F-16-Kampfjets für die Ukraine: Erste Piloten sind bald fit für Krieg gegen Putin
Viel zu wenig und viel zu spät – die ersten zwölf ukrainischen Piloten sollen bald in den Luftkampf eingreifen können. Politiker bezweifeln den Sinn.
Kiew – Pat Ryder war skeptisch. Der Brigadegeneral ist Sprecher des US-Verteidigungsministeriums und hatte Piloten aus der Ukraine auf dem Luftwaffenstützpunkt Tucson, Arizona, begrüßt. Das war vor mehr als acht Monaten. Jetzt haben sie ihre Ausbildung wohl abgeschlossen und sind bereit, in ihren F-16-Jets, die gegen den Super-Kampfjet von Wladimir Putin ein Problem haben, aufzusteigen, um zu helfen, das Blatt im Ukraine-Krieg zu wenden. Davon berichtet aktuell das Magazin Politico – „ein entscheidender Schritt, um moderne Kampfjets amerikanischer Bauart in den ukrainischen Himmel zu bringen“, sagte Erin Hannigan. Die Sprecherin der Air National Guard hat Politico gegenüber aber die Auskunft über das Abschlussdatum und die Zahl der ausgebildeten Piloten verweigert – aus Sicherheitsgründen.
Das Magazin Air & Space Forces hatte im Februar von einer ersten Tranche von acht Piloten berichtet – unter Bezug auf die Air National Guard. Im laufenden Jahr sollen vier weitere Piloten geschult werden. Newsweek berichtet parallel von einer Meldung des britischen Verteidigungsministeriums, wonach bereits im März zehn Ukrainer eine britische Militärflugschule durchlaufen hätten und danach durch die französische Luftwaffe weiter geschult werden würden – erst danach würden sie ins Cockpit einer F-16 steigen.
F-16-Kampfjets gegen Russland: Die Hoffnungen der Ukraine ruhen auf jungen und unerfahrenen Piloten
Pat Ryder hatte aber bereits zu Beginn der Ausbildungspläne vor allzu hoch fliegenden Hoffnungen gewarnt. Der britische Guardian sprach von Äußerungen von US-Militärs, wonach eine jahrelange Ausbildung vonnöten sei, um F-16 effektiv im Kampf einsetzen zu können. Das beschränke den Einfluss dieser Flugzeuge auf die Verteidigung der Ukraine in der nahen Zukunft: „Es geht um die langfristige Unterstützung der Ukraine“, sagte Pentagon-Sprecher Ryder dem Guardian. „Es geht nicht um die Gegenoffensive, die sie gerade führen.“
„Nach Angaben der US Air Force werden die USA bis Ende 2024 voraussichtlich nur zwölf Piloten aus der F-16-Ausbildung entlassen. Zwölf ukrainische Piloten auszubilden, ist einfach nicht genug. Die Ukraine befindet sich im Krieg und die Plätze für die Ukraine müssen gegenüber anderen Ländern Vorrang haben.“
Den womöglich begrenzten Wert der Piloten hatten auch andere Stimmen angedeutet: Bis zu fünf Jahre sollen bis zur Einsatzfähigkeit eines F-16-Piloten vergehen, sagte James B. Hecker im vergangenen Oktober. Der Kommandeur der US Air Forces in Europa äußerte gegenüber der Flugrevue auch Bedenken dahingehend, „dass die ersten Kandidaten aus der Ukraine dem Vernehmen nach sehr jung sind und daher noch nicht über große fliegerische Kenntnisse verfügen haben“, wie die Flugrevue über Heckers Einschätzung schreibt.
F-16-Kampfjets für die Ukraine: Bundeswehr benötigt fünf Jahre für die Ausbildung eines Piloten
Die Piloten hätten ein relativ standardisiertes Trainingsprogramm durchlaufen, wie Air & Space Forces berichtet, allerdings mit einem speziellen Zuschnitt auf ihre Bedürfnisse. Im August 2024 sollen die Piloten ihre Ausbildung endgültig abgeschlossen haben – die westlichen Ausbilder hatten auf einen kürzeren Zeitraum gehofft als rund zehn Monate. „Wir müssen einen voll einsatzfähigen Kampfpiloten bereitstellen“, erklärte Michael A. Loh gegenüber den Medien. „Wir denken langfristiger, daher haben sich einige der Anforderungen an sie geändert, was einen etwas längeren Zeitrahmen erforderlich macht“, so der Generalleutnant und Direktor der Air National Guard in Air & Space Forces. Ihm zufolge lief das Training aber „großartig“.
