VW-Markenchef spricht über notwendige Werksschließungen: Das ist der Plan von Volkswagen
Im VW-Krisenjahr deutet gen Jahresende alles auf Warnstreiks der Beschäftigten hin. Sie waren zuletzt von der IG Metall gefordert worden. Nun deutete Markenchef Schäfer einen Zeitplan an.
Wolfsburg – Nach schwierigen Monaten im anhaltenden ökonomischen Krisenjahr stellt sich Deutschlands größter Autobauer auch im Dezember auf ein paar wenig besinnliche Wochen ein. Nach erneut gescheiterten Tarifverhandlungen der Vorwoche kündigte die IG Metall Streiks an. Zuletzt war von der Konzernführung in Persona von Volkswagen-Markenchef Thomas Schäfer zu hören, der Konzern müsse dem Widerstand seiner Beschäftigten zum Trotz an Werksschließungen in Deutschland festhalten. Sich der neuen, wenn auch bitteren Lage anzupassen bedeute so auch, Kapazitäten zu verringern, wie Schäfer der Welt am Sonntag erklärte.
Dazu gehörten auch potenzielle Werksschließungen von Komponentenstandorten und Fahrzeugwerken. Auf die Frage, ob VW auf Werksschließungen verzichten könne, sagte Schäfer: „Wir sehen das aktuell nicht.“ In seinen Ausführungen widmete sich der Konzernchef aber auch einem konkreten Plan für die Zukunft. Diesen brauche Deutschlands größter Autobauer zum aktuellen Zeitpunkt dringend, statt Maßnahmen einzuleiten, die lediglich Ergebniskosmetik gleichkämen.
VW-Markenchef will schnelle Neuausrichtung – „Es bringt nichts, eine Restrukturierung bis 2035 zu ziehen“
Wie aber blickt VW-Markenchef Schäfer nach den zahlreichen Negativschlagzeilen, die den Wolfsburger Autobauer über das gesamte Kalenderjahr ereilten, auf die aktuelle Lage und was braucht es seiner Meinung nach, um VW wieder nachhaltig auf wirtschaftlich festen Boden zu stellen? Nach dem Nachfrage-Einbruch auf den europäischen Automobilmärkten zumindest hegt Schäfer wenig Hoffnung, dass sich diese bald langfristig erholen könnte. Gleichzeitige kämpfe der Autobauer hierzulande mit „strukturellen Nachteilen“, insbesondere mit den „hohen Arbeitskosten in deutschen Fabriken“, die etwa doppelt so hoch seien wie in VW-Standorten in Süd- und Osteuropa. „Das muss jetzt wieder ausgeglichen werden“, resümierte Schäfer nun gegenüber der Welt am Sonntag.

Ziel sei es nun, die Dimensionen des Autobauers an die neue Marktrealität anzupassen. „Das betrifft die Fabriken und die indirekten Funktionen in der Verwaltung, also beispielsweise Servicecenter und Technische Entwicklung. Zum Großteil wird der notwendige Stellenabbau über die demografische Kurve möglich sein“, resümierte der VW-Markenchef weiter. Damit bezieht sich Schäfer auf den Umstand, Stellen von VW-Beschäftigten, die mit dem Renteneintritt der betreffenden frei werden, zunächst nicht mehr nachzubesetzen.
Dies dürfte ihmzufolge jedoch nicht ausreichen, den Strukturwandel des Unternehmens schnell genug zu vollziehen, um unterdessen nicht von anderen Konkurrenten auf dem Markt abgehängt zu werden. Aus diesem Grund zieht der VW-Markenchef zum aktuellen Zeitpunkt mit Blick auf zeitnahe Entwicklungen: „Es bringt nichts, eine Restrukturierung bis 2035 zu ziehen. Das würde schlicht zu lange dauern.“
„Aufholen“, „Angriff“ und „Anführen“ sind Leitbilder des Drei-Phasen-Plans bei Volkswagen
Ende Oktober kündigte der VW-Betriebsrat an, mehrere seiner zehn Werke in Deutschland schließen zu wollen, wie die ARD-Tagesschau zu jenem Zeitpunkt berichtete, könnten es mindestens drei Werke in Deutschland sein – und damit Zehntausende Stellen. „Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher“, erklärte VW-Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Info-Veranstaltung für die VW-Belegschaft in Wolfsburg Ende Oktober weiter. Der VW-Konzern zählt in Deutschland aktuell rund 120.000 Mitarbeiter, etwa die Hälfte von ihnen sind in der Autostadt Wolfsburg angestellt. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Standorte, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins in Hessen.
