„Investitionskatastrophe“: Warum die deutsche Wirtschaft schrumpft
Der erhoffte Aufschwung der deutschen Wirtschaft bleibt aus, sie schrumpft sogar. Ein Experte spricht von einer „Investitionskatastrophe“ und warnt vor „Deindustrialisierung“.
Berlin – Doch kein Aufschwung: Entgegen der Hoffnungen und Prognosen von Ökonomen ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands ging um 0,1 Prozent zurück. Damit ist auch der Aufwärtstrend vom Jahresbeginn zunächst abgeebbt. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, dem Dachverband der Metall- und Elektroindustrie, überrascht das nicht: „Wir haben eine ganz schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland.“
Die Unternehmen hätten sich von der Rezession 2019, der Corona-Pandemie 2020 und dem Ukraine-Krieg seit 2022 bislang nicht erholen können, erklärte Zander im Interview mit der Wirtschaftswoche mit Blick auf die Metall- und Elektroindustrie. Diese gehört mit etwa 26.000 Unternehmen und 3,9 Millionen Beschäftigten zu den Schlüsselindustrien in Deutschland. „Aktuell liegt die Produktion 15 Prozentpunkte unter dem Vorkrisenniveau von 2018.“ Eine Ursache sei, dass Kunden verbuchte Aufträge „kaum oder nur zögerlich“ abrufen, was sich negativ auf die Auslastung der Unternehmen auswirke. Eine Besserung sei nicht zu erwarten.
„Investitionskatastrophe“: Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig?
Ein weiteres Problem sind laut Zander fehlende Investitionen. „Wir [erleben] gerade eine regelrechte Investitionskatastrophe.“ Bei den direkten Investitionen der Unternehmen in Deutschland seien seit 2021 im Saldo 300 Milliarden Euro abgeflossen, erklärte Zander gegenüber der Wirtschaftswoche. Fast täglich würden sich Unternehmen gegen den Standort entscheiden oder Stellen abbauen. Die Entscheidungen der Unternehmen sollen als „Warnsignal“ verstanden werden, „denn wir verlieren mit jedem Industriearbeitsplatz enorm an Wertschöpfung“.
Investitionen finden vermehrt im Ausland statt, „weil die Standortbedingungen in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig“ seien. Das habe zur Folge, dass immer älter werdende Fabriken und Maschinen in Deutschland mit Standorten konkurrieren müsse, wo investiert werde und neue Fabriken entstehen. „International werden wir immer weiter abgehängt“, sagte Zander.
Verbandschef Zander fordert Handeln – und warnt vor stärkerer Deindustrialisierung in Deutschland
„Wenn jetzt nicht zeitnah umgesteuert wird, werden wir eine noch stärkere Deindustrialisierung erleben“, warnte der Chef des Verbands der Metall- und Elektroindustrie. Im Wachstumspaket der Ampel-Koalition seien „viele gute Maßnahmen drin, von verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten bis hin zum Bürokratieabbau“, räumte Zander ein. Es seien jedoch nur „einzelne kleine Stellschrauben“.
„Wir brauchen aber eine echte Strukturreform hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, weil wir eben nicht nur konjunkturelle, sondern tiefgreifende strukturelle Probleme haben“, sagte Zander der Wirtschaftswoche. Als Probleme der deutschen Wirtschaft nannte er hohe Sozialversicherungsabgaben, fehlende Fach- und Arbeitskräfte, die Infrastruktur, Digitalisierung, Bürokratie und „die international hohe Last bei den Unternehmenssteuern“. Zudem bräuchten „wir schnellstmöglich wettbewerbsfähige Energiepreise“.
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„Richtig investieren“ zur Stärkung der deutschen Wirtschaft
Weitere Schulden wie etwa für das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgeschlagene Investitionspaket oder das vom Bundesverband der Industrie ins Spiel gebrachte Sondervermögen von 400 Milliarden Euro hält Zander für „völlig absurd“. Die Steuereinnahmen müssten richtig priorisiert werden. Er verwies dabei etwa darauf, dass immer mehr Mittel des Bundes ins Soziale flössen. Eine Ausnahme würde er jedoch für Verteidigung machen.
Er forderte die Bundesregierung auf, zu machen, „was jeder gute Unternehmer in Deutschland“ mache. „Richtig investieren und jede Position, die nicht gebraucht werde, zu streichen“, sagte Zander.