"Größte Mogelpackung der Welt" – Leser diskutieren über Miet-Abzocke beim Jobcenter

Der Bericht über doppelten Sozialleistungsbezug im Göttinger Plattenbau entfacht eine hitzige Debatte. Unter dem Artikel  "'Kassieren doppelt': Wie Mieter aus Göttinger Plattenbau Geld vom Amt abzocken" fordern die Leser  schärfere Kontrollen und härtere Strafen für Betrug, andere sehen das Problem in einem überforderten und schlecht organisierten Sozialsystem. In den Kommentaren mischen sich Empörung, Ironie und tiefe Skepsis gegenüber Politik und Verwaltung – ein deutliches Zeichen für den schwindenden Glauben an staatliche Gerechtigkeit.

Verteilung der Meinung zu "Leser debattieren über Sozialbetrug, politische Verantwortung und Vertrauensverlust"
Ironie, Sarkasmus und Zweifel an der Funktionsfähigkeit von Staat und Behörden durchziehen die Diskussion. FOCUS Online

Leser fordern harte Regeln für das Jobcenter

Mit 22 Prozent verlangen die meisten Leser schärfere Kontrollen und strukturelle Reformen in der Sozialverwaltung. Sie kritisieren, dass Jobcenter Mietzuschüsse oft an Leistungsbezieher statt an Vermieter überweisen und so Missbrauch oder Doppelzahlungen ermöglichen. Diese Forderung nach direkter Mietzahlung ist nicht neu – sie wird seit Jahren diskutiert, bislang ohne bundesweite Regelung. 

Tatsächlich erlaubt das Sozialgesetzbuch II schon heute, dass Jobcenter Mieten direkt an Vermieter zahlen können, wenn ein Missbrauchsrisiko besteht. Eine Pflicht dazu gibt es aber nicht. Die Kritik der Leser richtet sich daher gegen mangelnde Konsequenz und unzureichende Kontrollen in den Ämtern. Viele sehen in dem Verwaltungsversagen ein Symbol größerer Systemschwächen im Umgang mit Steuergeldern.

"Ich frage mich, wenn man diese Erfahrung macht, warum das Amt dann nicht hergeht und den Mietern das Geld nicht mehr auszahlt, sondern dem Mieter direkt überweist. Darüber hinaus wäre es auch angezeigt, dass sich das Amt mit dem Vermieter nicht in Verbindung setzt und beim Vermieter den offenen Mietstand abfragt. Immerhin werden hier von den Mietern Mietzahlungen veruntreut. Da lässt das Amt lieber Mietrückstände auflaufen und zahlt dann die Miete mehrfach aus. Gibt es eigentlich Kenntnis darüber, ob dann mit den gewährten Darlehen auch die Mieten bezahlt werden? Es fehlt hier einfach eine vernünftige Kontrolle. Der Umgang mit den Sozialhilfebeträgen wird auch vom Amt sehr lasch gehandhabt. Da muss der hart arbeitenden Bevölkerung der Kamm schwellen, wie hier Steuergelder verpulvert werden."  Zum Originalkommentar

"Die Frage ist, warum das Geld nicht von Amts wegen direkt an den Vermieter bezahlt wird. Eine kleine Änderung der Verordnung oder des Gesetzes, und die Sache wäre geritzt."  Zum Originalkommentar

"Wenn der Mieter den Betrag, den er vom Jobcenter erhält, nicht an den Vermieter weiterleitet, dann sollte das Jobcenter die Miete direkt an den Vermieter zahlen. Das bekommen die hochqualifizierten Mitarbeiter der Jobcenter offensichtlich nicht auf die Reihe."  Zum Originalkommentar

"Kommt denn niemand auf die Idee, gegen diejenigen, die das Jobcenter abzocken und die Kosten für die Unterkunft nicht an den Vermieter weitergeben, Strafanzeigen zu stellen? Das ist klarer Betrug §263 StGB. Und, wenn es ganz lustig wird, zahlt das Jobcenter die Miete zweimal. Wenn Obdachlosigkeit für die Mietschuldner droht, ist das Jobcenter verpflichtet, diese zu vermeiden und den Betrügern ein Darlehen in Höhe der Mietschuldner zu gewähren. Das kann alles nicht mehr wahr sein, was gerade in Deutschland passiert."  Zum Originalkommentar

"Kommt eigentlich mal jemand darauf, Gesetze/ Regeln zu ändern? Entweder dürfen Mieter nichts widerrufen oder die Miete wird direkt an den Vermieter gezahlt. Aber wäre ja wieder anstrengend, da müsste man die Wohnkosten vom BG abziehen. Zu viel Arbeit. Ne, da wird lieber doppelt gezahlt."  Zum Originalkommentar

Systemkritik

Einige Leser verorten die Verantwortung auf politischer Ebene. Sie sprechen von einem "Versagen des Staates" und prangern fehlende Aufsicht, ineffiziente Verwaltung und mangelnden Reformwillen an. Die Vorwürfe sind Ausdruck tiefer Frustration über bürokratische Abläufe und ungenutzte Reformchancen. 

