Bei einem Info-Abend machten zahlreiche Steingadener Grundstücksbesitzer ihrem Ärger Luft. Sie fühlen sich von den Verbesserungsbeiträgen, die die Gemeinde erhebt, überrumpelt. Bürgermeister Max Bertl bemühte sich um Versöhnung.
Steingadens Bürgermeister Max Bertl war die Anspannung am Mittwochabend anzumerken. Der Rathaus-Chef ahnte wohl bereits, dass die nächsten Stunden nicht einfach für ihn werden würden. Und so sollte es auch kommen. Einige Bürger nutzten den Info-Abend zum Thema Wasser- und Abwasserversorgung im Steingadener Pfarrsaal, um mit Bertl und der Gemeinde abzurechnen.
Hohe Kosten kurz vor Weihnachten: „Leute sind geschockt“
Doch was war passiert? Die Gemeinde Steingaden legt die Kosten für Arbeiten an der Wasser- und Abwasserversorgung, dazu gehören unter anderem der Hochbehälter-Bau in Fronreiten und der Anschluss an die Kläranlage Lechbruck, auf die Bürger um. 65 Prozent dieser Kosten müssen die Grundstückseigentümer über sogenannte Verbesserungsbeiträge zahlen. Die anderen 35 Prozent werden über die Verbrauchsgebühren abgerechnet. Die erste Verbesserungsbeitragszahlung ist bereits zum 30. November fällig, die Bescheide haben die betroffenen Bürger Mitte Oktober erhalten (wir berichteten).
Unsere Informationsrechte als Bürger wurden verletzt.
Zum Teil kommen auf die Steingadener kurz vor Weihnachten Kosten in Höhe von mehreren Tausend Euro zu. Kosten, auf die viele nicht vorbereitet waren, da sie sich nicht richtig informiert fühlten. „Die Dimension hat die Leute geschockt“, war aus der Bürgerschaft zu hören – für manche könne es sogar „existenzbedrohend“ werden.
Bürger krisieren mangelnde Information
Kritisiert wurde zudem, dass seitens der Gemeinde im Vorfeld „keine einzige Zahl“ genannt worden sei. „Unsere Informationsrechte als Bürger wurden verletzt“, prangerte ein Steingadener an.
„Ich würde das nicht mehr so beschließen, ohne vorab zu informieren“, erklärte Bertl und räumte „Fehler in der Kommunikation“ ein. Gleichzeitig betonte er, dass die Gemeinde rechtlich dazu verpflichtet sei, die Kosten umzulegen. „Die Öffentlichkeitsarbeit war ein Desaster“, sagte Gemeinderat Ludwig Georg Straub: „Die Leute waren darauf nicht vorbereitet.“ Auch Gemeinderätin Roberta Leimbach zeigte Verständnis für die Verärgerung der Bürger. „Die Tragweite war uns nicht ganz klar“, erklärte Leimbach.
Vorschlag: Stattdessen Abwassergebühr stärker erhöhen
Warum die erste Verbesserungsbeitragszahlung schon so kurz nach Bekanntwerden fällig sei, wurde Bertl gefragt. Man sei von der Kommunalaufsicht dazu gedrängt worden, sagte der Rathaus-Chef. „Jetzt kommt‘s raus“, schallte es durch den Saal.
Einige der Anwesenden sprachen sich dafür aus, einen höheren Anteil der Kosten über die Abwassergebühren abzurechnen: „Wer viel verbraucht, soll auch mehr zahlen“, so der Tenor. Max Bertl zeigte sich davon nicht überzeugt. „Dann würden wir andere Gruppen benachteiligen“, meinte der Bürgermeister und verwies auf die Mieter. Deshalb möchte Bertl an der 65/35-Prozent-Regelung festhalten.
Wäre ein Ratsentscheid denkbar?
Julian Riess, der als Reaktion auf das Vorgehen der Gemeinde eine Bürgerinitiative gegründet hatte, forderte mehr Mitspracherecht für die Bürger und verwies auf die Möglichkeiten der direkten Demokratie. Die Gemeinde könnte ein Ratsbegehren auf den Weg bringen und über den Verteilungsschlüssel zwischen Verbesserungsbeiträgen und Verbrauchsgebühren abstimmen lassen, schlug Riess vor. Das mache vor allem bei klassischen Ja/Nein-Fragen Sinn, konterte Gemeinderat Straub, was bei diesem Thema allerdings nicht der Fall sei.
Bürger kündigt rechtliche Schritte an
Ein Bürger kündigte bereits an, rechtliche Schritte zu gehen: „Wenn der Bescheid vor Gericht geht, fällt der euch durch.“ Der ebenfalls anwesende Geschäftsstellenleiter der Gemeinde, Peter Lutz, sah das erwartungsgemäß anders: „Die Bauverwaltung hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide.“
Von mehreren Bürgern wurden der Bürgermeister und die Gemeinde dazu aufgefordert, die Bescheide zurückzunehmen. Doch sie wurden enttäuscht. „Die Bescheide bleiben bestehen“, lautete das Bertl-Basta.
Am Ende des rund dreistündigen Info-Abends kündigte der Rathaus-Chef bereits an, dass es eine erneute Veranstaltung geben soll. Bertl hofft, dass durch den Dialog „die Wunden wieder heilen können“.