Neues Bürgergeld-Gesetz: Ampel will Arbeitsverweigerern monatelang das Geld streichen

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Das Bundeskabinett hat eine Verschärfung des Bürgergeld-Gesetzes verabschiedet. Das sieht vor, Empfängern das Geld monatelang zu streichen, wenn sie wiederholt ein Jobangebot ablehnen.

Berlin – Wer nicht arbeiten will und stattdessen Bürgergeld bezieht, muss in Zukunft härtere Sanktionen befürchten. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg gebracht, das eine Kürzung des Bürgergeldes bei nachhaltiger Ablehnung einer Arbeit vorsieht.

Bürgergeld soll bis zu acht Monate lang wegfallen können

Wie aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Referentenentwurf hervorgeht, soll bei nachhaltiger Arbeitsverweigerung ein vollständiger Wegfall der Leistungen für maximal zwei Monate möglich werden. Die geplante Regelung zum Leistungsentzug soll Einsparungen beim Bürgergeld von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen - 150 Millionen beim Bund und 20 Millionen bei den Kommunen. Kosten der Unterkunft und Heizung sollen nicht gestrichen werden können.

Wie die Bild nun berichtet, soll das aber gar nicht alles sein. Denn wer auch nach den zwei Monaten Leistungskürzung wieder ein Jobangebot ablehnt, dem kann erneut das Geld zwei Monate lang entzogen werden. Das habe das Arbeitsministerium der Zeitung bestätigt. Da aber ein „Leistungsentzug erst im Folgemonat nach der Feststellung der konkreten Arbeitsverweigerung wirksam wird“, sei eine Leistungskürzung für maximal acht Monate im Jahr möglich, so die Bild weiter.

Aus Sicht von Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird das geplante Gesetz von Heil wenig helfen, Langzeitarbeitslose wirklich in Arbeit zu bringen. In vielen Fällen habe sich Arbeitslosigkeit verfestigt, Betroffene fühlten sich dann oft stigmatisiert. Ihnen fehlten meist Qualifikationen, mit steigendem Alter sänken oft Chancen und Hoffnungen. „Werden durch Totalsanktionen nicht auch Menschen in prekäre Jobs hineingezogen, bei denen einfach vieles zusammenkommt?“ Weber leitet den Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ beim IAB, dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will das Bürgergeld für Totalverweigerer aussetzen. Dagegen gibt es Widerstand von SPD und Grünen.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will das Bürgergeld für Totalverweigerer aussetzen. Dagegen gibt es Widerstand von SPD und Grünen. © IMAGO

Abgesehen davon ist überhaupt nicht klar, wie viele Empfänger eine Arbeit wirklich ablehnen. Dazu hat das IAB Daten an Ippen.Media übermittelt, die zeigen, dass höchstens zwei Prozent der Bürgergeldbeziehenden eine Arbeit ablehnen – Tendenz fallend. Die Bundesregierung geht davon aus, dass 150.000 Menschen von einer Leistungskürzung wegen Arbeitsverweigerung betroffen sein könnten – woher diese Zahl kommen soll, ist jedoch nicht klar. In der IAB geführten Statistik hatte es 2021 gerade mal 52.000 Fälle von Arbeitsverweigerung gegeben. Vor Corona waren es 82.000 Fälle.

Der Entwurf aus dem Sozialministerium verweist auf Praxisberichte aus Jobcentern, nach denen „einige wenige Beziehende von Bürgergeld zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern und somit bewusst ihre Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten beziehungsweise nicht vermindern“.

Kritik kommt von Sozialverbänden - Heil will Bürgergeld-Empfänger nicht unter Generalverdacht stellen

Deshalb hagelt es auch schon seit Wochen Kritik am Vorschlag der Regierung. IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban teilte am Sonntag mit: „Mehr Sanktionen und weniger Chancen beim Bürgergeld sind der falsche Weg. Sanktionen beim Bürgergeld dürfen nicht das Sparschwein der Regierung füllen.“ Wer Sanktionen in den Haushalt einplane, öffne die Tür zu willkürlichen Kürzungen. „Wer Bürgergeld empfangen muss, darf nicht noch einer Spar-Willkür ausgesetzt werden“, so Urban.

Heil betonte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „berlin direkt“: „Es ist vollkommen falsch, alle Menschen, die im Bürgergeld sind, unter den Generalverdacht zu stellen, dass sie faul sind. Das war immer ungerecht. Das ist auch nicht in Ordnung.“ Es gehe zum Beispiel um alleinerziehende Frauen, auch um Menschen mit Einschränkungen, die eine Chance brauchten, wieder in Arbeit zu kommen. Das seien die allermeisten. „Aber ich sage auch, dass diejenigen, die wiederholt zumutbare Arbeit ohne Grund ablehnen, nicht damit rechnen können, dass das auf Verständnis trifft, weder beim Sozialstaat noch in der Bevölkerung“, betonte Heil.

Arbeitsmarktforscher Weber sagte, beim Bürgergeld seien die Sanktionsmöglichkeiten im Vergleich zu früheren Hartz-IV-Zeiten gemäßigt. Die Anfang 2023 eingeführte Reform umfasst Kürzungsmöglichkeiten von 10 Prozent der Leistungen bei versäumten Terminen und von bis zu 30 Prozent bei absprachewidrig unterlassenen Bewerbungen oder Kursteilnahmen.

Die jüngsten Pläne aus dem Arbeitsministerium sehen außerdem vor, den Bürgergeldbonus von 75 Euro pro Monat wieder abzuschaffen. Eingeführt worden war er für Weiterbildungen, die nicht auf einen Berufsabschluss abzielen. Zum Ausgleich von Finanzierungsbeteiligungen des Bundes 2020 und 2021 soll die Bundesagentur für Arbeit zudem zum Ende der Jahre 2024 und 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro und Ende 2026 und 2027 jeweils 1,1 Milliarden an den Bund zurückzahlen.

Mit Material von dpa

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