Christuskirche Utting: Bald neue Heimat für die Protestanten am Westufer

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Das Pfarrer-Ehepaar Alexandra und Jochen Eberhardt am 25. August 2021 vor der ausgebrannten Christuskirche und am 13. November 2024 vor dem Rohbau der neuen Kirche. © Roettig

Der 25. August 2021 war der absolute Katastrophentag für die evangelischen Gläubigen am Westufer des Ammersees. Ein Vollbrand hatte ihre fast hundertjährige Christuskirche in Utting vollständig zerstört.

Utting – 1.202 Tage später soll im Rohbau der neuen Kirche bereits der erste improvisierte Gottesdienst stattfinden. Für den zweiten Adventssonntag am 8. Dezember 2024 plant das Pfarrer-Ehepaar Alexandra und Jochen Eberhardt die Premiere zusammen mit der Einführung des neu gewählten zehnköpfigen Kirchenvorstands. Die Chancen stehen gut für diesen recht gewagten Termin, denn die Bauarbeiten gehen sehr zügig voran. Seit der Grundsteinlegung am 4. August dieses Jahres haben die Handwerker fleißig gewerkelt, so dass Anfang November der erste Tieflader mit Holzwänden im Gewicht von zwanzig Tonnen vorfahren konnte.

Christuskirche in Utting mit guter Ökobilanz

Innovativ und nachhaltig wird der neue Baukörper, wobei die 30 Zentimeter dicken Massivholzwände Kälte und Wärme speichern. Durch diese thermische Trägheit kann sogar auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden. Bei geschlossenen Fenstern dauert es extrem lange, bis sich die Kirche abkühlt oder erwärmt. Sie braucht daher keine zusätzliche Dämmung und kommt ganz ohne Kunststoff aus. Die entsprechende Ökobilanz kann sich sehen lassen, denn die Kirche speichert doppelt so viel CO2 wie durch den gesamten Bau freigesetzt wird. Architekt Mauritz Lüps formulierte das so: „Wir bauen quasi einen Wald …“

Nach der zentimetergenauen Montage der Außenwände auf die Betonsockel der Bodenplatte folgt aktuell der Dachstuhl, der mit klassischen Ziegeln eingedeckt wird. Rein äußerlich wird sich die neue Kirche auf den ersten Blick kaum von der alten unterscheiden. Um ihre Identität fortzuführen, wird das aus Massivholz gefertigte Gebäude an den Außenfassaden waagrecht mit halbierten Rundstangen aus Fichtenholz verschalt. Damit erinnert es wieder an die skandinavische Holzknüppelbauweise der ausgebrannten Kirche. Für die Entrindung der gesamt 5,5 Kilometer langen Rundstangen organisierte Alexandra Eberhardt eine Gemeinschaftsaktion von handwerklich begabten Gemeindemitgliedern unter Anleitung von Profis.

Der neue Kirchturm samt Zwiebel wird 12,21 Meter hoch und wegen des Glockenstuhls etwas breiter als der ausgebrannte. Da man die alten Glocken wegen des Feuerschadens nicht mehr benutzen kann, werden die neuen Glocken aus Bronze gefertigt und in derselben Anordnung und Läuterichtung wie bisher aufgehängt. Nach alter Tradition sollen sie mit der Hand geläutet werden.

An das Innere der neuen Kirche werden sich die Besucher schnell gewöhnen. Es gibt keine Säulen mehr, die die Sicht blockieren. Dafür kleine Fenster auf Augenhöhe für den Blick nach draußen. Der Altar ist mobil und kann je nach Veranstaltung versetzt werden. Mit Stühlen anstatt festen Bänken ist man flexibel auch für andere Events wie Konzerte oder Ausstellungen. In die nördliche Wand wurde eine Krone für die Orgelpfeifen ausgeschnitten. Die bisherige Ölheizung im von Feuer einigermaßen verschonten angrenzenden Gemeindehaus wird ersetzt durch eine ökologisch nachhaltige Alternative, die auch in der neuen Kirche zum Tragen kommt.

Die Gesamtkosten für den Neubau der Christuskirche werden bei rund 2,6 Millionen Euro liegen. 1,5 Millionen übernimmt die Versicherung, der Rest wird über Spenden und diverse Zuschüsse wie von der Evangelischen Landeskirche finanziert. Von der 270.000 Euro teuren neuen Orgel übernimmt die Gemeinde Utting einen Anteil von 65.000 Euro.

Erst ab 1931 eine „richtige Kirche“

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der Uttinger Bevölkerung evangelisch. Erst 1927 erhielt der „Evangelische Verein Utting“ in der Laibner Straße einen Betsaal in skandinavischer Holzknüppelbauweise, aber noch ohne Glockenturm. Im hinteren Teil gab es einen kleinen Gemeinderaum, in dem Kindergottesdienste, Bibelstunden und Chorproben stattfanden. Vier Jahre später wurde der Betsaal mit einem Turm für drei Glocken erweitert, mauserte sich also erst 1931 nach landläufigen Maßstäben zu einer richtigen Kirche.

In den folgenden fünfzig Jahren veränderte sich das Gesicht der Kirche nur geringfügig. Wegen der wachsenden Mitgliederzahl musste ein Gemeindezentrum angebaut werden. Zwischen 1987 und 1990 wurde das Gotteshaus renoviert und bekam den offiziellen Namen „Christuskirche“. Die Kirchenbänke hat man dabei verbannt und Stühle angeschafft, um flexibel auch andere Veranstaltungen durchführen zu können. Wie ganz weltliche Ausstellungen, klassische Konzerte oder sogar Poetry-Slam-Wettbewerbe.

Am 10. Juli 2027 hätte die ausgebrannte Christuskirche ihr einhundertjähriges Bestehen feiern können. Erste Überlegungen für ein Festprogramm gab es bereits, als am 25. August 2021 das verheerende Feuer die einmalige Knüppelkirche zerstörte. Bis heute ist die Ursache ungeklärt.

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