Verbrenner-Aus auf der Kippe: Europa kann von China noch einiges lernen
CDU-Politikerin Ursula von der Leyen lud zum Auto-Gipfel nach Brüssel. Die Verbrennertechnologie verabschiedet sich – und mit ihr auch ein ganzer Industriezweig.
Brüssel – Das Gipfeltreffen der EU mit Vertretern der Automobilindustrie ist nicht unumstritten. Umweltschützer fürchten, dass Auto-Lobbyisten vom Regierungswechsel in Deutschland profitieren könnten. Ein Drahtseilakt für die Politik: Klimaziele erfüllen, doch gleichzeitig einen der wichtigsten Sektoren der Wertschöpfung erhalten. „Im Rahmen des Dialogs werden wir sofortige Lösungen finden, um die Investitionsfähigkeit der Industrie zu sichern, indem wir mögliche Flexibilität prüfen“, hieß es in dem EU-Strategiepapier zum Gipfel. Am 5. März soll der EU-Aktionsplan vorgestellt werden.
CO₂-Flottengrenzwerte: Benz-Cheflobbyist fordert Abschaffung der Strafen für Autobauer
Die Automobilindustrie ist im Zuge der sich verschärfenden Regelungen zur Einhaltung der Emissionsziele zunehmend ins Wanken geraten. Mit 13 Millionen Arbeitsplätzen sichert sie den Wohlstand zahlreicher Länder. Am Auto-Gipfel (30. Januar) nahmen führenden Vertretern der europäischen Industrie, der Sozialpartner und von Interessengruppen teil – unter Ihnen die BMW Group, Volkswagen Group, Daimler Truck oder auch Zulieferer wie die Robert Bosch GmbH.
Das geplante Verbrenner-Aus bis 2035 und die Einhaltung der europäischen CO₂-Flottengrenzwerte bedroht den auf fossilen Energien aufgebauten Sektor nun stark. Bei Nichteinhaltung der CO₂-Vorgaben drohen Herstellern Milliardenstrafen. „Der Weg muss künftig vom Markt bestimmt werden, nicht von Strafen“, forderte laut Spiegel Eckart von Klaeden, Leiter Politik und Außenbeziehungen bei Mercedes-Benz, beim Gipfeltreffen mit von der Leyen. Der Benz-Cheflobbyist war auch früherer Staatsminister im Kanzleramt unter Angela Merkel (CDU).
Verbrenner bald Geschichte: China führt Elektromobilität an
Das Zugpferd der europäischen Industrie war für lange Zeit Deutschland – doch seit dem Aufstieg Asiens auf dem Weltmarkt, verliert der Standort seine Wettbewerbsfähigkeit. Deutsche Hersteller waren besonders wegen des Exports im Premiumsegment, also den hochpreisigen Modellen, von Audi, Benz und BMW im Vorteil. Im Jahr 2023 machten Premiummodelle nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) 74 Prozent der gesamten PKW-Exporte aus. Wichtigste Absatzmärkte waren demnach Asien und die USA – die Umstellung auf umweltfreundliche Technologien wird dem Sektor zum Verhängnis.
In der Elektrifizierung von Fahrzeugen stieg China auf dem Weltmarkt rasant auf. Dort sind sogar heimische Autobauer im Premiumsegment bereits dabei, deutsche Hersteller von ihrem Thron zu verdrängen. Der Marktanteil chinesischer Hersteller bei E-Autos dominiert den chinesischen Markt jetzt schon. „Die meisten deutschen Elektromodelle sind für den chinesischen Markt zu teuer und bieten dafür verhältnismäßig wenig Leistung“, sagte Xing Zhou, Partner bei der Strategieberatung Alix Partners. Der Marktanteil an deutschen Modellen auf dem chinesischen Markt sank 2024 auf schlappe fünf Prozent, wie das Handelsblatt auf Basis von Daten des Dienstleisters Marklines berechnet.

