geld hatten die Deutschen real mehr zur Verfügung. Der Trend soll sich fortsetzen: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) rechnet für die deutschen Arbeitnehmer im Jahr 2025 sogar mit einem Einkommensplus von elf Prozent. 

Starkes Lohnplus gefährdet tausende Renten

Ein Grund zum Jubeln also? Mitnichten. Der starke Anstieg des Durchschnittseinkommens wirkt sich negativ auf zehntausende zukünftige Renten aus. 

Der Grund: Reichten im vergangenen Jahr noch 45.358 Euro Jahresbrutto, um einen ganzen Rentenpunkt zu sammeln, muss man dafür 2025 nach aktuellem Stand 50.493 Euro verdienen. Wer keine elf Prozent Gehaltserhöhung aushandeln kann, bekommt für dieses Jahr - und natürlich auch für die kommenden Jahre - weniger Rentenpunkte, und das schlägt sich in einer niedrigeren Rente nieder. 

Elf Prozent sind ein großer Schritt: Die zahlreichen Gewerkschaftsabschlüsse der vergangenen Jahre pendeln in der Regel nach harten Verhandlungen und schmerzhaften Streiks um die fünf Prozent per annum.

Geringverdiener und Berufseinsteiger verlieren besonders

Die stark steigenden Durchschnittslöhne, mit denen die DRV rechnet, sind vor allem für Geringverdiener und Berufseinsteiger ein Problem, wie eine andere Zahl verdeutlicht: das mittlere Einkommen in Deutschland, also der Median, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt. Dieser Wert ist daher aussagekräftiger für die Einkommensverteilung.

Der Gehaltsreport des Karriereportals Stepstone weist für 2024 für Deutschland ein mittleres Einkommen von 43.750 Euro aus. Das Durchschnittsgehalt liegt dagegen bei 50.250 Euro. Das bedeutet: Der Einfluss von hohen Gehältern auf den Durchschnitt ist sehr groß, selbst viele kleine Einkommen beeinflussen den Schnitt weniger stark. 

Für Berufseinsteiger lag das Medianeinkommen im Jahr 2024 sogar nur bei rund 38.000 Euro brutto. Das zeigt eine Sonderauswertung des StepStone-Gehaltsreports 2024 für FOCUS Online. 

Je jünger, desto weniger Rentenpunkte

Mit der hohen Steigerung des rechnerischen Durchschnittseinkommens im DRV-Modell steigt auch das Alter, ab dem ein Arbeitnehmer in Deutschland das geforderte Einkommen verdient. Im Jahr 2024 waren Arbeitnehmer, die einen ganzen Rentenpunkt erhalten hätten, laut StepStone im Mittel 29 Jahre alt. Die knapp 50.500 Euro, die im Jahr 2025 für einen Rentenpunkt nötig sind, verdienen Arbeitnehmer aber im Mittel erst mit über 40 Jahren. 

Wie wenige Arbeitnehmer in Deutschland tatsächlich das von der DRV berechnete Durchschnittseinkommen verdienen, zeigen Zahlen der Behörde selbst. Nur 27 Prozent aller Versicherten in der DRV liegen über dem ausgewiesenen Durchschnittseinkommen und verdienen damit mindestens einen Rentenpunkt. 73 Prozent, also drei Viertel, aller Versicherten verdienen weniger. 

Diese Gehälter zählt die DRV in Ihre Gehaltsschätzung

Wie kommt die Behörde aber auf so eine hohe Zahl beim Durchschnittseinkommen? Auf FOCUS-Online-Nachfrage erklärte die DRV, das hohe Wachstum ergebe sich aus der Fortschreibung des hohen Lohnwachstums im Jahr 2023. Damals waren die Löhne um 6,4 Prozent gestiegen. Diese Zahl ist die aktuellste, festgelegte bei den Gehältern. Deshalb ist auch das zugrunde gelegte Gehaltsniveau für 2024 noch vorläufig. Für ihre derzeitige Schätzung geht die DRV davon aus, dass sich das Wachstum von dem letzten bekannten Wert in 2023 in gleicher Weise in den Jahren 2024 und 2025 fortschreibt. 

