Was für ein Fest! Weilheim ist endlich wieder Literaturstadt

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Kulturreferentin Ragnhild Thieler überreichte den Weilheimer Literaturpreis 2025 an Bas Böttcher, begleitet von einem Teil der Schülerjury (v.l. Helene Traub, Anna Ruhberg, Hannah Berger, Lukas Lauerer, Theresa Kochenbach und Tanja Arendt). © Bianca Heigl

Der Rahmen war kleiner als früher, aber die Freude riesig: Die 13. Verleihung des Weilheimer Literaturpreises wurde wieder zum Fest der Literatur. Preisträger Bas Böttcher (50) begeisterte das Publikum nicht nur mit seiner „Rede an die Jugend“.

Zehn Jahre sind vergangen, seit das hiesige Gymnasium zuletzt live und mit einem würdigen Festakt seinen Weilheimer Literaturpreis zelebriert hat. Denn den gibt es nur alle fünf Jahre, und 2020 versagte die Pandemie jedes Feiern von Preisträger Saša Stanišic. Und doch stellte es sich gleich wieder ein, das wohlige Weilheimer Literaturstadt-Gefühl, als es nun endlich mal wieder so weit war. Immerhin geht es da um den „einzigen rein von Schülern vergebenen Literaturpreis im deutschsprachigen Raum“, wie Schulleiterin Andrea Pauline Martin in ihrer Begrüßung am Donnerstagabend im Stadttheater betonte. Dank dieses Preises und der zugrundeliegenden Dichterlesungen „ist Weilheim ein Begriff in der Literaturwelt“, fügte Ragnhild Thieler als Kulturreferentin des Stadtrates an. Und bei Generationen von Schülern sei so Begeisterung für Bücher geweckt worden.

Der Preisträger ist ein Pionier der Poetry-Slam-Szene

Bücher aber tauchten bei dieser 13. Literaturpreisverleihung überhaupt nicht auf. Kein Verkaufstisch im Foyer, keine Signierstunde wie sonst üblich – denn geehrt wurde diesmal ein Dichter, der nicht in erster Linie in Buchform veröffentlicht, sondern seine Texte vor allem auf die Bühne bringt: Der Wahl-Berliner Bas Böttcher (50) ist ein Pionier der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene, gewann etwa deren allererste deutsche Meisterschaften im Jahr 1997. Passt er damit in die lange, hehre Tradition der „Weilheimer Hefte zur Literatur“? Aber sicher, so die Antwort von deren Redaktionsmitglied Christian Rühle: Schon in der legendären „Gruppe 47“, jener Keimzelle der bedeutendsten Literaten der Nachkriegszeit, hat man sich Texte schließlich vorgetragen, erklärte der Deutschlehrer: „Hier wurde sehr früher Poetry Slam betrieben.“

Lob der Schülerjury für Bas Böttcher: „Es macht einfach Spaß, ihm zuzuhören“

Doch für die acht Schülerinnen und Schüler, die über den Weilheimer Literaturpreis 2025 entschieden (Tanja Arendt, Hannah Berger, Abdurrahim Felsl, Theresa Kochenbach, Lukas Lauerer, Ferdinand Pfeifer, Anna Ruhberg und Helene Traub), gab nicht Literaturgeschichte den Ausschlag, sondern Literaturerlebnis. Anderthalb Jahre beschäftigten sich die Zwölftklässler, begleitet von der Literaturexpertin Pia-Elisabeth Leuschner, mit den zur Wahl stehenden Dichtern. Und Böttchers Texte haben die Jugendlichen schlichtweg gepackt. Gewitzt erklärten die Juroren bei der Preisverleihung, „warum wir Bas Böttcher Gleichaltrigen empfehlen“ – und inszenierten dafür einen kleinen Poetry Slam samt Publikum-Voting. Gekonnt trugen sie drei seiner Gedichte vor, zeigten dabei Böttchers sprachgewandt-verspielte, seine gesellschaftskritische und seine nachdenkliche Seite. Der 50-Jährige beweise, „dass Lyrik auch modern sein und Spaß machen kann“, lobten die Jurymitglieder, und nannten noch allerlei weitere Gründe für ihre Wahl: Er präsentiere „Dinge aus ganz neuen Blickwinkeln“, verpacke „auch schwere Themen mit so viel Charme und Leichtigkeit, dass es einfach Spaß macht, ihm zuzuhören und seine Texte zu lesen“. Auch erzeuge Bas Böttcher mit interaktiven Angeboten im Netz „eine enorme Nähe zur Jugend“.