Meine News
Chinesische Modelle können mittlerweile technologisch und bei der Antriebstechnik souverän mit denen aus Deutschland mithalten. Peking investierte bei Entwicklungen vielmehr in batteriebetriebene Modelle statt Verbrenner. Dafür schuf die Regierung zahlreiche Anreize. Staatliche Subventionen oder Steuererleichterungen sollten den Ausbau im Bereich Forschung und Innovation im Automobilsektor angekurbelt. Maßnahmen wie die beschleunigte Vergabe von Autokennzeichen für E-Autos haben zudem für Kaufanreize bei chinesischen Verbrauchern gesorgt.
Hoffnungsschimmer „Range Extender“: Sinnvolle Brückentechnologie oder Rückschritt?
Ähnliche Initiativen wünscht sich auch die Automobilindustrie in Deutschland. Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass die Vertreter der Autolobby verschiedene Szenarien in Betracht ziehen: Stundungen der EU-Strafen, Verrechnung der Grenzwertüberschreitung mit späteren Unterschreitungen oder Modelle mit Verbrennertechnologie als E-Auto gelten zu lassen, beispielsweise Hybrid-Autos mit Range Extender.
Extended Range Electric Vehicles (EREV) erleben in China einen regelrechten Boom. Dieses E-Auto enthält einen Reichweitenverlängerer mithilfe eines kleinen Verbrennermotors, welcher nicht das Auto, sondern nur den Akku versorgt. Der Spritverbrauch bleibt dabei gering, sogar innerhalb der vorgegebenen EU-Grenzwerte bis 2034, wie Analysen des Beratungsunternehmens Berylls zeigen, die der Automobilwoche vorliegen.
Deutschland sei auch hier bereits technologischer Vorreiter gewesen: „Es wäre eine Schande, diese Technologie nun zu vernachlässigen“, kommentierte Autor der Analyse, Xing Zhou. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels hin zur Elektrotechnologie sinken die Absatzzahlen in Deutschland – die Automobilindustrie kann dem Druck der EU mühsam standhalten. EREV-Modelle können nach Meinung der Berylls-Analysten eine sinnvolle Brückentechnologie darstellen.
„Die Regulierung muss dauerhaft so technologieoffen sein, dass sie die Zulassung von klimafreundlichen Produkten wie Plug-in-Hybriden und Range Extendern weiter ermöglicht“, sagte der Mercedes-Lobbyist von Klaeden beim Treffen. Zurück in die Vergangenheit wolle Mercedes-Benz nicht. Ziel sei weiterhin die Dekarbonisierung der Mobilität. Die Branche hat für den Ausbau bereist 320 Milliarden Euro investiert.
Umweltschützer schlagen Alarm: „Angriff auf CO₂-Standards der EU“
Im Zuge der Transformation gehen Experten von einem Beschäftigungsabbau von etwa 180.000 Stellen in der Automobilbranche aus. Auf der anderen Seiten wird durch die Batterieproduktion mit einem Stellenzuwachs von 95.000 Jobs in der Zuliefererbranche gerechnet, für den Aufbau der Ladeinfrastruktur mit weiteren 70.000 Arbeitsplätzen, so die Heinrich-Böll-Stiftung.
„Was wir heute gesehen haben, war ein gut koordinierter Angriff der Autoindustrie auf die CO₂-Standards für Autos“, kommentierte Gipfelteilnehmer William Todts, Exekutivdirektor der Umweltorganisation T&E, das Brüssler Treffen. Die Umweltorganisation Greenpeace sowie die IG Metall fordern Kaufprämien auf E-Autos. Finanziert werden könnte dies über eine Zulassungssteuer auf Neuwagen mit Verbrennungsmotor. Greenpeace-Berechnungen zeigen, dass dadurch Einnahmen von rund acht Milliarden Euro generiert werden könnten. Damit könnten E-Auto-Prämien finanziert und der Absatz deutscher Autohersteller gefördert werden.