Mit einer Geste macht Sané klar, dass er Nagelsmanns Botschaft verstanden hat

Leroy Sané hat einen Auftrag. Er muss sich zeigen, er muss sich beweisen. Er muss demonstrieren, dass das Vertrauen von Julian Nagelsmann gerechtfertigt ist.

Für dieses Vertrauen bekam der Bundestrainer nach der Nominierung seines DFB-Kaders ordentlich Kritik. Kritik, die er nutzte, um Druck auf seine Spieler, und vor allem auf Sané aufzubauen. Raue Töne, für die Nagelsmann wiederum weitere Kritik erntete. Sané als unfreiwilliger Unruheherd.

Die unzähligen Chancen des Leroy Sanés

"Unzählige Chancen" bekomme er aber nicht mehr, so die klare Botschaft. Die wenigen, die nun verbleiben, sollte er nutzen, wenn er sich noch den Traum von der WM erfüllen möchte.

Die erste Chance: Luxemburg. 

David gegen Goliath, mit einer klaren Erwartungshaltung aus deutscher Sicht verbunden. Hier ist nicht nur Dominanz gefragt, sondern auch Tore. Blick auf Sané.

Der steht in der Startaufstellung. Nagelsmann muss sich also im Vorfeld der Partie bei RTL erneut erklären. "Als wir ihn nominiert haben, gab's kein Medium und ganz wenige Fans, die das gut fanden", sagt er. Heißt: Es liege nun einzig an Sané, die Kritiker zu verstummen.

Sané kenne "meine Denkweise über ihn und weiß auch, wie viel ich von ihm halte", so Nagelsmann weiter. Der Bundestrainer geht mit Sané ein Risiko ein. Enttäuscht der Flügelstar, fällt das auch Nagelsmann auf die Füße. Gelingt der Coup, hat er in Richtung WM einen Spielertypen im Repertoire, den es in dieser Form kein zweites Mal in Deutschland gibt.

Deutschland beginnt gruselig in Luxemburg

Anpfiff im Stade de Luxembourg. Die Hausherren überrumpeln die DFB-Elf und stellen alle Erwartungen auf den Kopf. "Verkehrte Welt", fasst RTL-Kommentator Wolff-Christoph Fuss zwischenzeitlich zusammen.

Es ist ein ekeliges, ein unangenehmes Spiel. Also: kein Sané-Spiel. Aber die Sache bei Sané ist: Er ist unberechenbar. Das macht es so spannend mit ihm, und das macht wahnsinnig all seine Beobachter so wahnsinnig.

Leroy Sané im Spiel gegen Luxemburg
Leroy Sané im Spiel gegen Luxemburg Imago

In den ersten 45 Minuten ist er sichtbar bemüht, ackert defensiv viel, sorgt auch mal für ein kleines Highlight, sucht mehrfach die Tiefenläufe, wird aber von seinen Mitspielern übersehen.

So bahnt sich zur Pause ein Debakel für die DFB-Elf und Nagelsmann an – und auch für Sané, der im Falle einer Blamage naturgemäß zu deren Gesicht werden würde. Das Schicksal eines fußballerischen Provokateurs.

Plötzlich dreht Sané auf

Doch Sané hat die Botschaft verstanden und verinnerlicht. Kurz nach der Halbzeit geht er tief, bekommt den Ball und legt diesen dann zielgenau vor die Füße von Nick Woltemade. 1:0, die Erlösung! Sané als Vorlagengeber.

Für die nötige Stabilität sorgt der Treffer zwar noch nicht, aber 20 Minuten später fällt die Entscheidung. Und wieder beteiligt: Leroy Sané.

Wie beim ersten Tor bekommt er den Ball auf dem rechten Flügel. Diesmal legt er zurück auf den eingerückten Ridle Baku, der für Woltemade durchsteckt. 2:0!

Eine Geste zeigt, wie sehr Sané die Nagelsmann-Botschaft verstanden hat

Wer Sané in dieser Szene beobachtet, sieht einen leidenschaftlichen, emotionalen Typen. Sein Pass ist ursprünglich für Woltemade, der hinter Baku positioniert ist, gedacht. 

Daher ist er für einen kurzen Moment frustriert, einen Wimpernschlag später wird aus der verzweifelten Geste aber ein Jubelschrei. Ein Augenblick, der zeigt, wie wichtig ihm dieses Spiel ist. So emotional ist er selten.

In der 79. Minute belohnt er sich fast noch mit einem eigenen Treffer, sein Abschluss touchiert aber nur die Oberkante der Latte. Direkt nach der Szene ist Schluss. Als er sich auf die Bank wirft, hadert er noch der vergebenen Chance wegen, aber er lächelt.

Nagelsmann zufrieden, Sané glücklich

Nagelsmann zeigt sich nach dem 2:0-Sieg zufrieden mit der Leistung seines Schützlings: "Beim ersten Tor macht er es schon herausragend gut. Er hat ein gutes Spiel gemacht und hatte zwei entscheidende Aktionen – darum geht's am Ende."

Julian Nagelsmann wechselt Leroy Sané aus
Julian Nagelsmann wechselt Leroy Sané aus Imago

Und Sané? Der stellt sich ebenfalls den neugierigen Fragen der Journalisten. Er sei froh darüber, einen Assist gegeben zu haben und dass er "das Vertrauen von Julian ein Stück weit zurückgeben" konnte, so Sané bei RTL.

Das Verhältnis zu seinem Trainer sei sehr gut, sie haben viele gute Gespräche geführt, erklärt er. "Julian weiß ganz genau, wie ich ticke. Er gibt mir sehr viel Liebe, dazwischen auch immer mal Härte. Das ist schon gut so."

Die harten Ansagen von Anfang der Woche verstand er auch als Zeichen an die gesamte Mannschaft. "Wir müssen halt Gas geben, es steht eine WM vor der Tür. Und bis dahin sind es nicht mehr viele Spiele, da müssen wir alles reinhauen", so der 29-Jährige.

"So ist Fußball", sagt Sané und lächelt verschmitzt

Die Unruhe und Kritik rundum seine Person könne er sogar nachvollziehen, böse sei er deswegen nicht. "So ist Fußball", sagt er mit einem verschmitzten Lächeln und ergänzt: "Das gehört dazu, da kann ich mich nicht beschweren. Ich muss einfach mein Ding machen und versuchen, die Leistung umzusetzen."

In Luxemburg hat er als einer der wenigen Spielern seine Leistung umgesetzt, er hat sein Ding gemacht. Dadurch rechtfertigt er seine Nominierung und beweist es seinen Kritikern. Es beweist aber vor allem seinem Trainer, dass er auf ihn bauen kann.