Steuerklassen vor dem Aus: Jetzt geht die Familienministerin einen Schritt weiter

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Lisa Paus (hier mit Robert Habeck) will das Ehegattensplitting in Deutschland abschaffen. © Odd Andersen/AFP

Die Bundesregierung hat das Ende der beiden Steuerklassen 3 und 5 auf den Weg gebracht. Doch der Familienministerin Lisa Paus geht das wohl noch nicht weit genug.

Berlin – Mit der Einigung zum Bundeshaushalt 2025 hat die Ampel-Koalition auch entschieden, eine lang angekündigte Steuerklassenreform auf den Weg zu bringen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will ab 2030 die beiden Steuerklassen 3 und 5 abschaffen, stattdessen sollen Ehepaare, die diese Steuerkombination bisher nutzen, in Zukunft beide in Steuerklasse 4 fallen. Damit ändert sich für betroffene Ehepaare bezüglich der Steuerlast nichts, es verändert sich aber der Zeitpunkt, bis zu dem das Paar auf das Geld zugreifen kann. Die Reform soll für mehr Gleichstellung innerhalb des Paares führen.

Steuerklassen vor dem Aus – doch das Ehegattensplitting soll bleiben

Mit der geplanten Reform der Steuerklassen ebnet die Bundesregierung aus Sicht von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) den Weg zu einer Abschaffung des Ehegattensplittings. „Der Abschied vom veralteten Instrument des Ehegattensplittings ist überfällig“, bekräftigte die Grünen-Politikerin in der Bild. „Es ist ein Instrument, das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt. Und das, obwohl vielfältige Familienmodelle längst Teil unserer Gesellschaftsrealität sind.“ Das FDP-geführte Finanzministerium wies Paus‘ Aussagen direkt zurück: Das Splittingverfahren bleibe erhalten.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, dass statt der Steuerklassen 3 und 5 künftig das sogenannte Faktorverfahren in Steuerklasse 4 genutzt werden soll. Damit werde die Lohnsteuerbelastung gerechter auf die Eheleute, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner verteilt, heißt es im Gesetzentwurf. 

Familienministerin Paus will Ehegattensplitting ganz abschaffen – FDP hält dagegen

Paus sagte, dies sei „gleichzeitig der Startpunkt in Richtung Abschaffung des Ehegattensplittings.“ Im Finanzministerium sieht man das allerdings anders. „Das Gegenteil der Einschätzung von Ministerin Paus ist der Fall“, hieß es. „Es gibt keinerlei Pläne oder auch nur politischen Willen zur Abschaffung. Ministerin Paus spricht nicht für die Bundesregierung, sondern nur für die Grünen.“ 

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai widersprach der Familienministerin vehement. „Die Abschaffung des Ehegattensplittings käme einer massiven Steuererhöhung für die Mitte der Gesellschaft gleich – das ist mit der FDP nicht zu machen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Djir-Sarai wies Paus‘ Einschätzung zurück, die Reform der Steuerklassen sei die Vorbereitung eines solchen Schrittes. „Schließlich haben wir eine Abschaffung des Ehegattensplittings im Koalitionsvertrag auch nicht vereinbart“, betonte der FDP-Politiker.

Ehegattensplitting soll bleiben: Was bedeutet das genau?

Um das Ehegattensplitting gibt es seit Jahren immer wieder Diskussionen. Bei dem Verfahren wird das gemeinsame Einkommen eines Paares rechnerisch halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Davon profitieren bei der Steuer vor allem Paare, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Begründet wird dies mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie. Zur Veranschaulichung ein Beispiel (vereinfacht):

Paul und Anna sind verheiratet und haben keine Kinder. Paul verdient 70.000 Euro im Jahr, Anna arbeitet in Teilzeit und bringt jährlich 25.000 Euro nach Hause. Gemeinsam haben sie als Ehepaar also ein zu versteuerndes Haushaltseinkommen von 95.000 Euro im Jahr.

Im Rahmen der Steuererklärung wird mit dem Ehegattensplitting ihr Haushaltseinkommen halbiert (2 x 47.500 Euro). Darauf wird dann unter Berücksichtigung des Grundfreibetrags für Ehepaare von 23.208 (2024) die Einkommenssteuer abgezogen. Wir gehen hier von einem Steuersatz von 21 Prozent aus, also zahlen Paul und Anna 20.038 Euro an Steuern.