Tatsächlich wurde die Sozialverwaltung in den letzten Jahren mehrfach umstrukturiert, zuletzt mit dem Bürgergeld-Gesetz 2023. Doch die erhoffte Vereinfachung blieb vielerorts aus. Der Unmut der Leser zeigt, dass die öffentliche Wahrnehmung der Jobcenter nach wie vor von Misstrauen geprägt ist – besonders, wenn Fälle von Missbrauch oder Fehlbuchungen bekannt werden. Die Kritik verweist auf ein zentrales Problem: Die Verwaltung gilt als zu schwerfällig, um Missbrauch effektiv zu verhindern, und zu intransparent, um Vertrauen zurückzugewinnen.

"Das ist seit Jahren bekannt, wieso unternahmen/unternimmt die Regierung nichts?!? Steuerverschwendung ist schlimmer als Steuerhinterziehung (in den meisten Fällen)."  Zum Originalkommentar

"Staatsversagen auf ganzer Linie!"  Zum Originalkommentar

"Willkommen in der größten Mogelpackung der Welt. Dafür haben auch eine Sonderregierung, deren Hauptaufgabe in der Bekämpfung der Opposition besteht. Vernünftige Politik für das Land ist denen wurscht!"  Zum Originalkommentar

"Sowas gibt es nur bei uns, Politiker und Beamten ist doch vollkommen egal, wie unsere Steuergelder verschleudert werden. Beamte und Politiker bekommen ihre Gehälter, Diäten und Pensionen, auch wenn die Sozialsysteme pleite sind."  Zum Originalkommentar

Forderung nach harten Konsequenzen

14 Prozent der Leser fordern härtere Sanktionen für Sozialbetrug – und zwar für beide Seiten: Leistungsbezieher, die Gelder zweckentfremden, ebenso wie für Beamte, die Fehler decken oder dulden. Viele monieren, dass Verstöße selten Konsequenzen haben und bestehende Gesetze nicht konsequent angewendet werden. 

Tatsächlich erlaubt § 263 StGB bereits heute, Sozialbetrug als Betrugstatbestand strafrechtlich zu verfolgen. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist aber gering, weil Beweise schwer zu führen sind. Der Ruf nach mehr Strafverfolgung ist Ausdruck eines verbreiteten Gerechtigkeitsempfindens: Wer Unterstützung erhält, soll sie zweckgebunden verwenden – und wer sie verwaltet, soll dafür verantwortlich sein.

"Wenn das keine strafbare Veruntreuung ist, weiß ich ehrlich nicht, ob man sich noch an irgendwelche Regeln halten muss."  Zum Originalkommentar

"Wie gesagt, unsere Strafen sind viel zu milde, da ist die Hemmschwelle auf dem untersten Level, wem was wegnehmen, der eigentlich nicht hat. Gefängnisstrafen müssen daher, sonst wird das nichts, über Bewährungsstrafen und Bewährungsauflagen lachen die sich doch schlapp. Runter mit dem Bürgergeld bis auf Sozialhilfe, kein Bargeld mehr. Wer Betrug in Betracht zieht und erwischt wird, gar nichts mehr zahlen, sind dann ja selber schuld."  Zum Originalkommentar

"Sie wissen, dass Ihnen nichts geschieht und sie keine harte Strafe oder Abschiebung erfolgt. Politiker und Angestellte von Arbeitsämtern und Jobcentern und Ministerien gehören bei Fehlverhalten in private Haftung genommen."  Zum Originalkommentar

"Ab wann ist Betrug nicht mehr strafbar? Das ist mir irgendwann wohl durchgegangen. Der Merz weiß das sicher auch nicht, oder?"  Zum Originalkommentar

Pflichten und Fehlverhalten im Fokus

Einige Leser betonen, dass auch Vermieter Verantwortung tragen. Sie fordern, dass Vermieter stärker auf Abtretungserklärungen und vertragliche Sicherheiten achten, um Mietrückstände zu vermeiden. Tatsächlich können Vermieter bereits heute verlangen, dass Mieten direkt vom Jobcenter an sie überwiesen werden, sofern der Mieter zustimmt. In der Praxis wird das jedoch selten umgesetzt, weil die Verwaltung und Vermieter auf freiwillige Mitwirkung setzen. Die Kritik der Leser zeigt: Viele erwarten, dass Verantwortung zwischen Jobcentern, Mietern und Vermietern klarer verteilt wird – und nicht allein bei der Verwaltung liegen bleibt.

