Wehrdienst-Hammer: Zwölf Prozent weniger Vermögen fürs ganze Leben – Berufsarmee wäre billiger
Das Kabinett billigt Pistorius’ Wehrdienst-Gesetzentwurf. Doch die Union fordert eine Verschärfung der Wehrpflicht. Die Kosten könnten enorm sein.
Berlin – Nachdem das Bundeskabinett den Wehrdienst-Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch gebilligt hat, kann er nun zu parlamentarischen Beratungen in den Bundestag eingebracht werden. Dem voran ging Kritik von Unionsvertretern, die sich mit der Grundstruktur des auf Freiwilligkeit basierenden Wehrdienstes nicht zufriedengeben und eine Verschärfung der Wehrpflicht fordern.
Sollte das von Pistorius veranschlagte neue Wehrdienstgesetz der Bundeswehr nicht signifikant mehr Personal bringen, könnte letztendlich aber doch noch die Option greifen, die Wehrpflicht flexibel zu aktivieren, so der Gesetzentwurf. Während die Wehrdienst-Debatte noch lange nicht am Ende ist, hat das ifo-Institut nun die gesellschaftlichen Kosten berechnet, die eine Rückkehr zu Wehrpflicht und Wehrersatzdienst verursachen dürften.
Ifo-Studie beziffert gesamtgesellschaftliche Kosten des Wehrdienstes mittels dreier Modelle
Um die gesellschaftlichen Kosten einer Wehrpflicht und eines Wehrersatzdienstes zu ermitteln, legten die Forscher des Münchner ifo-Institutes ihrer Erhebung drei verschiedene Modell-Szenarien zugrunde: Einmal das sogenannte Fünf-Prozent-Szenario, bei dem eben jener Prozentsatz der Angehörigen eines Jahrgangs zum Wehrdienst eingezogen wird – orientiert ist das am schwedischen Wehrdienst-Modell, das auch Pistorius’ Gesetzentwurf als Vorbild nimmt.
Das 25-Prozent-Modell entspricht Deutschlands alter Wehrpflicht, die hierzulande am 1. Juli 2011 ausgesetzt wurde. In der ifo-Studie wurde sie von den Forschern als Vergleichswert heran gezogen. Doch auch die gesellschaftlichen Kosten eines Wehrdienst-Pflichtjahres wurden von den Wissenschaftlern des ifo-Instituts berechnet: Hierfür wurde also ein 100-Prozent-Szenario modelliert, bei dem der gesamte Jahrgang zum Wehrdienst eingezogen wird. Ausgegangen wurde dabei von einem monatlichen Lohn von 1000 Euro.
Die Kosten der Wehrpflicht entstehen auf mehreren Ebenen zugleich: Einerseits auf der Seite der Wehrdienstleistenden, aber auch durch Verluste auf Ebene der Volkswirtschaft und durch Kosten, die auf staatlicher Seite für die Finanzierung des Wehrdienstes anfallen. Die Studienautoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland gesamtwirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe mit sich bringen würde.
Das Bruttonationaleinkommen würde laut ifo-Studie durch Wehrdienst deutlich sinken
Bedacht werden muss den Studienautoren zufolge, dass Wehrpflichtige bei einer Bundeswehr-Verpflichtung von einem Jahr nur verzögert mit Bildungsinvestitionen und dem Vermögensaufbau beginnen können. Das führe in allen drei Modellszenarien dazu, dass Wehrdienstleistende im Laufe ihres Lebens knapp zwölf Prozent weniger Vermögen anhäuften dürften als der Status Quo.
Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene habe das „drastische Folgen“, schreiben die Studienautoren in ihrem Forschungsbericht. Je nachdem, wie viele Wehrdienstleistende eingezogen werden, tragen diese selbst bereits wirtschaftliche Verluste von bis zu 79 Milliarden Euro – pro Jahr, schreibt der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ausgehend von der Ifo-Erhebung. Beim Verpflichten eines ganzen Jahrgangs würde das Bruttonationaleinkommen (das frühere Bruttosozialprodukt) um etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr schrumpfen. Im Fünf-Prozent-Szenario beträgt der Rückgang 3,4 Milliarden Euro.
Eine Berufsarmee wäre für den Staat günstiger als der Wehrdienst
Als Vergleichswert zogen die ifo-Wissenschaftler auch die Kosten einer Berufsarmee mit attraktiveren Bedingungen wie etwa höheren Gehältern für die Wehrdienstleistenden heran, die auch als Marktlösung bezeichnet wird. Im Zuge der Marktlösung würden die gesamtgesellschaftlichen Kosten durch Begrenzen privaten Konsum mit drei Milliarden Euro im Fünf-Prozent-Szenario, 14 Milliarden Euro im 25-Prozent-Szenario und 56 Milliarden Euro im 100-Prozent-Szenario deutlich geringer ausfallen.
„Sofern also ein bestimmtes Szenario aus sicherheitspolitischen Erwägungen umgesetzt werden soll, so ist eine Marktlösung aus Effizienzgründen zu präferieren“, schreiben die Studienautoren in ihrem Forschungsbericht. Mit ihr seien die Bundeswehr-Kapazitäten in gleichem Maße wie bei einer Wehrpflicht zu steigern, wobei sie jedoch günstiger ausfallen würden. (fh)