Alarmierende Verluste im Ukraine-Krieg: Russische Soldaten töten sich gegenseitig

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Verluste im Ukraine-Krieg: 2023 haben russische Kriegsgerichte in über 150 Fällen Mord und Totschlag unter Kameraden verhandelt. Die Dunkelziffer könnte groß sein.

Moskau/Kiew – Russlands Truppen verlieren im Ukraine-Krieg nicht nur beim Versuch, weitere Gebiete in der Ukraine zu besetzen, mehr und mehr Personal. Auch die Fälle, in denen russische Soldaten ihre eigenen Kameraden töten, steigen laut Medienberichten immer weiter an. Nun hat das regierungskritische russische Medium Novaya Gazeta Europe Gerichtsdaten ausgewertet, nach denen allein im Jahr 2023 weit über 150 Soldaten in den besetzten Gebieten der Ukraine wegen Mord oder Totschlag verurteilt worden sein sollen.

Dabei bezieht sich die Online-Zeitung auf offizielle Gerichtsdaten, nach denen allein im Jahr 2023 mindestens 135 Menschen wegen Mordes und weitere 32 wegen Totschlags, beziehungsweise dem häufig stattdessen benutzten Straftatbestand „Verstoß gegen die Regeln zur Nutzung von Schusswaffen“ verurteilt worden sind. Laut dem Bericht gehen Fachleute zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer aus, weil die Gerichte der teilweise besetzten Gebiete Cherson und Saporischschja bislang gar keine Zahlen veröffentlicht hätten.

Im Ukraine-Krieg kommen russische Soldaten nicht nur im Kampfeinsatz ums Leben, sondern auch immer häufiger durch das Handeln ihrer Kameraden.
Im Ukraine-Krieg kommen russische Soldaten nicht nur im Kampfeinsatz ums Leben, sondern auch immer häufiger durch das Handeln ihrer Kameraden. (Symbolfoto) © Handout/AFP

Verluste im Ukraine-Krieg: Medienberichte zu Mordfällen an der Front nehmen zu

Laut Navaya Gazeta begingen damit im Jahr 2023 deutlich mehr russische Soldaten in den besetzten ukrainischen Gebieten Morde als Veteranen der russischen Streitkräfte im gesamten Staatsgebiet von Russland. Im Fall der Totschlagsdelikte sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Zehnfaches gestiegen. Als Erklärung sehen Fachleute diese Entwicklungen als Zeichen dafür, dass psychische Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) unter den russischen Militärs zugenommen haben könnten.

Dazu berichtete erst im Juni etwa auch das Nachrichtenportal DW.com, dass auch in Russland etliche Soldaten, die aus der Ukraine zurückgekehrt sind, schwere Straftaten begangen hätten, darunter auch mindestens 55 Morde. Bei den Zahlen dazu bezog sich das Nachrichtenportal auf die russische Medienseite Verstka. Auch diese Entwicklung würde laut Psychologen darauf hindeuten, dass viele der Kriegsrückkehrer an PTBS leiden.

Russische Soldaten im Angriffskrieg: Oft spielen Alkohol und Drogen eine Rolle

Ein weiterer wichtiger Faktor neben psychischer Belastung seien bei vielen bekannt gewordenen Fällen laut Novaya Gazeta auch Alkohol- und Drogeneinfluss. So sei bei der Auswertung der Gerichtsdaten herausgekommen, dass Alkohol in 83 Prozent der Mordfälle eine Rolle gespielt habe. In 76 Prozent der Fälle führten die Angeklagten sogar selbst in ihrer Verteidigung an, dass sie unter Alkoholeinfluss gestanden hätten. Einige Male hätten zudem die lediglich in 10 Prozent der Fälle eingeholten Gerichtsgutachten die Täter als alkohol- oder drogenabhängig identifiziert.

Auch unter den Beispielen, über die Novaya Gazeta berichtet, ist in einigen Fällen von alkohol- oder Drogeneinfluss die Rede. So etwa im Fall eines Soldaten, der auf seiner Fahnenflucht aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine einen russischen Offizier erschoss und beabsichtigte, auch noch weitere Soldaten anzugreifen, wenn ihm nicht die Munition ausgegangen wäre. Ein anderer Soldat hätte einen Kameraden in den Kopf geschossen, nachdem ihn dieser am Bein verletzt und ihn der Homosexualität bezichtigt hätte.

Über die Fälle hinaus, in denen russische Soldaten sich gegenseitig angreifen, sind auch von ukrainischer Seite zahlreiche Situationen bekannt, in denen Militärs in ähnlich banalen Situationen Zivilpersonen getötet und schwer verletzt hätten. Zu den Zahlen in diesen Fällen lägen laut Novaya Gazeta jedoch keine Informationen vor. (saka)

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