Haar wird Stadt, Vaterstetten will nicht
Die Stadterhebung von Haar im Landkreis München findet im Landkreis Ebersberg keine Nachahmer. Vom Nachbarn Vaterstetten gibt es skeptische Reaktionen zu einer eigenen Stadterhebung. In den großen Gemeinden im nördlichen Landkreis ist die Reaktion ähnlich.
Vaterstetten/Landkreis - Haars Bürgermeister ist euphorisch. „Ein toller Erfolg“, freut sich Andreas Bukowski, „und eine würdevolle Auszeichnung für die Entwicklung der Gemeinde in den letzten 100 Jahren“. Haar im Landkreis München wird zur Stadt erhoben. Die Kommune hat nach eigenen Angaben 25 015 Einwohner. In unmittelbarer Nähe nach Osten über die Landkreisgrenze und die Autobahn hinweg liegt Nachbar Vaterstetten im Kreis Ebersberg mit noch mehr Einwohnern. Offizieller Stand zum Juni 2024: 26 057 (Hauptwohnsitz, Quelle: Landratsamt). Doch hier gibt es zu einer eigenen Stadterhebung kritische Stimmen ebenso wie in den Bevölkerungszentren im nördlichen Landkreis.
Noch mehr aktuelle Nachrichten aus dem Landkreis Ebersberg finden Sie auf Merkur.de/Ebersberg.
Vaterstetten hat mehr Einwohner als Haar
Haar ist nach Garching und Unterschleißheim die dritte Kommune im Landkreis München, die vom Innenministerium zur Stadt erhoben wird. Rathauschef Bukowski spricht von einem „enormen Imagegewinn“, etwa was das Potenzial für die Gewerbeentwicklung angeht. Für die Bürger ändert sich aber zunächst nichts.
Großgemeinde sieht keine Vorteile
„Ich habe mich noch nie richtig mit den Voraussetzungen für die Stadterhebung beschäftigt“, entgegnet hingegen Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer. Wirkliche Vorteile sehe er nicht. „Ich persönlich bin lieber Bürgermeister der zweitgrößten Gemeinde in Bayern, als von irgendeiner Kleinstadt.“ Eine Folge der Stadterhebung wäre, dass die Kommune neue Ortschilder bräuchte. „Ich schätze, dass wir rund 30 Ortsschilder haben“, so der Rathauschef. „Eins kostet etwa 150 Euro. Sind also 4500 Euro plus die Arbeit.“ Überlegungen, die größte Kommune des Landkreises zu einer Stadt zu erheben, gebe es daher nicht.
„Was eine Stadterhebung bringen würde, weiß ich nicht“, meint auch Michael Baier, Vorsitzender der Partnerschaft Vaterstettens mit der kroatischen Stadt Trogir an der dalmatinischen Adriaküste. „Soweit ich das bei Haar sehe, ändert sich eigentlich nichts.“ Für die Partnerschaft mit Trogir wäre das aus seiner Sicht auch gar nicht wichtig. „Wichtig sind sowieso die Menschen.“ Die sehr lebendige Partnerschaft wurde 2009 gegründet, feiert also heuer ihren 15. Geburtstag. Sie ist neben Allauch in Frankreich und Alem Katema in Äthiopien die Jüngste von insgesamt drei Partnerschaften Vaterstettens.
„Titel ohne Mittel“
„Ein Titel ohne Mittel“ meint Vaterstettens Altbürgermeister und stellvertretender Landrat Georg Reitsberger. Das brauche die Kommune nicht. Eine Stadterhebung sei zu seiner Zeit dennoch Thema gewesen. Aber: „Wir wissen, was wir in Vaterstetten leisten und, dass wir eine schöne Heimat haben“ – auch ohne den Titel „Stadt“.
Meine news
Reaktionen aus Poing und Markt Schwaben
Kritische Stimmen erklingen ebenfalls aus den einigen Gemeinden im nördliche Landkreis: Sowohl Poing, als zweitgrößte Kommune im Landkreis mit insgesamt 17 234 Einwohnern (Stand 31. Juli 2024, Quelle: Gemeinde), als auch Markt Schwaben mit 14 577 Einwohnern (Stand 8. November2022, Quelle: Gemeinde) möchten ihren Gemeinde- und Marktstatus bisweilen behalten. „Das war bei uns nie Thema“, sagt Markt Schwabens Bürgermeisterin Walentina Dahms. „Wir haben Marktrechte und auch gar nicht das Ziel, Stadt zu werden.“ Aus der Wachstumsgemeinde Poing heißt es: Das Thema „Stadterhebung“ sei nicht Gegenstand von Überlegungen, „da es der Gemeinde keine unmittelbaren Vorteile bringt“, so Bürgermeister Thomas Stark.
Historische Beispiele: Grafing und Ebersberg werden Stadt
Im Landkreis Ebersberg sind nur zwei Kommunen im Rang von Städten. Grafing (rund 14 500 Einwohner, Hauptwohnsitz, Quelle: Landratsamt) wurde am 15. Juni 1953 zur Stadt erhoben. Beim feierlichen offiziellen Akt goss es übrigens in Strömen. Die Bärenstädter nahmen es mit Humor. Aus den Lautsprechern erklangen Musikstücke wie: „Eine kleine Stadt am Hafen“ oder „Mein Schatz muss ein Matrose sein“. Grafing habe früher schon Marktrechte gehabt, so Bürgermeister Christian Bauer heute. Die Einstufung als Stadt habe eine gewisse Außenwirkung und durch die Mitgliedschaft im Städtetag gebe es zusätzlich Information. Ansonsten bringe die Einstufung Grafing eigentlich nicht weiter. Die „Kreisstadt“ (Einwohnerzahl rund 12 800, Hauptwohnsitz, Quelle Landratsamt) wurde ein Jahr später am 12. Juni 1954 offiziell Stadt. Allerdings hatte es bereits zwischen den Jahren 1912 und 1919 eine städtische Verfassung gegeben. In der EZ war der Termin zur Stadterhebung damals übrigens schon zu lesen, bevor der Marktgemeinderat seine Zustimmung gegeben hatte.