Teurere Zigaretten, Werbeverbot: So soll Deutschland rauchfrei werden
Der Drogen- und Suchtbeauftragte will eine „Nichtrauchergesellschaft“ in Deutschland. Für dieses Ziel will er auch die Krankenkassen in die Pflicht nehmen.
Jeder vierte Erwachsene in Deutschland raucht. Mehrere Jahre war die Quote gesunken, zuletzt griffen aber wieder mehr Menschen zu Kippe, E-Zigarette & Co. Der Bundesdrogen- und Suchtbeauftragte, Burkhard Blienert (SPD), ist daher alarmiert: „Wir haben beim Rauchen massiven Handlungsbedarf und sollten bei der Prävention, aber auch bei der Unterstützung von Rauchenden, die sich vorstellen könnten, aufzuhören, nicht eine, sondern drei Schippen drauflegen“, sagt Blienert IPPEN.MEDIA.
Es sei wichtig, „dass wir in Deutschland endlich entschlossener werden und erkennen: Rauchen tötet jedes Jahr 127.000 Menschen“, meint Blienert. „Aber wir haben Möglichkeiten, daran etwas zu ändern.“ Was bedeutet das konkret? „Mir geht es nicht darum, jemandem das Rauchen zu verbieten“, versichert der SPD-Politiker. Der Staat habe aber ein paar Hebel, um die Raucherquote zu senken.
Suchtbeauftragter Blienert fordert „Ende der völlig unsinnigen Tabakwerbung“
„Neben guter Suchtprävention in Schulen sind die nächsten Schritte für mich ein Ende der nun wirklich völlig unsinnigen Tabakwerbung“, sagt Blienert. „Denn Werbung setzt ganz klar die falschen Anreize und zeigt ungesunde Produkte als selbstverständlich und harmlos. Das hat insbesondere Auswirkungen auf Jugendliche.“
Jugendliche rauchen immer häufiger – und konsumieren dabei vor allem die über soziale Medien beworbenenen E-Zigaretten. „Laut Studien greifen seit der Pandemie fast verdoppelt so viele Jugendliche zu Zigarette und Co. Das ist erschreckend und alarmierend“, schildert Blienert. „Deshalb plädiere ich für ein konsequentes Verbot sogenannter jugendaffiner Aromen in E-Zigaretten, also der, die gerade für Jugendliche interessant sind“.
Oft werben Anbieter von E-Zigaretten mit Geschmäckern, die mehr an einen Kaugummi oder Eistee erinnern als an ein Nikotinprodukt. „Auch die aggressive Bewerbung von E-Zigaretten mit Melone-, Kirsch- oder Gummibärchenaromen animiert Jugendliche zum Rauchen – ein weiterer Grund, etwas gegen die Werbung zu machen.“

Zudem brauche es mehr Unterstützung beim Rauchausstieg. „Auch wenn die Gesetzliche Krankenversicherung nun wirklich nicht im Geld schwimmt: Die Kosten für fachgerechte Hilfe beim Rauchausstieg sollten schon von den Kassen übernommen werden. Das hilft am Ende ja allen, auch den Kassen, die sich die viel kostenintensivere Behandlung der Folgeerkrankungen ersparen.“ Bisher zahlen die Kassen nur selten Kosten für die Rauchentwöhnung, wie etwa Medikamente gegen die Nikotinsucht.
Teurerer Zigaretten? „Höhere Preise schrecken ab“
Beim Stichwort Kosten hatte Blienert in der Vergangenheit auch höhere Preise für Zigaretten ins Spiel gebracht. „Der Preis ist ein adäquates Mittel, um insbesondere Kinder und Jugendliche abzuhalten, aber auch um insgesamt die Raucherquote bei den Erwachsenen zu senken“, argumentierte Blienert im Januar im großen IPPEN.MEDIA-Interview. „Höhere Preise schrecken ab.“ Um welche Preise es dann geht? „Grob sind wir aktuell bei einer Packung mit 20 Zigaretten für 8 Euro, andere Länder sind schon bei 12 Euro oder mehr.“
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Aktionsmonat „Rauchfrei im Mai“
Ebenso denkbar sein könnte ein Rauchverbot in der Außengastronomie sowie im Auto, wenn Kinder oder Schwangere mitfahren. Insgesamt strebt Blienert so eine „Nichtrauchergesellschaft“ an. Die Nichtrauchergesellschaft ist ein internationales Ziel. 2030 sollen weniger als 13 Prozent der Erwachsenen und weniger als drei Prozent der Jugendlichen rauchen. „Ich sehe zurzeit nicht, dass Deutschland das erreichen kann“, meint Blienert. Der Drogen- und Suchtbeauftragte hat daher den Aktionsmonat „Rauchfrei im Mai“ ausgerufen.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die Deutsche Krebshilfe unterstützen die Anti-Rauch-Kampagne. Sie wollen Raucher dadurch zu einem nikotinfreien Leben ermutigen. „Rauchen ist der größte vermeidbare Krebsrisikofaktor und der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs“, erklärt Gerd Nettekoven, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Krebshilfe.
Regeneration des Körpers nach einem Rauchstopp
- Nach 2 Tagen: Geruchs- und Geschmackssinn funktionieren wieder viel besser.
- Nach 2 Wochen bis 3 Monaten: Der Kreislauf stabilisiert sich. Die Lungenfunktion verbessert sich.
- Nach 1 bis 9 Monaten: Hustenanfälle, Verstopfung der Nasennebenhöhlen und Kurzatmigkeit gehen zurück. Die Lunge wird allmählich gereinigt, indem Schleim abgebaut wird. Die Infektionsgefahr verringert sich.
- Nach 1 Jahr: Das Risiko für eine koronare Herzkrankheit sinkt auf die Hälfte des Risikos eines Rauchers.
- Nach 5 Jahren: Das Risiko für eine Krebserkrankung in Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre und Harnblase sinkt auf die Hälfte; das Gebärmutterhalskrebs-Risiko ist nicht mehr höher als bei Nichtrauchern. Auch das Schlaganfallrisiko kann bereits nach zwei bis fünf Jahren auf das eines Nichtrauchers sinken.
- Nach 10 Jahren: Das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, verringert sich etwa um die Hälfte. Auch die Risiken für Krebserkrankungen an Kehlkopf und Bauchspeicheldrüse gehen zurück.
Quelle: BZgA
„Ein Rauchstopp ist ein Gewinn für die Gesundheit“, betont Johannes Nießen, kommissarischer BZgA-Leiter. „Wer beim bundesweiten Rauchfreimonat im Mai mitmacht und rauchfrei bleibt, wird nach kurzer Zeit eine verbesserte Lungenfunktion spüren.“ Ein Jahr nach dem Rauchausstieg sinke das Risiko für eine koronare Herzkrankheit deutlich. (as)