FDP-Chef Lindner auf Wendekurs: Tiger oder Bettvorleger

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Die Feindseligkeiten innerhalb der Ampel-Koalition haben einen Höhepunkt erreicht, kommentiert „Münchner Merkur“-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Tobias Schwarz/AFP/Klaus Haag/Montage:IPPEN.MEDIA

Bundesfinanzminister Christian Lindner stoppt das Rentenpaket der Regierung und verlangt die „Haushaltswende“. Er will Sozialkürzungen durchsetzen – oder die Koalition beenden. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

München – In der FDP schreiben sie gerade viele Briefe an die Ampelpartner. Schon der „12-Punkte-Plan zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ kurz vor dem liberalen Parteitag wurde in Berlin als „Scheidungsbrief“ gelesen. Heute folgt das nächste, noch schärfere Wende-Ultimatum. Parteichef Christian Lindner lässt sein Präsidium auch noch über einen „5-Punkte-Plan für eine generationengerechte Haushaltspolitik“ abstimmen. Damit erhöht er den Druck auf die Partner massiv, aber er mauert sich auch selbst ein: Wenn SPD und Grüne in den Etatverhandlungen zur Überbrückung der riesigen Milliardenlücke nicht klipp und klar die Einhaltung der Schuldenbremse und Einsparungen bei den Sozialausgaben akzeptieren, platzt das Rentenpaket – und die Koalition.

Das von der FDP verlangte Junktim zwischen Sozialkürzungen und die der SPD heiligen Rentenpolitik markiert den bisherigen Höhepunkt gegenseitiger Feindseligkeiten, mit denen sich die Ampelpartner seit Tagen traktieren. Erst zeigten die Minister(innen) Baerbock, Schulze, Faeser und Heil dem FDP-Finanzminister den Stinkefinger, indem sie statt der zugesagten Einsparungen Ausgabenmehrungen für ihre Ressorts anmeldeten. Darauf giftete der brüskierte FDP-Chef gegen Außenministerin Baerbock (Grüne) und Entwicklungshilfeministerin Schulze (SPD), man müsse jetzt „Frieden und Freiheit für Deutschland sichern“, „nicht Radwege in Peru bauen“.

„Wirtschaftswende“? Ampel streitet weiter um den Bundeshaushalt

SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius wiederum konterte mit einer scharfen Attacke auf Lindner – Verteidigung sei jetzt wichtiger als die Schuldenbremse. Keine Deeskalation zur Rettung der wankenden Koalition, kein Aufeinanderzugehen, nirgends. Vor allem zwischen FDP und SPD dreht sich die Eskalationsspirale, und der sich schon im Wahlkampf gegen Merz wähnende „Friedens-“ und Mindestlohn-Kanzler unternimmt nichts, um sie zu stoppen.

Schwer vorstellbar, dass sich die Ampelpartner angesichts der fundamentalen politisch-weltanschaulichen Differenzen und der inzwischen ins Persönliche reichenden Verletzungen tatsächlich noch zur dringend nötigen „Haushaltswende“ zusammenraufen können. Gelingt dies nicht, ist die Koalition am Ende. Lindner setzt zum Sprung an, um das Land vor dem Abstieg und seine Partei vor dem Untergang zu retten. Doch muss der FDP-Tiger nun auch durchziehen, wenn er nicht als Bettvorleger landen will.

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