US-Experte sieht Trump vor Biden: „Alle Skandale scheinen an ihm abzuprallen“

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Donald Trump will neuer, alter US-Präsident werden? Wie stehen seine Chancen? Antworten gibt der frühere Washington-Korrespondent Jan Philipp Burgard im Interview. © Imago/ZUMA Wire/picture alliance/dpa/AP/Manuel Balce Ceneta/Welt (Montage)

Wird Donald Trump erneut US-Präsident? „Momentan stehen die Chancen nicht schlecht“, sagt Jan Philipp Burgard. Der Journalist spricht im Interview über seine aktuelle US-Reise.

Anfang November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Wen die Republikaner und die Demokraten ins Rennen schicken, steht offiziell erst im Sommer fest. Dennoch deutet alles auf ein erneutes Duell zwischen Amtsinhaber Joe Biden und seinem Vorgänger Donald Trump hin. Laut aktuellen US-Umfragen liegt Trump derzeit leicht vor seinem früheren Widersacher. Ein erstes ernstzunehmendes Stimmungsbild gibt der „Super Tuesday“ am Dienstag (5. März). Dann finden in mehreren US-Bundesstaaten zeitgleiche Vorwahlen statt.

Der Journalist Jan Philipp Burgard, Chefredakteur bei Welt TV, war vor dem „Super Tuesday“ für eine TV-Reportage in den Vereinigten Staaten, um sich ein Bild von der Stimmung im Land zu machen. Im Interview mit IPPEN.MEDIA spricht Burgard über seine Eindrücke.

Herr Burgard, Sie haben mehrere Wahlkampfauftritte von Donald Trump besucht. Was haben Sie da erlebt?

Ob es seinen Kritikern gefällt oder nicht – Trump hat die Gabe, Menschenmengen für sich zu begeistern. Interessant war zu beobachten, wie er mit den zahlreichen Anklagen gegen sich umgeht.

Wie denn?

Er zieht sie ins Lächerliche. „Wusstet Ihr schon, dass ich mehr Anklagen habe als Al Capone, der große Mann?“, rief Trump ins Publikum. Die Prozesse gegen ihn bezeichnete er wörtlich als „Bullshit“. Die Menge johlte und feierte Trump dafür.

Wie sieht diese Menge aus? Gibt es den typischen Trump-Wähler überhaupt?

Laut Meinungsforschern sind es vor allem weiße, ältere Männer ohne Hochschulabschluss, die Trump unterstützen. Aber wir haben auf unserer Drehreise durch South Carolina auch sehr unterschiedliche Trump-Wähler kennengelernt. Zum Beispiel einen schwarzen Pastor, der einst als stolzer Demokrat Barack Obama seine Stimme gab. Heute glaubt er in der Behandlung Trumps durch Justiz und Medien Parallelen zur Unterdrückung von Schwarzen in den USA zu sehen. Wir haben auch mit einem aus Hongkong stammenden Politikstudenten gesprochen, der zwar als Migrant den amerikanischen Traum lebt, aber gleichzeitig Trump für seine restriktive Einwanderungspolitik verehrt. Die Trump-Wählerschaft ist in meiner Wahrnehmung heterogener, als viele glauben.

Jan Philipp Burgard, Chefredakteur von Welt TV.
Jan Philipp Burgard ist seit 2021 Chefredakteur von Welt TV. © Welt

Zur Person: Jan Philipp Burgard ist Chefredakteur des Nachrichtensenders Welt. Regelmäßig im TV zu sehen ist er als Moderator der Sendung „Welt Talk“. Von 2017 bis 2021 berichtete Burgard als ARD-Korrespondent aus den USA. In dieser Zeit entstanden seine Bücher „Mensch, Amerika!“ und „Ausgeträumt, Amerika?“, das ein Bestseller wurde.

Müssen wir in Europa und Deutschland unser Bild von Trump korrigieren?

Nein, im Kern erleben wir denselben Trump wie in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf 2016. Allerdings sollte niemand den Fehler machen, ihn noch einmal zu unterschätzen.

Was hat sich im Vergleich zum letzten Trump-Biden-Wahlkampf verändert?

Mich hat erschrocken, wie die Verbreitung von „Fake News“ zugenommen hat und wie stark Desinformationen in die Köpfe vieler Amerikaner eingesickert sind. Als die Kamera aus war, erzählte uns beispielsweise ein Trump-Unterstützer mit dem Brustton der Überzeugung, die Parteiführung der Demokraten in Washington würde das Blut ungeborener Babys trinken, um damit ewige Jugend zu gewinnen. Die Aussage, die Präsidentschaftswahl 2020 sei manipuliert worden, haben wir sehr regelmäßig gehört. Noch heute sind laut Umfragen sechs von zehn Republikanern davon überzeugt, dass man Trump den Wahlsieg „gestohlen“ habe und die Wahl gesetzeswidrig war. Dutzende Gerichtsurteile, die das Gegenteil belegen, ändern nichts daran. Das Vertrauen in die Justiz und die demokratischen Institutionen wurde durch Desinformationskampagnen massiv beschädigt.

