Bericht zu Selenskyj-Wende im Ukraine-Krieg: Pläne über Waffenstillstand offenbar durchgesickert

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Der Ukraine-Krieg zieht sich hin, doch Präsident Selenskyj scheint bereit für Zugeständnisse. Könnte dies das lang ersehnte Ende bedeuten?

Rom/Kiew/Paris - Die italienische Zeitung Corriere della Sera berichtet, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj offenbar bereit für einen Waffenstillstand ist. Im Gegenzug verlangt er „eine Sicherheitsgarantie der Vereinigten Staaten nach dem Vorbild derer, die die Amerikaner Japan, Südkorea und den Philippinen gegeben haben“.

Zuvor hatte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in Paris empfangen, noch bevor dieser am Freitag zu Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Berlin reist. Das kündigte der Élysée-Palast an. Die separaten Reisen von Selenskyj nach Paris und Berlin folgen auf die Verschiebung des großen Ukraine-Solidaritätsgipfels in Ramstein, der eigentlich am Samstag geplant war.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagiert, als er am 10. Oktober 2024 zu einem bilateralen Treffen in der Downing Street 10 im Zentrum Londons ankommt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat konkrete Vorstellungen vom Ende des Ukraine-Kriegs. Doch nun könnte er von seinen Bedingungen abweichen. © Henry Nicholls/AFP

Selenskyj tourt mit Siegesplan für Ukraine-Krieg durch Europa

Selenskyj hatte lange Zeit einen sogenannten Siegesplan für den Krieg in der Ukraine in Aussicht gestellt. Die Einzelheiten dieses Plans sollten auf dem Ukraine-Gipfel in Ramstein diskutiert werden. Allerdings musste das Treffen aufgrund der Absage von Joe Biden wegen des Hurrikans „Milton“ verschoben werden. Der Krieg, den Russland führt, dauert indes an und beide Seiten verzeichnen hohe Verluste.

Selenskyj hatte gehofft, mit einer eigenen Offensive den Kriegsverlauf zu seinen Gunsten zu verändern, nachdem Russlands Frühjahrsoffensive gescheitert war. Doch auch dieses Unterfangen misslang. Kiew beharrte in den letzten Monaten auf ihren unverhandelbaren Bedingungen für ein Kriegsende. Nun scheint sich jedoch etwas zu ändern. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg berichten mehrere Quellen aus dem Nato-Umfeld, dass Selenskyj „flexibler“ in Bezug auf mögliche Zugeständnisse wird, die den Ukraine-Krieg beenden könnten. Details sind bislang nicht bekannt.

Bisher kein Ende des Ukraine-Kriegs: Selenskyj wird wohl „flexibler“

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Russland setzt immer wieder mit großem Personaleinsatz und hohen Verlusten auf Vorstöße in der Ostukraine. Aber auch die Verteidiger haben in den letzten Monaten mit ihrer Kursk-Offensive einen Gegenschlag gegen Wladimir Putin gestartet. Das Institute for the Study of War berichtet in seinen täglichen Analysen regelmäßig von heftigen Kämpfen und neuen Gebietsgewinnen. Die Situation im Ukraine-Krieg ist weiterhin sehr dynamisch.

Ein Ende des Krieges scheint angesichts dieser Entwicklungen noch weit entfernt. Doch laut Bloomberg könnten die Bedingungen für Verhandlungen mittlerweile besser sein. Es scheint, als wäre Selenskyj zunehmend bereit, territoriale Zugeständnisse an Russland zu machen und die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu überdenken. Dies wäre eine radikale Abkehr von Kiews bisheriger Position im Krieg. Je länger der russische Angriffskrieg andauert, desto wahrscheinlicher wird eine Abkehr von der bisherigen Linie.

Bedingungen für Ende des Ukraine-Kriegs: Selenskyj setzt auf Siegesplan gegen Russland

Bislang hatte Selenskyj immer wieder öffentlich betont, dass ein Ende des Ukraine-Kriegs nur möglich sei, wenn Russlands Streitkräfte vollständig aus den besetzten Gebieten abziehen. Zudem bestand der ukrainische Präsident immer wieder auf eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes. Doch angesichts der bevorstehenden Wintermonate scheint sich diese Haltung zu ändern. Bloomberg berichtet, dass ukrainische Politiker signalisiert haben, sie seien bereit, die Möglichkeit anderer Bedingungen für das Kriegsende anzuerkennen.

Selenskyjs ursprünglicher Siegesplan für den Krieg sah vor, mit westlicher Unterstützung ein Ende des Kriegs zu ukrainischen Bedingungen zu erzwingen. Die Details sollten am Samstag in Ramstein besprochen werden. Bisher konnte Selenskyj seine Verbündeten jedoch nicht vollständig von seinem Plan überzeugen.

Selenskyj weicht von Siegesplan ab: neue Bedingungen für Ende des Ukraine-Kriegs möglich

Laut dem Bloomberg-Bericht könnte sich insbesondere bei der Nato-Mitgliedschaft eine Alternative abzeichnen. Demnach könnten die USA Kiew stattdessen umfangreiche Sicherheitsgarantien geben. Während aktuell keine Verhandlungen über ein Kriegsende in Sicht sind, sollen US-Beamte die Regierung in Kiew dazu aufgefordert haben, darzulegen, was sie bis zum nächsten Jahr im Kampf gegen Wladimir Putin benötigt, um den Druck auf die russischen Streitkräfte aufrechtzuerhalten.

Mit Blick auf die kommenden Wintermonate scheinen Kiews Aussichten auf weitere Erfolge im Krieg gering zu sein. Forbes berichtet, dass Russland im Osten unaufhaltsam an Boden gewinnt, ukrainische Siedlungen zerstört und Zivilisten tötet, während die ukrainische Armee weiterhin unterlegen und überfordert ist. Sollte es dennoch zu einem Waffenstillstand kommen, könnte der Kreml diesen Zustand für seine eigenen Interessen ausnutzen.

Lage im Ukraine-Krieg weiter ungewiss: Ende nicht in Sicht – Druck auf Selenskyj wächst

Der Forbes-Bericht legt nahe, dass ein schnelles Ende des Kriegs und ein einfacher Frieden in der Region eine Illusion sind. Selbst wenn die Ukraine weiterhin eine Nato-Mitgliedschaft anstrebt, scheint Russland vorbereitet zu sein und Zeit zu haben: Laut Vertragsrecht akzeptiert die Nato keine neuen Mitglieder, die sich mitten in einem Konflikt oder sogar in einem eingefrorenen Konflikt befinden. Sollte es also zu einem Waffenstillstand im Krieg kommen, würde dieser Kiew nur bedingt nützen. Hinzu kommt, dass die zukünftige Unterstützung für die Ukraine durch die westlichen Partner immer unsicherer wird.

Selenskyj ist sich dessen bewusst – vermutlich hat er deshalb zuletzt seinen Siegesplan so stark vorangetrieben. Sollte etwa Donald Trump die kommende US-Wahl gewinnen, hat der republikanische Kandidat bereits angekündigt, den Krieg schnell beenden zu wollen – und nicht unbedingt zu Kiews Bedingungen. Europäische Länder sehen bereits eine Gefährdung der zukünftigen US-Hilfe für die Ukraine. Für Europa erhöhen auch die Haushaltszwänge den Druck auf die Ukraine-Hilfen. Eine mögliche Abkehr Selenskyjs von seinen ursprünglichen Bedingungen könnte daher angesichts der Herausforderungen der kommenden Monate unabdingbar werden. (fbu)

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