Unterwegs mit einer Postbotin: So arbeitet es sich in Zeiten des Personalmangels

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Sie liebt ihr Fahrrad und auch den Job: Manja Soir ist seit 30 Jahren Zustellerin und hauptsächlich auf Puchheimer Flur unterwegs. Hin und wieder muss sie aber auch für kranke Kollegen einspringen. © Weber

Die Postfiliale in Gröbenzell, die auch für Eichenau und Puchheim zuständig ist, hat harte Zeiten hinter sich. Im Weihnachtsgeschäft sorgte der Personalmangel für die schlimmsten Ausfälle jemals. Es hagelte Beschwerden. Die Situation hat sich beruhigt. Aber es werden dringend Zusteller gesucht. Da heißt es: Werbung machen für einen schönen Beruf – mit viel frischer Luft.

Gröbenzell – Zustellerin Manja Soir könnte man sich ganz wunderbar in einem Werbespot der Deutschen Post vorstellen. Die blonde Frau sitzt entspannt auf dem Sattel ihres gelben E-Bikes, das mit Kisten beladen ist, aus denen Briefe hochkant hervorspitzen. Sie tritt in die Pedale, gerade geht es über die Lochhauser Straße in Puchheim. Sie lächelt, die blauen Augen strahlen unter der bunten Wollmütze. Der Himmel ist blau und die Sonne gibt schon ihr Bestes für Februar. Perfekte Idylle. Eigentlich fehlt nur noch, dass die 47-Jährige irgendjemandem zuruft: „Guten Morgen, Frau Müller, ich habe Ihre Post. Grüßen Sie bitte den Gatten.“

Postbote ist mehr als Brief-Reinschmeißer

Das passiert zwar nicht. Aber Manja Soir weiß schon schöne Geschichten zu erzählen. Neulich bekam sie nämlich selbst einen Brief. Darin bedankte sich ein älterer Herr dafür, dass die Zustellerin immer die Treppen zu ihm hinaufläuft, um die Post zu bringen. Weil er selbst sei dazu nicht mehr in der Lage. „Das tut schon gut“, sagt Manja Soir. Sie weiß, dass der Postbote für manche mehr ist als nur der Brief-Reinschmeißer. „Manche freuen sich, wenn sie kurz mit einem ratschen können.“ Einige kennen ihren Briefträger oder ihre Briefträgerin beim Namen. Das gehört einfach dazu, selbst in den schwierigsten Zeiten mit gravierendem Personalmangel.

Nach 20 Minuten am ersten Briefkasten

Heute wildert die Olchingerin sozusagen außerhalb ihres Reviers, sie springt für einen Kollegen ein. Es geht nach Eichenau, eine der weiteren Strecken von der Gröbenzeller Basis, neben Puchheim-Ort. Soir hat anders als viele ihrer Kollegen kein Trike (Dreirad). Sie bevorzugt ihr Zweirad, das in der Spitze 15 Stundenkilometer fährt. Nach etwa 20 Minuten kommt die Zustellerin am ersten Briefkasten in der Auenstraße an. Und genau hier, in einem Weg mit Reihenhäusern, zeigt sich der Vorteil ihres schmaleren Rades: Sie kann bis vor den Briefkasten radeln. „Es ist einfach wendiger. Ich liebe mein Fahrrad.“

Stellenanzeige per Wurfsendung

Flexibilität ist derzeit hoch im Kurs. Immer wieder fallen Kollegen krankheitsbedingt aus, es fehlt zudem an Nachwuchskräften. Die Post hat die Initiative ergriffen. Neben der gelben Kiste mit Briefen hat Soir eine Kiste voller Hochglanz-Zettel dabei. Es ist eine Wurfsendung: „Dringend Zusteller gesucht“. Jeder, der nicht das Schild „Keine Werbung“ aufgeklebt hat, erhält sie. Vielleicht ist ja ein neuer Kollege dabei.

Insgesamt sind es in Gröbenzell 33 Zusteller, die sich 24 Bezirke teilen – per Auto und Fahrrad. Und eigentlich haben die Zusteller ihre Stammbezirke, wo sie sich bestens auskennen. Soirs ist in Puchheim. Aber: „Man sollte sich schon in mehreren Bezirken zurechtfinden.“ Weil man eben doch immer mal wieder einspringen muss. Die Route nach Eichenau ist ihr ebenfalls bestens vertraut, sie ist sie früher schon einmal gefahren. Wer die Strecke gut kennt, ist flotter unterwegs.