"Das Verhalten dieser Mieter ist inakzeptabel. Nur warum sichert sich der Vermieter nicht ab? So, wie er vor Beginn des Mietverhältnisses ganz zu Recht legal eine Abtretungserklärung ans Jobcenter verlangen kann, kann er im Mietvertrag festlegen, dass der grundlose Widerruf dieser ein Kündigungsgrund ist."  Zum Originalkommentar

"Warum lässt das Amt zu, dass solche Mieter Abtretungserklärungen einseitig widerrufen können? Das ist doch nicht zu fassen."  Zum Originalkommentar

"Was würde wohl passieren, wenn der Vermieter seine Grundsteuer nicht bezahlt, da weiß der Staat schon, was zu machen ist."  Zum Originalkommentar

Zweifel an Arbeitsbereitschaft der Sozialhilfeempfänger

Ein kleiner Teil der Kommentare thematisiert fehlende Arbeitsmotivation unter Leistungsbeziehern. Diese Stimmen spiegeln die anhaltende gesellschaftliche Debatte über das Bürgergeld wider. Tatsächlich ist der Anteil der Bürgergeldempfänger in Vollzeitarbeit gering, viele beziehen ergänzende Leistungen. Die Kritik der Leser richtet sich weniger gegen Bedürftige als gegen die Wahrnehmung, dass der Sozialstaat Anreize zum Nichtstun setze. Hier treffen emotionale Urteile auf komplexe soziale Realitäten. Die Herausforderung bleibt, Hilfsbedürftigkeit abzusichern, ohne den Leistungsanreiz zu untergraben – eine Balance, die die Politik seit Jahren sucht.

"Frage stellt sich für uns, warum arbeiten die nicht in irgendeinem Job, ist wahrscheinlich zu viel verlangt heutzutage. Bürgergeld ohne irgendwelche Probleme, läuft natürlich besser?!"  Zum Originalkommentar

"Wenn die so clever sind, müssten sie doch auch einen Job bekommen."  Zum Originalkommentar

"Das Problem sind nicht die Mieter. Sie nutzen nur ihre gegebenen Möglichkeiten, welche ihnen die Politik der letzten Jahre gesetzlich eingeräumt hat."  Zum Originalkommentar

Parteikritik und politische Verantwortung

7 Prozent der Leser machen politische Parteien direkt verantwortlich – insbesondere die Regierungskoalition und die SPD, die traditionell für Sozialpolitik steht. Sie werfen der Politik vor, Strukturen geschaffen zu haben, die Missbrauch begünstigen, und Reformen zu verschleppen. Diese Kritik steht stellvertretend für den wachsenden Vertrauensverlust in die staatliche Steuerung von Sozialleistungen.

Zwar wurden mit der Bürgergeld-Reform neue Leitlinien zur "Vertrauenszeit" und zu milderen Sanktionen eingeführt, doch viele Bürger empfinden dies als falsches Signal. Die politischen Parteien stehen somit unter Druck, Kontrolle und Mitgefühl neu auszutarieren – ein Spannungsfeld, das sich auch in den Leserkommentaren deutlich zeigt.

"Und Merz will jetzt noch mit Reichineck ins Bett steigen, damit diese tollen Zustände nahtlos so weiterlaufen können. Alle profitieren dabei, nur halt nicht der Steuerzahler."  Zum Originalkommentar

"850.000 €, also nahezu 1 Million! Und das ist nur 1 Fall von sicher einigen. Wieviele? Dazu gibt es sicher keine Auskunft, das weiß nicht so genau. Dafür arbeiten wir doch alle gerne länger und nehmen als Dank Leistungskürzungen entgegen."  Zum Originalkommentar

Ironische und sarkastische Spitzen zur Absurdität der Situation

Knapp 18 Prozent der Kommentare reagieren mit Spott, Galgenhumor oder Resignation. Sarkasmus ersetzt hier oft die sachliche Auseinandersetzung – ein Zeichen dafür, wie tief das Misstrauen gegenüber Politik und Verwaltung sitzt.

"Gibt's nicht, gibt's doch. Die einfache Beschreibung, was alles möglich ist."  Zum Originalkommentar

"Sorry, aber diesem Staat gehört es nicht anders. Kann man nur drüber lachen."  Zum Originalkommentar

"Herzlichen Glückwunsch nach Niedersachsen."  Zum Originalkommentar

Wie bewerten Sie die Verantwortung von Politik, Behörden und den einzelnen Beteiligten in solchen Fällen? Gehört die Kontrolle verschärft, die Gesetze verändert oder das System grundlegend reformiert? Diskutieren Sie mit und teilen Sie Ihre Sicht auf faire Lösungen und echte soziale Gerechtigkeit.

Hinweis: Die in diesem Artikel zitierten Kommentare geben ausschließlich die Meinungen unserer Leser wieder und wurden inhaltlich nicht verändert. Die Analyse, Auswertung und thematische Gruppierung der Kommentare erfolgt automatisiert mithilfe Künstlicher Intelligenz.