Geplante Radikalkur in der Türkei offenbar nur Mogelpackung
Mit einem Maßnahmenpaket will die Regierung von Präsident Erdogan die Wirtschaftsprobleme in den Griff bekommen. Experten sehen darin allerdings eine Mogelpackung.
Ankara – Die Wirtschaftskrise in der Türkei macht der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiterhin große Sorgen. Bislang konnte das Land weder die Inflation noch den Währungsverfall in den Griff bekommen. Jetzt soll das sogenannte „Einsparungs- und Effizienzpaket im öffentlichen Sektor“ (Türkisch: „Kamuda Tasarruf ve Verimlilik Paketi“) dabei helfen, Geld zu sparen.
„Alle öffentlichen Einrichtungen sind von dem Paket betroffen. Die einzige Ausnahme ist das Parlament“, teilte der stellvertretende Präsident, Cevdet Yılmaz, bei der gemeinsamen Vorstellung des Maßnahmenpakets mit Finanzminister Mehmet Simsek mit. Erdogan muss dem Paket allerdings seine Zustimmung erteilen, was als reine Formsache gilt.
Das beinhaltet das Sparpaket in der Türkei
Um die Staatsausgaben einzuschränken wird etwa die Anzahl und der Einsatz von Fahrzeugen im öffentlichen Sektor eingeschränkt. „3 Jahre lang werden keine neuen Fahrzeuge gekauft oder geleast“, heißt es in dem Papier. Zudem wird die Einstellung von neuem Personal in den kommenden drei Jahren stark eingeschränkt. Im öffentlichen Dienst werden damit künftig nur noch so viele neue Mitarbeiter eingestellt wie diejenigen, die in den Ruhestand gehen. Neue Gebäude dürfen für den öffentlichen Sektor in den kommenden drei Jahren weder gebaut noch gekauft werden.

Auch werden die Top-Bezüge eingeschränkt. Wer in den Vorständen im öffentlichen Sektor sitzt, kann auch nur ein Gehalt verlangen. Wer wie in der Vergangenheit im öffentlichen Sektor mehrere Vorstandsposten hatte, darf dann nicht mehr mehrere Vorstandsgehälter beziehen. Immer wieder wurden Bürokraten und ihre Verwandten aus dem Umfeld des türkischen Präsidenten in den vergangenen Jahren bekannt, die in mehreren Vorständen staatlicher Betriebe saßen und mehrere Top-Gehälter kassierten.
Anhaltende Inflation und Währungsverfall in der Türkei
Das Land steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, aus der es bislang nicht rausgekommen ist. Mit einer offiziellen Inflation von knapp 70 Prozent und einem Währungsverfall verarmen die Menschen Monat für Monat. Der Mindestlohn liegt bei 17.000 TL (etwa 489 Euro) und die Mindestrente bei etwas über 10.000 TL (etwa 287 Euro). Gleichzeitig liegt die sogenannte „Hungerschwelle“ jedoch bei über 20.000 TL. Damit sind die kosten für eine vierköpfige Familie gemeint, die es für eine ausgewogene Ernährung braucht. Die Kommunalwahlen am 31. März waren für Erdogan und seine AKP daher ein Abstrafung, seine Partei lag deutlich hinter der Oppositionspartei CHP.
Experten sehen geplante Sparmaßnahmen von Erdogan-Regierung mit Skepsis
Zwar wird das Maßnahmenpaket der Regierung als ein Ende der Verschwendung verkauft, Experten sehen darin nichts anderes als eine Mogelpackung. „Die Öffentlichkeit wird durch das Sparen mit Peanuts getäuscht“, schreibt der Wirtschaftsexperte Prof. Veysel Ulusoy auf X. Auch der Wirtschaftsexperte Mahfi Egilmez sieht die Maßnahmen als unzureichend. Auch der Präsident müsse seine Ausgaben kürzen. „Solange die Sparmaßnahmen nicht die Ausgaben des Präsidentenpalastes, seine Flugzeuge, Konvois und Leibwächter beinhalten, werden sie nicht viel nützen“, schreibt Egilmez ebenfalls auf X.
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Weiterhin Korruption und Vetternwirtschaft in der Türkei zu erwarten
Korruption und Vetternwirtschaft in der Türkei schrecken weiterhin Investoren ab. Die Türkei liegt im Antikorruptionsindex von „Transparency International“ auf Platz 115 unter 180 Staaten. Im Rechtsstaatlichkeitsindex vom „World Justice Project“ liegt das Land auf Platz 117 unter 143 Staaten. Vor allem nach dem Putschversuch 2016 ist das Land in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte immer weiter abgerutscht. Große staatliche Aufträge gelten als für die „Fünferbande“ reserviert. Damit sind die fünf großen Oligarchen und ihre Konzerne aus dem Umfeld von Präsident Erdogan gemeint. Ohne aber die Vetternwirtschaft und Korruption in den Griff zu bekommen, dürfte die Wirtschaftskrise weitergehen. (erpe)