Fride Wirtl-Walser und ihre „Maltechnischen Memoiren“

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Fride Wirtl-Walsers Heiligenbilder: Das Malen von Heiligenbildern sowie von traditionellen Motiven und Vorlagen in Hinterglas- und Spiegel-Technik dienten zum Lebensunterhalt der heute 92-Jährigen. © Gerhard Heiß

Die „Spiegelbilder“ der Peitinger Künstlerin Fride Wirtl-Walser gehören zu den kostbaren Raritäten, bewundert auf Ausstellungen in der ganzen Welt. Sie sind so einzigartig, dass auch das Bayerische Fernsehen ihre Arbeit in mehreren Filmen gewürdigt hat. Derzeit stellt sie Bilder in Garmisch-Partenkirchen aus.

Peiting – Was sich dem Betrachter durch Fride Wirtl-Walsers Werke bietet, ist eine Synthese aus Hinterglasbild und Spiegel – ein Spiegelbild in mehrfacher Hinsicht. Es entstehen ständig neue Blicke und Einblicke, aus jeder Sichthöhe, zu jeder Tageszeit, an jedem Ort kann das Dargestellte immer wieder anders wirken.

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In fortgesetzten Experimenten hat sich die Hinterglasmalerin alte Techniken wie Goldradierung, Glaskupfer, Schichtenbild und Diarama erarbeitet sowie neue Möglichkeiten in der Hinterglasbearbeitung erprobt. Ihre Besonderheit aber ist, dass sie als letzte „Spiegelmacherin“ ihre Scheiben nach einem alten überlieferten Rezept in handwerklicher Manier mit Spiegelbelag versieht, der dann immer wieder zwischen den phantastisch-versponnenen Form- und Farbkompositionen aufscheint.

Das Rezept für die fast ausgestorbene Kunstfertigkeit der Silberverspiegelung hat sie von einem alten Wiener Spiegelmacher erhalten, im Lauf der Jahre leicht verändert und ihre Arbeitsweise angepasst, bis sie in ihrer Erscheinung zu den unverwechselbaren „Spiegeln“ der Fride Wirtl-Walser wurden.

Rezeptur-Weitergabe ein Herzensanliegen

Die Spiegelmacher-Rezeptur war über Jahrhunderte ein Familiengeheimnis einer „Spiegelbelegerei“ in Wien. „Erst als Herr Resl ohne Nachfolger in Pension ging, übergab er mir Ende der 1970-er Jahre großzügig sein Rezept“, erinnert sich Wirtl-Walser noch genau an diesen glückseligen Moment. Leider ohne ihr den genauen Arbeitsablauf in seiner Werkstatt gezeigt zu haben. Dies musste sie sich alles selbst beibringen, zuerst mit vielen Fehlschlägen, aber auch Überraschungen und gelegentlich begeistertem Gelingen. Bis heute entdeckt sie immer wieder eine noch bessere Vorgehensweise.

Die „Maltechnischen Memoiren“ sind ein kostbares Vermächtnis. Mit auf dem Bild Puppe „Fritz“ mit der Walser Tracht.
Die „Maltechnischen Memoiren“ sind ein kostbares Vermächtnis. Mit auf dem Bild Puppe „Fritzi“ mit der Walser Tracht. © Gerhard Heiß

„Weil ich 20 Jahre meine Mutter gepflegt habe, arbeitete ich vorwiegend nachts“, blickt die 92-jährige Künstlerin zurück. Nachts hat Wirtl-Walser eine Welt hinter Glas gebannt, die profane und religiöse Ikonographien umgreift. Über 2500 Hinterglaswerke sind so entstanden. Von kleinformatigen Medaillons (3 x 4,5 cm) bis hin zu in der Hinterglasmalerei seltenen Großformaten wie das 1989 entstandene Bild „Das große Welttheater“ (240 x 300 cm). Wie sehr ihre Kunst im öffentlichen Leben Anerkennung findet, besagt allein der Umstand, dass sie mit der Gestaltung des Portals des Künstlerhauses in München betraut wurde.