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Verleihung Weilheimer Literaturpreis 2025, Stadttheater Weilheim, Laudator Dalibor Markovic
Als Freund und Kollege von Bas Böttcher hielt Dalibor Markovic die Laudatio. © Bianca Heigl

Spaß am Spiel mit Worten versprühte auch Laudator Dalibor Markovic: Der Frankfurter, ein Freund und Slam-Kollege des Geehrten, erzählte in Reimen und mit viel Rhythmus von Böttchers Anfängen in der Hip-Hop-Band „Zentrifugal“ und späteren gemeinsamen Auftritten rund um den Globus als Spoken-Word-Pioniere. „Du bist ein meisterhafter Reimeverfasser / ein gewissenhafter Silbenbemesser / ein außerordentlicher Wortwitzbesorger / ein intelligenter / mit Sinn in den Händen knetender / und nie endenden Ideen habender Barde / mit glücklich-entzückend machenden Rhythmen in der Sprache“, rappte Markovic auf Böttcher. Und er steigerte: „Lieber Bas, Besser, der Beste / du bist weit und breit von allen der freshste.“

Eine „Rede an die Jugend“ mit Tempo und Tiefe

Frisch war denn auch Bas Böttchers „Rede an die Jugend“ – jene Aufgabe, die der Weilheimer Literaturpreis von seinem Träger verlangt. Sie enthielt alles, wofür der Autor zuvor gelobt worden war: Esprit und Witz, Tempo und Tiefe. Mit eingestreuten Gedichten erinnerte Böttcher seine Zuhörer, trotz aller Zumutungen der Zeit „in die Freiheit geboren“ zu sein. So wie sich Sprache stetig wandle („eine Sprache im Fluss in einer Welt im Strom“), sei auch alles andere „nicht in Stein gemeißelt“ und veränderbar. „Wenn jemand Euch Versager nennt, dann verändert es zu Versesager. Wenn jemand Euch Geisterfahrer nennt, dann verändert es zu geistig Erfahrener. Wenn jemand Euch Spielverderber nennt, dann verändert es zu derb Verspielter“, so sein Rat.

Geistig erfahren, derb verspielt: Das trifft eigentlich gut diesen gesamten Abend. Auch der 13. Weilheimer Literaturpreis, überreicht von Kulturreferentin Thieler in Vertretung von Bürgermeister Markus Loth und meisterhaft umrahmt von der Combo der Gymnasiums-Bigband, war wieder ein Fest. Man freut sich schon jetzt auf Nummer 14.

Der Weilheimer Literaturpreis

79 „Weilheimer Hefte zur Literatur“ haben die Deutschlehrer des Gymnasiums seit 1980 herausgegeben. Jeder Schriftsteller, dem ein solches Heft gewidmet ist, kam an die Schule zur Dichterlesung – und kann potenziell den Weilheimer Literaturpreis gewinnen, der von einer Schülerjury vergeben wird. Die bisherigen Preisträger: Ilse Aichinger (1988), Wolfgang Hildesheimer (1991), Gertrud Fussenegger (1993), ThomasHürlimann (1995), Reiner Kunze (1997), Loriot (1999), Siegfried Lenz (2001), Rafik Schami (2003), Wole Soyinka (2006), Sten Nadolny (2010), Nora Gomringer (2015), Saša Stanišic (2020) und Bas Böttcher (2025). Aktuell ist der Preis mit 7500 Euro dotiert, gestiftet von der Stadt Weilheim, der Sparkasse Oberland und der VR-Bank Werdenfels. Im „Weilheimer Heft“ Nummer 80 erscheinen demnächst Böttchers „Rede an die Jugend“ und die Laudatio von Dalibor Markovic.

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