Orbán gründet neue Rechtsaußen-Fraktion im EU-Parlament – ohne die AfD

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Orbáns „Patrioten für Europa“ verweisen Melonis Fraktion auf Platz drei im EU-Parlament. Ein französischer Wahlverlierer soll Fraktionschef werden.

Brüssel – Rechtsextreme Europas, vereinigt euch: Unter diesem Motto könnte die neue Fraktion im EU-Parlament stehen, deren geistige Väter der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (Fidesz), der ehemalige österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und der frühere tschechische Regierungschef Andrej Babiš (ANO) sind. Sie hatten am 30. Juni unter dem Namen „Patrioten für Europa“ ein neues Rechtsbündnis gegründet, das nun zur Parlaments-Fraktion werden soll. Offiziell bestätigt wird sie wahrscheinlich in der kommenden Woche bei der nächsten Plenarsitzung in Straßburg.

Nach eigenen Angaben wird der Zusammenschluss 84 Abgeordnete aus 12 Ländern versammeln. Damit überschreitet er nicht nur die Schwelle von wenigstens 23 Abgeordneten aus mindestens 7 Ländern, die Voraussetzung dafür sind, um sich als Fraktion zu konstituieren. Sie verdrängt auch die ebenfalls rechte Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformisten“ (EKR), dominiert von der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni (Fratelli d‘Italia), als drittstärkste Kraft im EU-Parlament hinter Christ- und Sozialdemokraten.

Der frühere tschechische Regierungschef Andrej Babiš (ANO), der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (Fidesz) und der ehemalige österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) (v.l.n.r.) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich der Unterzeichnung eines Parteivertrages anlässlich der Gründung des rechtsextremen Bündnisses im Europäischen Parlament Patriots for Europe in Wien am 30. Juni 2024.
Das sind die geistigen Väter der neuen EU-Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten für Europa“: Der frühere tschechische Regierungschef Andrej Babiš (ANO), der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (Fidesz) und der ehemalige österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) (v.l.n.r.). © IMAGO/ALEX HALADA

„Patrioten für Europa“: Orbáns neue rechtsextreme EU-Fraktion – ohne die AfD

Der SPD-Europa-Abgeordnete René Repasi sieht in dem neuen Bündnis auch vor allem eine Schwächung von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Nachdem die Europa-Abgeordneten von Orbáns Fidesz-Partei nämlich 2021 die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) verlassen hatten und fraktionslos wurden, buhlte insbesondere die italienische Rechtspopulistin um ihre Gunst. Statt sie für ihre EKR-Fraktion zu gewinnen, machen die Fidesz-Leute mit ihrer neuen Fraktion Meloni nun Verbündete streitig und beanspruchen die Führung des Rechtsaußen-Lagers in Europa.

Eine aktuell fraktionslose Gruppe von Rechtspopulisten tritt allerdings nicht in die sich formenden Reihen der neuen Fraktion ein: Die AfD bleibt außen vor. Sie wurde kurz vor der Europa-Wahl nicht zuletzt wegen der Affäre um ihren EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der Fraktion „Identität und Demokratie“ ausgeschlossen, aus der nun viele Mitglieder zu den „Patrioten für Europa“ wechseln. AfD-Chefin Alice Weidel sagte am Dienstag, ein Beitritt ihrer Partei sei keine Option, auch wenn man „in Freundschaft verbunden“ sei und „unglaubliche inhaltliche Schnittmengen“ habe.

Konkurrenz für Meloni: „Patrioten für Europa“ verdrängen ihre EKR-Fraktion

Die Parteien der führenden Köpfe Orbán, Kickl und Babiš sind in ihren jeweiligen Ländern so stark, dass sie ihre Vorsitzenden zu einflussreichen Stimmen der europäischen Rechten machen. Fidesz regiert in Ungarn seit 2010 ununterbrochen. Die FPÖ ist in Österreich seit Jahrzehnten etablierte politische Kraft und hat dank ihrer Anti-Migrations-Haltung bei der Nationalratswahl im Herbst gute Chancen, auf Platz eins zu landen. Die ANO von Ex-Ministerpräsident und Milliardär Babiš würde mit Abstand stärkste Kraft werden, wären heute Parlamentswahlen in Tschechien.

Unter anderem gehören noch Melonis italienische Koalitionspartner von der nationalistischen Lega und das rechtsnationale Rassemblement National (RN) aus Frankreich der neuen Fraktion an. Fraktionschef soll der RN-Vorsitzende Jordan Bardella werden. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Parlamentskreise aus Brüssel, wo am Montag die erste Sitzung von Vertretern der „Patrioten für Europa“ stattfand. Vielleicht ist das eine Art Trostpflaster für den 28-jährigen Franzosen, der sich schon an der Spitze einer neuen französischen Regierung gesehen haben könnte, bevor Linke und Macronisten dem RN in letzter Minute den nationalen Wahlsieg wegschnappten.

Ablehnung von Migration und keine Unterstützung der Ukraine mehr

Darüber hinaus sind noch Vox aus Spanien, die Partei des niederländischen Wahlsiegers Geert Wilders sowie die rechtspopulistische Dänische Volkspartei und Belgiens radikal rechter Vlaams Belang dabei. Zudem hat die 2019 gegründete rechtspopulistische Partei Chega (Es reicht) aus Portugal ihr Interesse bekundet. 

Ein „Patriotisches Manifest“ des Bündnisses beinhaltet die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und „Green Deal“, keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten. 

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