Lindner geht in Fragerunde baden: „Wann beginnen Sie mit der Regierungsarbeit?“
Auf Reddit trifft Christian Lindner bei einer Fragerunde auf eine gut vorbereitete Community. Seine Antworten bleiben teils aus – und sorgen für Spott.
Berlin – Schon seit Jahren gilt Christian Lindner als rhetorisch stark und schlagfertig. So hatte der FDP-Chef im vergangenen Jahr beispielsweise einen Aktivisten bei einem Bürgergespräch in Münster bloßgestellt, als dieser Lindner unterbrach und „den Laden übernehmen“ wollte. Kein Wunder also, dass er bei einer Reddit-Fragerunde zusagte. Dass er dort jedoch mit einer Welle von gut recherchierten Fragen, anstatt in lockerer Atmosphäre empfangen wurde, dürfte den Finanzminister überrascht haben.
Lindner gibt ein „Ask me anything“ auf Reddit – schnell kommt der erste Vorwurf
Der Reddit-Nutzer „zocktol“ wollte von Christian Lindner wissen, warum er als Bundesfinanzminister „entgegen der Forderungen von IWF, OECD, Ratingagenturen und einigen der Wirtschaftsweisen an der Schuldenbremse in ihrer aktuellen rigiden Form“ festhalte. Eine Frage, die bereits nach Ankündigung des „Ask me anythings“ reichlich diskutiert und deren Antwort mit Spannung erwartet wurde – doch die blieb einfach aus.
Als Reaktion lieferte ein anderer User daraufhin eine „Antwort im Stil von Christian Lindner“, die offenbar von der KI-Software ChatGPT entworfen wurde. „Danke für Ihre Antwort, ChatGPT-Minister“, schrieb ein weiterer Nutzer spöttisch.
An anderer Stelle ging Lindner dann doch auf die Schuldenbremse ein und behauptete, es sei „Ideologie, wenn man mehr Investitionen immer nur mit mehr Schulden in Verbindung bringt“. Auch widersprach er dem Vorwurf, er betreibe Hetze gegen Bürgergeldempfänger. „Müssen wir die Bilder mit den hervortretenden Adern beim Rumschreien vor den Bauernprotesten raussuchen, wo genau das getan wurde? Rumlügen ist nicht drin“, antwortete Reddit-Nutzer „Brilorodion“.
„Ask me anything“ auf Reddit
Bei einem sogenannten „Ask me anything“ (zu Deutsch: „Frag mich alles“) können Nutzer des sozialen Netzwerks Reddit Fragen an geladene Gäste stellen. Darunter fallen nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern unter anderem auch Medienschaffende, Musikerinnen und Musiker sowie Personen aus der Filmbranche. Ob die schriftlich eingereichten Fragen beantwortet werden, obliegt dabei stets dem Gast.
Lindner soll bei Reddit-Fragerunde seine berufliche Karriere offenlegen: „Hat wenig mit meiner Arbeit zu tun“
Doch es gab natürlich auch Fragen aus der Reddit-Community, die Christian Lindner beantwortete. Dabei gab sich der FDP-Chef diplomatisch bis vorsichtig – zumindest, wenn es um politische Fragen ging. Zuvor war bereits geklärt worden, dass Lindner lediglich in seiner Funktion als Bundesfinanzminister auf Reddit unterwegs sei. Fragen zur FDP oder seiner Funktion innerhalb der Partei dürfe er nicht beantworten. Die Nutzer wurden daher gebeten, ihre Fragen auf Lindners Regierungsarbeit oder Privatperson zu beschränken.
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Apropos, Privatperson: Der Nutzer „Itchy-Toe950“ warf Lindner vor, sich öffentlich „immer wieder als Unternehmer“ darzustellen. Dabei finde man heute „keine belastbaren Informationen“ zu dessen Unternehmerkarriere, sondern maximal alte Pressemeldungen, die „sich scheinbar [sic] lediglich auf Hörensagen berufen“.
