Habecks Kritik an Israel trifft auf CSU-Entsetzen: „Öl ins Feuer“
Angesichts der aktuellen israelischen Bodenoffensive in Gaza kritisiert Habeck Netanjahus Vorgehen als Völkerrechtsbruch. Aus der CSU hagelt es Kritik.
Berlin – Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) hat Israels Vorgehen im Gaza-Krieg als Völkerrechtsbruch kritisiert. „Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen – mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“, sagte Habeck am Samstag (25. Mai) in einem Bürgergespräch beim Demokratiefest in Berlin.
„Das heißt, es ist in der Tat so, dass Israel dort Grenzen überschritten hat, und das darf es nicht tun.“ Gleichzeitig verwies der Grünen-Politiker darauf, dass die Hamas im Gazastreifen den Krieg sofort beenden könnte, wenn sie ihre Waffen niederlegen würde.
CSU kritisiert Habecks Aussagen scharf: „Antiisraelische Propaganda“ und „linker Antisemitismus“
CSU-Generalsekretär Martin Huber bezeichnete die Aussagen Habecks derweil als „unfassbar und beschämend“. Der Wirtschaftsminister gieße „Öl ins Feuer der ohnehin schon antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland“, schrieb er am Sonntag auf X. Huber warf Habeck vor, „das Narrativ der Hamas und der Israel-Hasser“ zu bedienen. Seine Äußerungen grenzten an Täter-Opfer-Umkehr. „Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen Propagandisten des linken Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“.
Habeck hatte Israel knapp eine Woche nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober in einer emotionalen Videobotschaft die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands zugesichert. „Israel hat alles Recht sich zu verteidigen. Und wir werden es dabei unterstützen, wo immer es unsere Unterstützung braucht“, bekräftigte er damals.
Die gesamte Bundesregierung, für die die Sicherheit Israels zur Staatsräson gehört, hatte sich lange Zeit mit Kritik an der Kriegsführung Israels zurückgehalten. Erst nach und nach wurden die Mahnungen an die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutlicher, vor allem, was eine mögliche großangelegte Bodenoffensive in der Stadt Rafah anbelangt.
In die Stadt im Süden des Gazastreifens waren Hunderttausende Palästinenser nach der israelischen Offensive im Norden des Landes geflüchtet, um in Flüchtlingslagern Schutz zu suchen. Die Bundesregierung äußerte immer wieder die Erwartung, dass sich Israel an das Völkerrecht hält. Der von Habeck geäußerte Vorwurf des Völkerrechtsbruchs ist aber neu.
Verfahren gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof: Haftbefehl für Netanjahu
Der Wirtschaftsminister verweist in seiner Äußerung auf Gerichtsverfahren gegen Israel. Bisher hat aber noch kein internationales Gericht Israel wegen Völkerrechtsbruchs verurteilt. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, hatte am Montag (20. Mai) Haftbefehle wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant beantragt. Darüber muss das Gericht aber noch entscheiden.
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Am Freitag hatte dann der Internationale Gerichtshof (IGH) Israel verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah sofort zu beenden. In der Eilentscheidung ließen die Richter in dem von Südafrika angestoßenen Verfahren aber die Frage offen, ob Israel einen Völkermord begehe. Diese müsse in einem Hauptverfahren geklärt werden. Präsident des Gerichts, Nawaf Salam bezeichnete die humanitäre Lage im Gazastreifen unterdessen als „katastrophal“.
Zwar forderte der IGH keine Waffenruhe im Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas, mit der Begründung, Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung, dennoch ist das Urteil ein Paukenschlag für Benjamin Netanjahu und seine Regierung.
„Ernsthafte Bedenken“ – US-Außenministerium kritisiert Israels Vorgehen im Gazastreifen stark
Das US-Außenministerium ist vor zwei Wochen in einem Bericht an den Kongress zu keinem klaren Ergebnis gekommen, was mögliche Verstöße der israelischen Streitkräfte gegen humanitäres Völkerrecht mit US-Waffen angeht. Aufgrund der Situation in dem Kriegsgebiet sei es schwierig, einzelne Vorfälle zu bewerten oder abschließende Feststellungen zu treffen, heißt es darin. „Es gibt jedoch genügend gemeldete Vorfälle, die Anlass zu ernsthaften Bedenken geben.“ Das Außenministerium habe von mehreren glaubwürdigen UN- und Nichtregierungsquellen Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen durch israelische Streitkräfte erhalten.
Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigten am Samstag die Warnungen der Bundesregierung vor einer großangelegten Militäroffensive in Rafah. „Unsere Aussage ist, dass die Kriegsführung immer so gemacht werden muss, dass sie die Regeln des Völkerrechts beachtet“, sagte Scholz bei einem Bürgergespräch in seinem Potsdamer Wahlkreis.
Präsident Biden kritisiert die Offensive gegen Rafah ebenfalls – und droht Netanjahu
„Deswegen sind wir auch immer sehr klar gewesen zu sagen: Eine Offensive in Rafah können wir uns nicht vorstellen ohne furchtbare, unverantwortbare menschliche Verluste.“ Habeck wies darauf hin, dass die Bundesregierung immer gesagt habe, „dass Israel diesen Angriff nicht vornehmen darf, jedenfalls nicht so, wie es davor im Gazastreifen umgegangen ist: Bombardements von Flüchtlingslagern und so weiter.“
Auch Präsident Joe Biden hatte zuvor angekündigt, eine israelische Bodenoffensive gegen die Stadt Rafah nicht zu unterstützen und der Regierung Israels gedroht, US-Rüstungsexporte zu stoppen, sollte es dennoch zu einer Offensive kommen. Netanjahu besteht weiterhin darauf, einen „totalen Sieg“ gegen die Hamas einzufahren und begründet somit die Offensive gegen die Stadt, in der sich laut Israel weiterhin Kämpfer der Terrororganisation aufhalten sollen. (dpa/sischr)
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