Wenn Paul und Anna nicht verheiratet wären, dann könnten sie das Splittingverfahren nicht verwendet. Ihre Steuern würden also getrennt voneinander berücksichtigt. Paul würde mit seinen 70.000 Euro im Jahr einen höheren Steuersatz zahlen, von 27 Prozent. Damit beträgt seine Steuerlast 18.800 Euro. Anna hingegen zahlt mit ihrem kleinen Einkommen nur den Mindeststeuersatz von 12 Prozent, also nur 3000 Euro. Damit zahlen Paul und Anna als Haushalt mehr Steuern als unverheiratetes Paar, als wenn sie verheiratet wären.

Das Ehegattensplitting wird von Kritikern deshalb moniert, weil es ein traditionelles Familienmodell belohne, das viele Paare aber nicht wählen würden, wenn es die finanziellen Anreize nicht gäbe. Zudem verstärke es die Abhängigkeit des geringer verdienenden (häufig ist das noch immer die Frau) gegenüber dem Besserverdienenden (häufig der Mann), so die Kritik.

Steuerklassen-Reform ist keine Steuererhöhung für Ehepaare

Einen Teil dieser Kritik wird aber schon mit der Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 begegnet. Im aktuellen Steuermodell zahlt der Besserverdienende in Steuerklasse 3 kaum Steuern, während der schlechter Verdienende in Steuerklasse 5 die gesamte Steuerlast auf sich nimmt. Wenn beide Ehepartner in Steuerklasse 4 sind, gilt für beide der einfache Grundfreibetrag. Beide zahlen ungefähr gleich viele Steuern nach der Gehaltsabrechnung. Auch hier ein Beispiel zur Veranschaulichung (vereinfacht):

Paul und Anna nutzen mit ihren Einkommen aktuell die Steuerkombination 3 und 5. Monatlich verdient Paul 5800 Euro brutto, davon bleiben ihm in Steuerklasse 3 monatlich 4008 Euro netto übrig. Er bezahlt also jeden Monat Steuern in Höhe von 636 Euro. Anna verdient 2000 Euro im Monat brutto, ihr bleiben davon monatlich in Steuerklasse 5 1250 Euro netto in der Tasche. Sie zahlt Steuern in Höhe von 322 Euro monatlich – also mehr als die Hälfte dessen, was Paul zahlt, obwohl er mehr als das Doppelte ihres Gehalts hat. Als Haushalt haben Paul und Anna aber jeden Monat gemeinsam 5258 Euro zur Verfügung. Allerdings werden Paul und Anna nach Abgabe der Steuererklärung vermutlich zur Kasse gebeten, oder sie erhalten kein Geld aus der Steuer zurück. Eine Rückerstattung ist hier unwahrscheinlich.

Anders wäre es, wenn Paul und Anna beide in Steuerklasse 4 wären. Dann würde Anna jeden Monat 1472 Euro netto haben und nur 106 Euro Steuern zahlen. Paul hingegen müsste jeden Monat 1080 Euro an Steuern zahlen, hätte im netto nur noch 3565 Euro übrig. Als Haushalt haben Paul und Anna etwas weniger im Netto jeden Monat, nämlich 5037 Euro. Allerdings haben sie auch viel mehr Steuern bezahlt, nämlich 14.232 Euro im Jahr. Hier ist zu erwarten, dass Paul und Anna Geld von der Steuererklärung erstattet bekommen.

Am Ende haben Paul und Anna genau gleich viel Geld. Es ändert sich nur, wann sie das Geld haben.

Das Ehegattensplitting, wie es heute existiert, führt laut der Hans-Böckler-Stiftung dazu, dass sich für viele Frauen die Erwerbstätigkeit gar nicht erst lohne. Denn es sind oft Frauen, die weniger verdienen als ihr Ehemann. Die Bundesregierung erhofft sich also durch die Steuerklassenreform einen höheren Arbeitsanreiz, insbesondere für Frauen. Eine Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, dass mit einer kompletten Abschaffung des Ehegattensplittings nicht erheblich mehr Steuereinnahmen erfolgen und sich die Erwerbsbeteiligung von Ehefrauen um rund 2,4 Prozent erhöhen würde. (mit Material von dpa)

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