Die Operation Super-Mario: Bekommt von der Leyen noch Konkurrenz aus Italien?

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Mario Draghi wird als EU-Kommissionschef gehandelt. Nur Plan B? Oder ein sorgfältig inszeniertes Manöver von Franzosen und Italienern, damit von der Leyen stürzt?

Rom – Hat sich die EU-Kommissionschefin vielleicht im September ihr eigenes politisches Grab geschaufelt? Ursula von der Leyen berichtete damals vor dem EU-Parlament, sie habe den Italiener Mario Draghi damit beauftragt, einen Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit Europas anzufertigen. Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank und italienischer Ex-Premierminister, sei einer der „größten europäischen Wirtschaftsgeister“, sagte sie.

Die 65-Jährige zitierte Draghis berühmtes „whatever it takes“. Mit jenen Worten hatte der Italiener 2012 an der Spitze der EZB den Finanzmärkten seine Entschlossenheit demonstriert, den Euro um jeden Preis zu retten, der Beiname „Super-Mario“ machte die Runde. Europa werde, so von der Leyen im September, nun alles tun, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu behalten. Mit den Vorschlägen Mario Draghis.

Draghi könnte Stolperstein für von der Leyen werden

Der Italiener, der bis Oktober 2022 einer Koalitionsregierung in Rom vorstand, gab bei einem Vortrag in La Hulpe bei Brüssel vor Wochen erstmals Einblick in sein Rezept zur Rettung Europas. Organisation und Entscheidungsprozesse in Europa seien angesichts der veränderten globalen Bedingungen veraltet. Die EU brauche mehr Mehrheitsentscheidungen, gemeinsame Anstrengungen und Visionen in der Verteidigungspolitik sowie „Leadership“ bei digitalen Innovationen.

Mario Draghi und Giorgia Meloni
Schlägt nochmal die Stunde für Mario Draghi, zumindest in Brüssel? Giorgia Meloni, hier bei der Amtsübergabe 2022, würde das wohl politisch nutzen. © Massimo Di Vita/Imago

Draghi soll seinen Bericht erst nach der Europawahl (6.-9. Juni) vorstellen. Manche, vor allem in Italien, verstanden sein Manifest jedoch als Kandidatur: für den Posten des EU-Kommissionschefs. Denn von der Leyens Wiederwahl gilt nicht mehr als sicher. Draghi sollte dabei ihr Helfer werden, könnte nun aber zum Stolperstein werden. Während die Deutsche weiterhin zahlreiche Fürsprecher vor allem bei den Konservativen hat, wächst die Skepsis an ihrer Kandidatur. Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft gegen sie wegen der Beschaffung von Impfstoffen beim US-Hersteller Pfizer werfen einen Schatten auf ihre erste Amtszeit seit 2019. Wegen ihres „Green Deals“ und dem Verbrenner-Aus zweifeln sogar immer mehr EVP-Parlamentarier an ihr.

Macron sucht Verbündete gegen von der Leyen

Wie ernst die Option Mario Draghi ist, wird sich erst nach der Wahl herausstellen. Dem Vernehmen nach soll Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der von der Leyen 2019 in das Amt hievte, Draghi ins Spiel gebracht haben. Die von Berlin protegierte von der Leyen ist ihm nun offenbar ein Dorn im Auge. Macrons Vision eines von den USA unabhängigen Europa teilt die Kommissionspräsidentin nicht. Um das Palastmanöver anzuschieben, sucht der französische Präsident Verbündete, unter anderem in Rom. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wird hierbei zur Schlüsselfigur.

Meloni ist nicht nur Draghis Nachfolgerin im Amt der Ministerpräsidentin. Trotz aller ideologischer Unterschiede funktionierte die Amtsübergabe im Herbst 2022 reibungslos. Den hoch angesehenen Italiener Draghi an die Spitze Europas gehievt zu haben, könnte Meloni bei den Wählern in der politischen Mitte noch beliebter machen. Die 47-Jährige versucht in Italien, auch gemäßigte Wähler für sich einzunehmen. Die Operation Draghi ginge in diese Richtung.

Und Draghi? Der hatte angeblich auch vor seiner Wahl zum italienischen Ministerpräsidenten 2021 keine Ambitionen auf das Amt, ließ sich dann aber beknien und führte Italien aus der Pandemie. Er sei ein „Großvater im Dienst der Institutionen“, sagte der Italiener später. Würden die Staats- und Regierungschefs der EU den 75-Jährigen bedrängen, würde er sich als Kommissionspräsident kaum verweigern. (Julius Müller-Meiningen)

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