Empfindlich reagierte Lindner darauf mit: „Meine selbstständige Tätigkeit liegt gut zwanzig Jahre zurück. Mit Verlaub, das hat mit meiner aktuellen Arbeit wenig zu tun.“ Daraufhin erklärte der FDP-Chef, wie er sich mit 18 Jahren selbstständig gemacht hatte, eine eigene Werbeagentur führte und sein Start-up „Moomax“ schließlich in der Insolvenz stand.
Der Fragesteller antwortete prompt und argumentierte, dass diese Vergangenheit sehr wohl viel mit Lindners Arbeit als Finanzminister zu tun habe. Schließlich betone Lindner seine Karriere immer wieder „als Argument für unternehmerische und wirtschaftliche Kompetenz“. Eine weitere Reaktion Lindners blieb aus.
Reddit-Kritik an Lindner und der FDP: „Oppositionsarbeit einstellen“
Provokant fragte der User „JayMmhkay“, ob Lindner denn plane, noch in dieser Legislaturperiode „die Oppositionsarbeit einzustellen und mit der Regierungsarbeit zu beginnen“. Der behauptete anschließend, die FDP halte sich stets an den Koalitionsvertrag. Doch „Forderungen oder Vorschläge, die nicht verabredet sind“ und den Parteiwerten nicht entsprechen, werde er „weiterhin nicht unterstützen“.
„Und wie erfolgreich läuft das so für Sie in den Umfragewerten?“, schoss ihm darauf der Nutzer „TetraDax“ entgegen. Einer aktuellen Umfrage zufolge würde die FDP den Einzug in den Bundestag verpassen; bereits seit Monaten bewegt sich die Partei von Christian Lindner nahe der Fünf-Prozent-Hürde. Zudem gab es für die Liberalen – ebenso wie für die Grünen und die SPD – zwei Klatschen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen.
Auch auf Lindners Antwort auf die Frage, warum er trotz der Haushaltskrise und nötigen Investitionen lieber Sozialleistungen streiche, statt den Steuersatz für Spitzenverdiener zu erhöhen, hagelte es „Downvotes“. Fach- und Führungskräfte hätten ebenfalls Fairness verdient, so der 45-Jährige. Er stehe für „eine soziale Politik, die aktiviert, befähigt, motiviert statt nur verteilt“. Die Reddit-Community schlug ihm vereint vor, den „gigantischen Teil der Sozialausgaben“ zu überdenken, den Rentnerinnen und Rentner derzeit verursachen.
Lindner empfiehlt auf Reddit „Herr der Ringe“-Serie und „House of the Dragon“
Christian Lindner beantwortete allem Anschein nach aber liebend gerne Fragen, die sich auf sein Privatleben bezogen. So wurde der Finanzminister etwa nicht nur Kritisches, sondern auch nach Serien-Empfehlungen gefragt. Neben „For All Mankind“ empfahl Lindner gleich zwei weitere Fernsehserien – und offenbart sich damit als Fantasy-Fan. Neben dem „Herr der Ringe“-Ableger „Ringe der Macht“ legte er den Nutzerinnen und Nutzern nämlich auch das Fantasy-Epos „House of the Dragon“ ans Herz.
Zudem sprach Lindner über einen TV-Beitrag aus dessen Schulzeiten, genau genommen aus dem Jahr 1997, was vor einigen Jahren durchs Netz ging. Darin ist der spätere FDP-Vorsitzende gemeinsam mit einem Schulkameraden zu sehen; selbstverständlich tragen beide Anzug und fahren in einer Mercedes-S-Klasse hervor – die war jedoch nur geliehen, stellte Lindner klar. „Der Redaktion damals waren die 18-jährigen Gründer etwas zu langweilig. So wurde Beitrag ordentlich aufgepeppt … für mich kein Problem. Ich kann immer wieder darüber lachen“, so Lindner. (nak)