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Während die Beschäftigten an jenen VW-Standorten schon seit Monaten immer stärker um ihre Positionen und die Zukunft des Autobauers bangen, ging Markenchef Schäfer gegenüber der Welt am Sonntag am Wochenende auch auf einen konkreten Zeitplan für die langfristige wirtschaftliche VW-Restrukturierung ein. „Ich denke an einen Zeitraum von drei, vier Jahren.“ Dabei wolle er weiter Autos in gewohnter VW-Qualität auf die Straße bringen und dafür sorgen, dass Stellen konsequent „nicht nachbesetzt werden.“Langfristiges Ziel des Konzerns sei es, „auch für künftige Generationen ein zuverlässiger, guter Arbeitgeber sein“.
Den Weg hierhin soll dem VW-Markenchef zufolge ein „Drei-Stufen-Plan“ ebnen, der auf den Leitbegriffen „Aufholen“, „Angriff“ und „Anführen“ basiert. In diesem Zuge soll der wirtschaftliche Rückschlag bis Ende 2026 aufgeholt werden. „Angriff“ beziehe sich dabei auf Marktperspektiven: Bis 2027 will VW unter dem Stichwort „Modelloffensive“ acht neue Modelle auf den Markt bringen - inklusive bezahlbarer E-Autos, die bisher im VW-Repertoire fehlten und unter anderem für die niedrige Nachfrage im Segment verantwortlich sind. Auch will man den europäischen Markt langfristig wieder anführen, indem man drei seiner Fahrzeuge in den Top Ten der meistverkauften Fahrzeuge auf dem Kontinent bringt.
Im historischem VW-Arbeitskampf ist mit Streiks Anfang Dezember ein neuer Höhepunkt angekündigt
Angeheizt worden war die angespannte Situation zwischen VW-Vorstand und Beschäftigten an seinen deutschen Standorten vor allem durch die umstrittene Entscheidung des Konzern-Vorstands, den Vertrag zur Beschäftigungssicherung aufzukündigen, der Angestellten mit Tarifvertrag 30 Jahre lang einen Kündigungsschutz garantierte. Betriebsratschefin Cavallo veranlasste das zur Aussage: „Der Konzern steht gegen uns“, wie sie bereits Ende Oktober von der ARD-Tagesschau zitiert worden war und drohte schon damals mit dem Abbruch der Gespräche.
Nun, einen Monat später, sieht die Lage beim Wolfsburger Autobauer nicht weniger düster aus: Anfang Dezember soll es Warnstreiks geben, deren konkretes Ausmaß zum aktuellen Zeitpunkt nur abgeschätzt werden kann, weil sich die IG Metall bislang nicht zu Terminen oder Standorten äußerte. Absehbar ist jedoch, dass sie massiv ausfallen könnten, um den Druck auf die VW-Konzernführung zu erhöhen. IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger kündigte einen „Arbeitskampf“ an, „den das Land in seiner Intensität lange nicht mehr gesehen haben könnte“, wie er vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) zitiert wurde. VW fordert etwa für die Kernmarke Lohnkürzungen von zehn Prozent sowie den Abbau von Zulagen und Boni.
Vor der erfolglosen dritten Runde der Tarifverhandlungen hatten VW-Arbeitnehmervertreter zudem einen Gehaltsverzicht von Belegschaft und Vorstand vorgeschlagen und im Gegenzug Garantien für Beschäftigung und Standorte gefordert. Diesbezüglich räumte Schäfer im Gespräch mit der Welt am Sonntag ein: „Wir verzichten bereits seit Januar auf fünf Prozent unseres Fixgehalts.“ Auch das VW-Management habe im anhaltenden Jahr bereits auf den Inflationsausgleich von 1000 Euro und eine 3,3-prozenzige Gehaltserhöhung verzichtet. „Wenn es eine Vereinbarung in den Tarifverhandlungen gibt, dann gehört es für mich dazu, dass Vorstand und Management einen Beitrag leisten“, fügte der VW-Markenchef hinzu.