Deutsche Firmen zahlen in Putins Kriegskasse – Rückzug aus Russland offenbar „unvorstellbar schwierig“

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

KommentareDrucken

Viele deutsche Unternehmen sind noch in Russland vertreten – trotz Ukraine-Kriegs. Unter anderem die russische Rüstungsindustrie profitiert.

Moskau – Trotz Sanktionen gibt es westliche Unternehmen, die in Russland dicke Gewinne machen. Anfang Februar 2024 waren noch zwei Drittel oder 277 aller deutschen Betriebe, die zu Beginn der Invasion in Russland waren, dort weiterhin aktiv. Zu der Auswertung kam die Organisation B4Ukraine in ihrer jüngsten Studie. Deutschland gehört laut Auswertung von B4Ukraine zudem zu einer der größten ausländischen Steuerzahler an Russland.

Deutsche Unternehmen machen mit Putin Geschäfte – und verteidigen sich

Russlandexperte José Campos Nave schätzt, dass noch 80 Prozent der deutschen Firmen in Russland aktiv sind. Das wären rund 4800, denn vor Kriegsausbruch waren es laut Außenhandelskammer 6.000. Der Rest sei dabei, sich zurückzuziehen, oder habe diesen Schritt bereits vollzogen, so der Jurist gegenüber dem Handelsblatt. Vor allem Unternehmen in den Branchen Lebensmittel, Landwirtschaft, Gesundheit und Pharma sind laut der Wirtschaftswoche in Russland vertreten.

Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt an einem Treffen mit Vertretern der Wirtschaft in der staatlichen Residenz Novo-Ogaryovo außerhalb von Moskau teil,
Der russische Präsident Wladimir Putin plant höhere Militärausgaben ein – mit verheerenden Folgen für Russlands Wirtschaft. Die Bevölkerung leidet darunter. © Sergei Karpukhin /dpa

Bislang haben deutsche Unternehmen ihre Geschäfte in Russland verteidigt. Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer etwa erklärte laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), als Life-Science-Unternehmen habe man eine ethische Verpflichtung. „Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten, würde die Zahl an Menschenleben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen.“

Rückzug aus Russland für Unternehmen offenbar „unvorstellbar schwierig“

Auch der Goßhändler Metro macht weiterhin Geschäfte in Russland. „Aktuell ist es die beste Entscheidung, an dem Geschäft festzuhalten“, sagte Vorstandschef Steffen Greubel vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV) der Welt (November 2023). Russland sei hinter Frankreich die zweitgrößte Auslandsgesellschaft für sein Unternehmen, arbeite profitabel und generiere Cashflow. „Wir halten daran fest, weil es eine große wirtschaftliche Bedeutung für uns hat“, so Greubel. Rund zehn Prozent des Konzernumsatzes erwirtschaftet Metro derzeit in Russland.

Neben dem Profit könnten auch rechtliche Hürden ein Grund sein, warum einige Unternehmen bei einem Rückzug aus Russland zögern. Firmen, die das Land verlassen wollen, würden immer öfter die Erfahrung machen, dass „der Trennungsprozess unvorstellbar schwierig ist“, sagte Campos Nave dem Handelsblatt. Der Rückzug sei ein Prozess, den man nicht in Wochen oder Monaten, sondern mitunter erst in Jahren rechtssicher lösen könne, ergänzt ein anonymer Fachmann.

Trotz Ukraine-Krieg: Deutschland macht weiter Geschäfte mit Russland

Auch die russische Rüstungsindustrie scheint von den Geschäften mit westlichen Unternehmen zu profitieren. Laut B4Ukraine gibt es „keinen einzigen russischen Panzer oder kein russisches Flugzeug, dessen Teile nicht mit im Ausland gefertigten CNC-Maschinen hergestellt wurden.“ Bei den CNC-Maschinen handelt es sich um rechnergesteuerte Werkzeugmaschinen. Zwischen Januar und Oktober 2023 seien die russischen Importe dieser computergesteuerten Präzisionsanlagen auf 270 Millionen Euro geklettert, was 33 Prozent mehr als im Vorjahr gewesen sei. Deutschland sei mit 42 Prozent der größte Lieferant gewesen, vor Südkorea (20,7 Prozent) und Taiwan (19,5 Prozent).

In diesem Zusammenhang ist auch eine Analyse der Londoner Organisation Conflict Armament Research (CAR) in London sehr brisant. Denn bei der Untersuchung der Raketentrümmer stellte sich heraus, dass insgesamt 290 elektronische Teile in einer nordkoreanischen Rakete verbaut waren, die im Ukraine-Krieg eingesetzt wurde. Rund drei Viertel davon stammten von Firmen aus den USA. Mehr als jedes zehnte Teil, fast zwölf Prozent der Komponenten, stammten von deutschen Firmen, weitere aus Singapur, Japan oder der Schweiz. 

Sanktionen gegen Russland: Handel bricht massiv ein

Insgesamt schrumpfte der deutsche Handel mit Russland im Jahr 2023 im Zuge der Sanktionen gegen Russland um drei Viertel auf 12,6 Milliarden Euro. Laut dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft verzeichnete der Russland-Handel insgesamt im vergangenen Jahr einen historisch beispiellosen Einbruch um 75 Prozent.

„Die früher von Energieträgern dominierten Einfuhren sanken nach dem Beginn des Ölembargos Anfang 2023 um 90 Prozent auf nur noch 3,7 Milliarden Euro“, hieß es. Die Rohstoffgroßmacht, einst wichtiger Gas- und Öllieferant für Deutschland, fiel auf Platz 38 der Handelspartner hinter Slowenien (2022: Platz 14). (bohy)

Auch interessant

Kommentare