Die Pläne, wie man, welches Gebiet am besten abdeckt, werden nicht draußen an der frischen Luft erstellt, sondern im Büro. Der Chef der Gröbenzeller Filiale ist Stephan Eisenkolb, dessen Wangen nicht ganz so rosig sind. Er hat harte Zeiten hinter sich. „Weihnachten war das schlimmste jemals“, sagt er. Um die Feiertage ist die Arbeit doppelt so groß mit Päckchen und Karten für die lieben Verwandten.

Zeitgleich gab es jede Menge krankheitsbedingte Ausfälle, und dann noch den Rückstau durch das Schneechaos am ersten Dezemberwochenende, wo gar nichts mehr ging. Sehr schwierige Kombination. So manch ein Brief kam erst nach den Feiertagen an.

Eichenau nicht das Stiefkind

Ob es viele Beschwerden gab? Eisenkolb winkt nur vielsagend ab. Auch das Tagblatt erreichte die eine oder andere E-Mail, auffallend oft aus Eichenau. Ob es daran liegt, dass die Zusteller seit einigen Jahren per Rad bei Wind und Wetter von Gröbenzell in die Starzelbachgemeinde fahren müssen? Nein, das hat damit nichts zu tun, das ist Zufall, versichert eine Post-Sprecherin. Unterm Strich seien die Routen ja dann doch ausgeglichen. Jeder arbeitet seine Strecke ab.

Der Tag beginnt mit dem Sortieren

Bei Manja Soir beginnt der Tag um 7 Uhr. In der Früh kommt die Post sortiert (und auch nicht) per Lastwagen vom Briefzentrum in dem Gebäude an der Olchinger Straße an. Derzeit noch aus Schorn (Kreis Starnberg), irgendwann aus Germering. Die Zusteller sortieren alles in ihre „Spinde“. Die sehen aus wie die Regale, die man aus dem Lehrerzimmer in der Schule kennt. Darauf kleben Etiketten. So hat etwa die „Pfefferminzstraße“ in Eichenau ihr eigenes Fach.

Nach 20 Minuten ist sie am ersten Briefkasten.
Nach 20 Minuten ist sie am ersten Briefkasten. © Weber

Soir ordnet alles so, dass sie es auf ihr Fahrrad packen kann. Was dort keinen Platz hat, wird mit dem Auto nachgebracht und in die Ablagekisten an den Straßen gelegt. So muss Soir nicht immer wieder zurück nach Gröbenzell. Den Tag verbringt sie auf dem Sattel. Ihre Brotzeit hat sie hinten in einer Tasche, dort, wo die regenfeste Kleidung verpackt ist. Manchmal macht sie auch einen Zwischenstopp beim Bäcker. Feierabend ist gegen 15.30 Uhr.

E-Bike-Geräusch verscheucht Hunde

Und ja: Soir könnte als Werbebotschafterin für die Post auftreten. Sie hat den Beruf von der Pike auf gelernt, damals vor 30 Jahren in Dresden. „Da reichte noch eine Kiste auf dem Rad“, erinnert sich die 47-Jährige. Jetzt werden zwar die Briefe immer weniger (siehe unten), dafür sind es mehr Pakete. Sie schwärmt davon, dass die Post sie super unterstützt habe, als sie ihre Kinder bekam und in den Beruf zurückkehrte. Und: „Das Fitnessstudio kann ich mir sparen.“ Das Beste an dem Job: viel frische Luft und Bewegung.

Und mit einem Klischee räumt sie gleich auf: „Mit Hunden habe ich gar keine Probleme, spätestens seit wir mit den E-Bikes fahren.“ Wie das zusammenhängt? Ganz einfach: Die Vierbeiner mögen das Geräusch von dem surrenden Motor nicht. Vielleicht finden sie aber auch einfach nur die Postbotin zu nett, um sie zu beißen.

Aufkommen sinkt: Eine Million Briefe weniger als noch im Jahr zuvor

Wie hat sich das Briefaufkommen in den vergangenen Jahren entwickelt? Die Post liefert für das Tagblatt Antworten. „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es Briefe wohl immer geben wird“, wie es heißt. Aber sie werden seit Jahren immer weniger.

Bereits 2023 hat sich der Strukturwandel noch einmal beschleunigt, das Briefaufkommen ist um fünf bis sechs Prozent geschrumpft. Bei Privatbriefen sogar noch mehr. Privatleute wie auch immer mehr Unternehmen sind zunehmend digital unterwegs.

In Zahlen sieht das wie folgt aus: Aktuell hat die Post in ganz Deutschland rund 48 Millionen Briefe pro Werktag. Bei Paketen sind es aktuell 6,2 Millionen täglich. Das Jahr davor waren es in ganz Deutschland noch rund 49 Millionen Briefe pro Werktag (Pakete 6,7 Millionen). Das Jahr davor waren es noch 55 Millionen Briefe pro Werktag (und 5,2 Millionen Pakete). gar

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