Ist Biden noch fit genug? „Auf mich wirkte der US-Präsident müde und etwas kraftlos“

Wie erlebten Sie den Blick auf Joe Biden?

Joe Biden konnte ich kürzlich für einige Minuten im Oval Office erleben, als Bundeskanzler Scholz zu Besuch war. Die wenigen Sätze, die er vor der Presse zur Begrüßung sagte, musste er von dick bedruckten Karten ablesen. Auf mich wirkte der US-Präsident müde und etwas kraftlos. Schon im Präsidentschaftswahlkampf 2020, als ich ihn einige Tage in New Hampshire beobachten konnte, fragte ich mich, wie er die unvorstellbaren Strapazen des Wahlkampfes durchhalten würde.

Der Gesundheitszustand des Präsidenten ist immer wieder Thema. Nun hat er sich durchchecken lassen. Er sei „weiterhin fit für den Dienst“, leide aber unter diversen Beschwerden wie Schlafstörungen oder einem „steifen Gang“. Hat der 81-jährige Biden noch die Kraft für den kräftezehrenden Wahlkampf?

Natürlich kann das am Ende nur Biden selbst beurteilen. Aber laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag der New York Times glaubt die überwältigende Mehrheit von 73 Prozent aller registrierten Wähler, dass Biden zu alt ist, um das Präsidentenamt effektiv ausführen zu können. In einem Wahljahr ist das eine alarmierende Zahl.

Also stehen die Chancen gut für eine neue Präsidentschaft Trump?

Es sind noch acht Monate bis zur Wahl, das ist eine sehr lange Zeit in der amerikanischen Politik. Momentan stehen die Chancen für Trump tatsächlich nicht schlecht. Er führt in den Umfragen in einigen oftmals wahlentscheidenden Bundesstaaten wie Georgia, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Alle Skandale und Probleme mit der Justiz scheinen an ihm abzuprallen. Er mobilisiert seine Wähler damit sogar. Bei einer Veranstaltung, die wir in South Carolina besuchten, sagte Trump mit Blick auf die Prozesse gegen ihn: „Sie wollen mich zum Schweigen bringen, weil ich niemals zulasse, dass sie Euch zum Schweigen bringen. Am Ende sind sie nicht hinter mir her, sondern hinter Euch.“ Diese Taktik funktioniert offenbar.

Worauf müssten sich Europa und Deutschland bei einem Trump-Sieg vorbereiten?

Ob Trump die USA tatsächlich aus der Nato herausführen würde, steht noch in den Sternen. Aber ich bin sicher, dass sich Amerika in sicherheitspolitischen Fragen weiter von Europa ab- und dem pazifischen Raum zuwenden wird. Diese Entwicklung hat übrigens schon unter Präsident Obama begonnen. Deutschland und Europa müssen also in jedem Fall mehr Eigenverantwortung übernehmen und noch mehr in die eigene Verteidigung investieren. Auch in der Handelspolitik könnte eine neue Trump-Präsidentschaft gravierende Folgen für Deutschland haben. Denn Trump hat bereits pauschale Zölle auf alle Einfuhren in Höhe von zehn Prozent angekündigt. Das könnte schmerzhaft für unsere Wirtschaft werden.

Wie blicken die USA generell auf Europa und Deutschland?

Mein Eindruck ist, dass sich viele Durchschnittsamerikaner nicht besonders für Außenpolitik interessieren. Und die emotionalen Verbindungen zu Deutschland nehmen kontinuierlich ab, seitdem nicht mehr so viele US-Truppen hier stationiert sind. Studien zeigen allerdings, dass die USA Deutschland immer noch für einen wichtigen Partner halten.

Ihre Erfahrungen zeigen Sie in einer Doku für Welt TV. Sie erscheint am Dienstag, dem „Super Tuesday“ mit wegweisenden Vorwahlen. Welche Bedeutung hat dieser Tag?

Der Super Tuesday ist der Höhepunkt des Vorwahlkampfes, 16 US-Bundesstaaten stimmen gleichzeitig über die Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und Republikaner ab. Trump hat bis auf Washington DC alle bisherigen Vorwahlen gewonnen und führt in allen relevanten Umfragen gegen seine letzte verbliebene parteiinterne Herausforderin Nikki Haley. Wichtige Großspender haben Haley bereits den Geldhahn zugedreht, weil sie ihren Wahlkampf für gescheitert halten. Ich erwarte, dass Trump sich an diesem Super Tuesday die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner sichert.

„TRUMP – Das große Comeback? Warum so viele Amerikaner ‚The Donald‘ immer noch lieben“ – die Reportage von Jan Philipp Burgard läuft am Dienstag, den 5. März 2024 um 20.15 Uhr auf Welt TV und anschließend in der Mediathek.

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