Buch als Nachlass geschrieben

Um ihre Rezepte nicht „mit ins Grab zu nehmen“ und weil sie nie einen Schüler oder Praktikanten hatte, plante Wirtl-Walser ein Buch für Museen als Nachlass und Hilfe für künftige Künstler. Doch in Zusammenarbeit mit Constanze Werner, der Leiterin des Museum Werdenfels, Andrea Sorg vom Oberammergau Museum und der Restauratorin Simone Bretz aus Mittenwald, ist daraus ein Buch zum Lesen geworden, das ein Leben mit und für die Hinterglaskunst beschreibt.

Mit Motiven und Beweggründen aus ihrer näheren Umgebung hat sich Fride Wirtl-Walser auch oft befasst. So wie in diesem Bild mit dem Fund der Moorleiche Rosaminde.
Mit Motiven und Beweggründen aus ihrer näheren Umgebung hat sich Fride Wirtl-Walser auch oft befasst. So wie in diesem Bild mit dem Fund der Moorleiche Rosalinde. © Gerhard Heiß

Geradezu begeistert zeigt sich Werner, die das Schaffen von Wirtl-Walser über Jahrzehnte mit begleiten durfte: „Das Buch ist ein Kompendium aller Hinterglastechniken, unglaublich vieler Stilmittel und immer neuer Herangehensweisen an den Werkstoff Glas. Nicht zuletzt gibt es wunderbare Einblicke in ein experimentierfreudiges Künstlerleben, das durch die Faszination für die Wunder dieser Welt geprägt war.“ Das Buch ist gerade rechtzeitig zur Ausstellung „Brillanz & Transparenz – Hinterglaskunst Moderne bis heute“ im Museum Werdenfels erschienen.

Zufrieden blickt Wirtl-Walser auf ihr Leben zurück: „In den vergangenen Jahren, seit ich hier im Wintergarten sitze und kaum mehr am öffentlichen Leben teilhaben kann, kam mir der Gedanke, dass ich immer ein tolles Leben gehabt habe und spielen konnte. Ich habe eigentlich immer ,herumgespielt‘. Ich habe nie gemalt, um etwas zu verkaufen, sondern immer nur gemalt, was mir gerade so eingefallen ist.“

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In den Tagen zwischen Neujahr und Dreikönig kommen immer noch Vertreter der Museen in der Schweiz (“Vitromusée Romont im Kanton Fribourg“) und Frankreich („Musée du Revard in St. Etienne“) bei ihr vorbei, um sich Bilder auszusuchen. „Eine späte Ehrung“, freut sie sich. Ihre Bilder befinden sich übrigens auch in Privatsammlungen sowie im Bayerischen Nationalmuseum, dem Museum Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen, im Oberammergau Museum, im Schlossmuseum in Murnau und im Museumsschlösschen Theresienthal in Zwiesel.

Inspiriert von Volkskunst und Natur

Seit ihrer Kindheit war Wirtl-Walser von Volkskunst und damit auch der traditionellen Hinterglasmalerei umgeben. Sie wuchs im Hochgebirge auf, zunächst im Forsthaus in der Innerschwende bei Riezlern im Kleinen Walsertal auf 1060 Metern Höhe am Hohen Ifen, wo sie am 21. April 1932 das Licht der Welt erblickte. 1938 erfolgte der Umzug nach Hohenschwangau und 1944 nach Markt Schellenberg im Berchtesgadener Land.

Für Peiting war es ein Glücksfall, dass ihr Vater, Förster Paul Heinrich, seinen letzten Dienstsitz in Peiting hatte und die Familie dort in der Hubertusstraße 1950 eine bleibende Heimat fand. Nicht nur die Bürgermeister Karl Fliegauf und Klement Sesar schätzten ihre kunstfertigen Hinterglasbilder und das Schaffen der Künstlerfamilie. Ehemann Ernst Wirtl, den sie 1952 heiratete, schuf bleibende Bildhauerwerke wie den Marienbrunnen am Hauptplatz und den „Guten Hirten“ über den Priestergräbern bei Maria Egg.

