Beratung kostenpflichtig: Einzelhandel will gegen bekannte Kunden-Praktik vorgehen

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Fast jeder dritte Deutsche hat es schon einmal getan: Beratungsklau. Ein Phänomen, das den Einzelhandel frustriert und sogar zu Gegenmaßnahmen führt.

Karlsruhe – Ein Plakat neben der Eingangstür warnt Kunden vor dem Fotografieren: „Gute Beratung hat ihren Wert“ steht darauf, dazu ein durchgestrichener Fotoapparat. Der Hinweis von Filialleiter Petar Punjek richtet sich gegen ein wachsendes Problem im Einzelhandel: Die Kunden lassen sich ausführlich im Laden beraten und kaufen dann online.

Punjek vor seinem Laden mit Warnschild: „Gute Beratung hat ihren Wert“
Beratungsklau: Ein Phänomen, das den Einzelhandel frustriert und zu Gegenmaßnahmen führt. © Uli Deck/dpa

Das Laufsportfachgeschäft in der Karlsruher Innenstadt kämpft wie viele Händler gegen den sogenannten „Beratungsklau“. Der 51-jährige Geschäftsführer nimmt sich für jeden Kunden auch ohne Beratungspflicht mindestens eine halbe Stunde Zeit, oft mehr. Als passionierter Läufer teilt er sein Fachwissen gern. Umso mehr frustriert es ihn, wenn seine Expertise zwar genutzt, aber anschließend im Internet bestellt wird.

Kostenpflichtige Beratung im Einzelhandel: Bekannte Kunden-Praktik sorgt für Frust

„Leider beobachten wir immer öfter, dass Kundinnen und Kunden nach einer ausführlichen Beratung Fotos machen und die Schuhe dann online bestellen“, steht auf seinem Schild weiter. Preisvergleiche seien zwar normal, doch wenn alle nur noch im Netz einkauften, würden Fachgeschäfte verschwinden.

Dieses Verhalten hat in der Branche sogar einen Namen: „Beratungsklau“. Etwa jeder dritte Verbraucher in Deutschland hat sich schon einmal im stationären Handel beraten lassen und anschließend das entsprechende Produkt online gekauft. Das geht aus einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hervor. Der Trend bedroht Einzelhändler landesweit, auch in Frankfurt.

Einzelhandel wehrt sich gegen Beratungsklau, doch die „Kunden entscheiden selbst“

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland (HDE), versteht die Frustration: „Wenn ich als stationärer Händler viel Geld in die Ladenmiete und in kompetentes Personal investiere, dann ist es natürlich sehr schmerzhaft, wenn die Kunden nur die Beratung abgreifen und dann bei anderen Anbietern online shoppen gehen“

Dem HDE liegen zum Beratungsklau allerdings keine Daten über die vergangenen Jahre vor, so Genth. Das umgekehrte Phänomen komme seines Erachtens sogar häufiger vor: Die Menschen informierten sich online und kauften dann vor Ort. „Die Kunden entscheiden selbst, wo sie sich informieren und wo sie einkaufen wollen“, sagt Genth. Das sei die Grundlage des freien und fairen Wettbewerbs. Sowohl im Internet als auch in den Läden gebe es attraktive Angebote.

Beratung nur noch kostenpflichtig: Händler müssen Kunden „überzeugen und zurückgewinnen“

Viele Händler sind laut Genth längst selbst auf allen Kanälen unterwegs. Sie müssten den Kunden online und in den Geschäften vor Ort guten Service bieten. Am besten in einer intelligenten Verknüpfung aus Online- und Offline-Welt. „Wenn Kunden abwandern, gilt es, sie von sich zu überzeugen und zurückzugewinnen“, so der HDE-Hauptgeschäftsführer.

Das Internet sorge für eine enorm hohe Preistransparenz und eine ständige Vergleichbarkeit. „Das setzt die Handelsunternehmen unter Druck“, sagt Genth. Allerdings sei allein der Preis nicht immer entscheidend. Viele Kunden gewichteten auch die Produktqualität, den Service und die Beratung sehr hoch.

Einzelhandel frustriert von Beratungsklau: „Meine Zeit ist extrem kostbar“

Die Deutschen sehen Beratungsklau kritisch: Laut YouGov-Umfrage lehnt fast die Hälfte der Befragten ein solches Verhalten voll und ganz (21 Prozent) oder eher ab (25 Prozent). Voll und ganz befürworten es hingegen fünf Prozent der Befragten, neun Prozent befürworten es eher. Unschlüssig (Antwort: „teils/teils“) waren 34 Prozent.

Inzwischen lassen sich immer mehr Geschäfte ihre Beratung bezahlen – etwa in Form eines Gutscheins, der dann beim Kauf des Produkts angerechnet werde. Für diesen Schritt entschied sich beispielsweise schon vor Jahren ein Fahrradhändler aus Braunschweig, wie die Neue Presse berichtete. Ein Geschäft in Düsseldorf erteilte Beratungsdieben sogar Hausverbote.

Den finanziellen Schaden für sein Geschäft kann Punjek nur schwer beziffern. Er gehe von etwa zehn Prozent der Kunden aus, die sich beraten lassen und mit Wissen versorgen, dann aber nicht bei ihm kaufen. „Meine Zeit ist extrem kostbar“, sagt Punjek. Sein aktueller Hinweis solle sensibilisieren und nicht abschrecken. Das habe auch funktioniert, sagt Punjek. Er wünsche sich von den Kunden vor allem Ehrlichkeit im Umgang miteinander. (nana/dpa)

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