Meine news
Zur Beherrschung eines Eurofighters, wie ihn beispielsweise die Bundeswehr nutzt, brauchen Flugschüler fünf bis sechs Jahre – die Ausbildung kostet rund fünf Millionen Euro, wie der Businessinsider berichtet. Demnach umfasst sie die fliegerische Erstausbildung in Deutschland und die Grundausbildung zum Jetpiloten im Nato-Trainingslager in den USA. Erst danach folge die 35-wöchige Spezialisierung auf den Eurofighter wieder in Deutschland. Für erfahrene Piloten dauere die Ausbildung für die F-16 möglicherweise etwa fünf Monate, sagte Ryder laut dem Guardian: „Die Kurse, die die Grundlagen abdecken, könnten neben dem Fliegen des Flugzeugs auch Formationsflug, Waffenbedienung, Luftkampf und die Unterdrückung von Luftabwehrsystemen umfassen.“
F-16-Kampfjets im Ukraine-Krieg: US-Politikern ist das Dutzend ausgebildeter Piloten viel zu wenig
Am Ende ihrer Ausbildung sind die Piloten auf einen, auf „ihren“ Flieger geschult. Der Umstieg zieht wiederum eine Ausbildung nach sich. Auch die sei aufwendig, wie die Deutsche Welle am Beispiel des ehemaligen Bundeswehr-Piloten Joachim Vergin belegt: „Als Vergin vom Kampfjet Phantom auf den Tornado umstieg, dauerte die Schulung sieben Monate.“ Die Piloten lernen neben den fliegerischen Kniffen auch, ein komplexes Waffensystem zu beherrschen. Und auch das unter Hochdruck. „Es gibt Unterschiede zwischen militärischer und ziviler Luftfahrt, von der Art zu lernen. Es geht alles viel schneller und muss dann sitzen“, sagt Gabriel. Den jungen, in Augsburg geborenen Bayern, dessen Nachnamen sie verschweigt, stellt die Bundeswehr auf ihrer Homepage vor, um Bewerbern die Militär-Fliegerei schmackhaft zu machen.
„,Als Kind wollte ich Astronaut oder Jetpilot werden. Ein Großonkel von mir war beim Jagdbombergeschwader 32 in Lagerlechfeld, ein anderer war Privatpilot‘“, zitiert ihn die Bundeswehr. „Filme wie ,Top Gun‘ und ,Apollo 13‘ gehörten zu seinen Lieblingsfilmen.“ Laut Air & Space Forces werde die Ausbildung der jungen Ukrainer aber eher keinen hollywoodreifen Ausgang nehmen: „Einige US-Gesetzgeber bezweifeln, dass das Ausbildungsprogramm angemessen ist“, schreibt das Magazin und stützt sich auf einen offenen Brief, der Mitte Mai den amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin erreicht hat.
Darin äußerten Politiker beider politischer Lager Zweifel am Nutzen des Dutzends halb fertiger Piloten. Zu den Unterzeichnern gehören Michael Turner, der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, und neben anderen Abgeordneten auch Jim Himes, der ranghöchste Demokrat im Ausschuss. Die Unterzeichner loben demnach den „ermutigenden Schritt“ – fragen sich aber, was der im Endeffekt bewirken soll: „Nach Angaben der US Air Force werden die USA bis Ende 2024 voraussichtlich nur zwölf Piloten aus der F-16-Ausbildung entlassen. Zwölf ukrainische Piloten auszubilden, ist einfach nicht genug. Die Ukraine befindet sich im Krieg und die Plätze für die Ukraine müssen gegenüber anderen Ländern Vorrang haben.“
Russland setzt 300 Kampfflugzeuge in der Ukraine ein: Kiew braucht mehr F-16-Kampfjets
In seiner Kritik fährt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mittlerweile schweres Kaliber auf. „Die Russen setzen 300 Flugzeuge auf dem Territorium der Ukraine ein. Wir brauchen mindestens 120, 130 F-16-Flugzeuge, um am Himmel Widerstand zu leisten“, sagt er aktuell in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Laut der Tagesschau soll die Ukraine 61 F-16 aus Norwegen, Dänemark, den Niederlanden und Belgien erhalten, der Zeitpunkt der Ankunft ist ungewiss. Den litauischen Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas zitiert Newsweek damit, dass seiner Einschätzung nach die erste Ladung F-16 irgendwann im Juni in der Ukraine eintreffen würde. Newsweek berichtet darüber hinaus von Aussagen beispielsweise des belgischen Premierministers Alexander De Croo und seiner Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder, dass die versprochenen Jets ihres Landes bis zum Jahresende in Kiew eintreffen würden.
Bedrückende Nachrichten für Selenskyj, wie er Reuters gegenüber klarstellt: „Jede Entscheidung, zu der wir und dann später alle gemeinsam kommen, verspätet sich um etwa ein Jahr.“ Ihm ist im Westen vor allem ein Umdenken wichtig – in Bezug auf die Lieferung gebrauchsfertiger Waffen oder ausgebildeter Kräfte: „Aber es ist, was es ist: ein großer Schritt vorwärts, aber vorher zwei Schritte zurück. Wir müssen also das Paradigma ein wenig ändern.“ (Karsten Hinzmann)
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!