So rechnet die DRV: 

Endgültiges Durchschnittseinkommen 2023 

+ 6,4 Prozent Wachstum in 2024 

+ 6,4 Prozent Wachstum in 2025 

= Durchschnittseinkommen 2025 

Hinzu kommt: Für das vorläufige Lohnwachstum im Jahr 2024 wurde noch der Wert des Jahres 2022 herangezogen, der Corona-bedingt mit 3,9 Prozent gering ausfiel. Dadurch ergibt sich zwischen 2024 und 2025 ein besonders hoher Anstieg. 

Tatsächlich ist diese Schätzung vorläufig - und sie liegt auch regelmäßig daneben. Von 2022 auf 2023 nach die DRV einen Anstieg des voraussichtlichen Durchschnittseinkommens um 11 Prozent an – tatsächlich waren es schließlich nur 6,37 Prozent. Von 2021 auf 2022 sankt das vorläufige voraussichtliche Durchschnittseinkommen sogar um sechs Prozent, um dann in der finalen Rechnung um 3,93 Prozent zuzulegen. Sobald die tatsächlichen Werte bekannt sind, würden sie in der Rentenrechnung ersetzt, betont die DRV. 

Doch es gibt noch einen Nachteil für Arbeitnehmer: In die Berechnung fließen alle Löhne in Deutschland ein, auch die aus Minijobs oder etwa Verdienste von Beamten, die gar nicht in die Rentenversicherung einzahlen. Renten und andere Einkommen, zum Beispiel von Selbstständigen werden zwar nicht mit eingerechnet. Aber es zählen auch alle Gehälter oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze mit. Erstmals werden ab dem Jahr 2025 Löhne aus den neuen Bundesländern miteinbezogen, vorher flossen nur Löhne aus den alten Bundesländern ein – die in der Regel höher liegen. All das lässt das Durchschnittseinkommen steigen. 

Arbeitnehmer müssen hart verhandeln

Für Arbeitnehmer gilt also: Wer im eigenen Gehaltsniveau mit den aktuellen Lohnsteigerungen nicht mithält, gerät schnell ins Hintertreffen. Hat man vor einigen Jahren noch einen gut bezahlten Job angenommen und damit eine bestimmte Zahl an Rentenpunkten verdient, sinkt diese Zahl nun mit jedem Jahr, in dem das Gehalt nicht steigt. 

Was also tun?

Normalerweise gilt ein Jobwechsel innerhalb der eigenen Expertise als der schnellste Weg zu mehr Geld. Ein neuer Arbeitgeber ist oft eher bereit, mehr Gehalt zu bezahlen, um eine offene Stelle zu besetzen. 

In der aktuellen Wirtschaftsflaute kann ein Jobwechsel allerdings schwierig sein. Und gerät das neue Unternehmen in Schieflage, müssen oft die zuletzt eingestellten Kollegen zuerst wieder gehen. 

Ratsam ist daher zunächst einmal die Gehaltsverhandlung in Ihrem aktuellen Job - und zwar am besten gut vorbereitet. Tipps für eine erfolgreiche Verhandlung finden Sie in diesem Video: 

Sieben Prozent mehr Geld: So holen Sie sich bei der Gehaltsverhandlung die Inflation zurück

Rentenlücke selber schließen

Auch eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung wird allerdings nicht die Rentenlücke schließen, die sich im Alter bei jedem Deutschen auftut. Denn selbst ein ganzer Rentenpunkt pro Jahr garantiert keine Rente, von der alle bisher gewohnten Ausgaben bezahlt werden können. Wie Sie Ihre Rentenlücke ausrechnen und schließen können, erfahren Sie hier: 

Warum Sie unbedingt Ihre Rentenlücke kennen sollten – und wie Sie sie ausrechnen