Heil verteidigt Bürgergeld im TV vehement – Lanz liefert Empfänger-Zahlen, die tief blicken lassen

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Die SPD will auch künftig am Bürgergeld festhalten. Hubertus Heil verteidigt das Projekt bei Markus Lanz emotional. Doch zwei Zahlen alarmieren.

Hamburg – In gut einem Monat, am 1. Januar 2025, wird das Bürgergeld zwei Jahre alt. Ob es seinen dritten Geburtstag noch erleben darf, muss sehr bezweifelt werden. Denn die Union, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar zurück auf die Regierungsbank wechselt, will das Ampel-Projekt bekanntlich möglichst schnell begraben.

Arbeitsminister Hubertus Heil hat – auch auf Druck aus CDU und CSU – bereits vor einigen Monaten die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger verschärft. Das Modell an sich verteidigt der SPD-Politiker aber öffentlich gegen jedwede Kritik. So auch in der Sendung Markus Lanz im ZDF am Dienstagabend (26. November).

Streitgespräch über das Bürgergeld: Markus Lanz (l.) nimmt Arbeitsminister Hubertus Heil in die Mangel. © Screenshot ZDF

Heil bei Lanz über Bürgergeld: „Bin für harte Sanktionen - war ich immer“

Nachdem der lange Weg der SPD zum erneuten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, die deutsche Unterstützung im Ukraine-Krieg und die Alterssicherung abgearbeitet waren, durfte sich Heil im Gespräch mit Markus Lanz als Verfechter des Bürgergelds präsentieren. Dabei betonte er auch: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Leute nicht aufstehen. Da bin ich für harte Sanktionen – war ich immer – und die müssen auch durchgesetzt werden.“

Zu bedenken sei allerdings auch, dass rund ein Fünftel der vier Millionen Bürgergeld-Bezieher sehr wohl aufstehen würden, um einer Arbeit nachzugehen: „Das sind oft alleinerziehende Frauen, die einen schlechten Lohn haben, die Teilzeit arbeiten, und die ergänzende Grundsicherung brauchen, um über die Runden zu kommen.“ Wichtig sei daher der Mindestlohn, für dessen Anhebung die SPD – wohlgemerkt als Kanzler-Partei – schon länger erfolglos wirbt, und die Entlastung unterer Einkommen bei Steuern und Abgaben.

Wie schlecht es wirklich um das Ansehen des Bürgergelds steht, verdeutlichte Stern-Journalist Veit Medick, der in der Runde zusammenfasste: „Dieses Bürgergeld ist sozusagen ja schwerst in Verruf geraten. Das ist eigentlich verbrannt.“ Im übertragenen Sinne scheint es vor seinem bereits ausgehobenen Grab zu stehen.

Bürgergeld vor dem Ende? Lanz vermutet „falsche Anreize“ durch Politik

Lanz wurde ebenfalls deutlich: „Das Gefühl ist, dass zu viele Menschen im Bürgergeld sind, dass zu viel schwarzgearbeitet wird und das Gefühl ist, dass wir Massenzuwanderung hatten, in den letzten Jahren, und unglaublich schlecht sind, die Menschen offensichtlich in den Arbeitsmarkt zu integrieren – aus welchen Gründen auch immer.“

Weitere Tiefschläge für Heil: 1,6 Millionen Bürgergeld-Empfänger würden nicht arbeiten, obwohl sie könnten, außerdem hätten 48 Prozent der Bezieher keinen deutschen Pass. Der Gesamtanteil von hier lebenden Bürgern ohne deutschen Pass beträgt 14 Prozent. Er habe das Gefühl, dass die deutsche Politik beim Bürgergeld „die falschen Anreize“ setzt, endete Lanz.

Daraufhin bestätigte Heil, dass 1,6 oder 1,7 Millionen Bürgergeld-Empfänger tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. „800.000 davon übrigens langzeitarbeitslose Deutsche. Zwei Drittel davon haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die kriegen sie mal in einen Hilfsjob, aber nicht dauerhaft in Arbeit“, schilderte der 52-Jährige ein weiteres Problem.

Im selben Atemzug brach er eine Lanze für das Projekt: „Deshalb ist der Ansatz des Bürgergelds richtig an dieser Stelle, zu sagen: Wir müssen die qualifizieren, die müssen einen Berufsabschluss nachholen.“

Schriftzug Agentur für Arbeit an einer Häuserfassade
Vom Bürgergeld in Arbeit: Die SPD erhofft sich von dem Hartz-IV-Nachfolger, dass Menschen besser in Jobs vermittelt werden können. © IMAGO / Rene Traut

Heil über Ukrainer im Bürgergeld: „Wir müssen Hürden wegräumen - aber der Weg ist richtig“

Auch auf die vielen Kriegsflüchtlinge, die dem Bombardement aus Russland entkommen sind, kam er in diesem Zusammenhang zu sprechen: „Wir haben inzwischen 270.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit gebracht. Das reicht bei weitem nicht aus. Aber da müssen wir Hürden wegräumen – das sind manchmal Sprachhürden, manchmal geht es bei Frauen um Kinderbetreuung. Aber der Weg ist richtig.“

Ob das Bürgergeld nach Heils teilweise emotionalem Plädoyer doch eine Zukunft hat? Kaum vorstellbar. Denn wie inbrünstig führende CDU-Politiker wie Friedrich Merz oder Jens Spahn eine Fortführung ablehnen, ist auch ihm nicht entgangen. Was Heil augenscheinlich sauer aufstieß. (mg)

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