Ganze Familie aus Künstlern und Kreativen

Sohn Marinus stieg in die Fußstapfen seines Vaters und gab dem ehemaligen Bergwerksort unter anderem mit dem Barbarabrunnen am Hauptplatz, den Förderrädern im Kreisel an der Bahnhof- und Bergwerkstraße sowie den Erinnerungstafeln an die Gefallenen und Vermissten am Kriegerdenkmal ein künstlerisches Gepräge. Auch Schwiegertochter Ilse Bill besticht mit ihren tierisch menschlichen Skulpturen. Mutter Josefa Heinrich schuf mit ihren textilen Wandbehängen mit Nadel und Garn wahre Traumwelten.

An ihre glückliche Kindheit zusammen mit Bruder Hubert auf 1060 Meter Höhe inmitten blühender Bergwiesen erinnert sie sich gerne. Die Kleinwalser Tracht, die sie immer anhatte, hält sie bis zum heutigen Tag in Ehren. Tochter Margret Venzl schuf dafür die Puppe „Fritzi“.

Sie gewährt Einblicke in die Entstehungsgeschichte

Die Peitinger Künstlerin kann übrigens auf eine fundierte handwerkliche und akademische Ausbildung zurückblicken. Erst lernte sie Holzschnitzerei an der Fachschule in Berchtesgaden, dann studierte sie Bildhauerei an der Kunstakademie Stuttgart und zuletzt noch zwölf Semester Malerei und Glasbearbeitung an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ab 1968 beschäftigte sie sich freiberuflich mit Hinterglasmalerei nach alten Vorlagen. Sie schrieb drei Bücher über Technik, Geschichte und Sonderformen der Hinterglasmalerei.

Mit den „Maltechnischen Memoiren“ ist ein unterhalt㈠sames Buch entstanden, das anregt, Maltechniken auszuprobieren und, wie Wirtl-Walser es ein Leben lang getan hat, nach dem Neuen zu suchen. Es ist, wie Andrea Sorg es vorausschickt, ein zusammenfassender Überblick, eine Erzählung und ein Sich-Erinnern an das Leben mit der Hinterglasmalerei, und wie sich die Techniken über Jahre in einer ganz eigenen Art entwickelten. Wirtl-Walser erklärt für jeden verständlich, wie sie zu ihrer Methode des Verspiegelns gekommen ist. Spannend erklärt sie, wie es sich aufgrund von Erfahrungswerten mit der einen oder anderen speziellen Technik verhält, um zu einem gewollten oder auch unbeabsichtigten Ergebnis zu gelangen.

Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.

Dabei gewährt sie Einblicke in die Beweggründe der Entstehung eines Bildes: „Oft befasste ich mich mit Motiven meiner näheren Umgebung, wie dem Hohen Peißenberg, den ich von meinem Wintergarten aus vor mir habe. Ich interessierte mich für den Fund der Moorleiche Rosalinde. Andere Überlieferungen erzählten die Geschichten der Schnalzhöhlen, des Ammer- und Lechtals. Beeinflusst durch meinen Bruder, war ich neugierig auf die Sagen und Legenden des Pfaffenwinkels. Etwa der von der wilden Jagd, die erschreckend und lärmend vom Schlossberg kommend über die Schnalz zum Murnauer Moor zieht, vom versunkenen Dorf im Deutensee, vom Filztrapp bis zum Gschnoad㈠pudel.“

Das Buch

Die „Maltechnischen Memoiren“ (192 Seiten) sind zum Preis von 20 Euro erhältlich im Museum Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen, wo noch bis 2. März die Ausstellung „Brillanz & Transparenz“ läuft, im Oberammergau Museum und bei Fride Wirtl-Walser.

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